Am Unteren Platz Nr. 19

April 28, 2018 um 16:04 | Veröffentlicht in St.Veit | 1 Kommentar
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Hier befindet sich heute eine gern besuchte Cafe-Konditorei, einst kurz „Der Hahn“ genannt. Es war ein gewisser Rudolf Hahn, dem 1931 an dieser Adresse das Feilbieten von Speiseeis von der Gewerbebehörde erlaubt wurde. Acht Jahre später hat man ihm das Gewerbe für Zuckerbäcker bewilligt.

1943 wechselte das Gewerbe von Vater auf Sohn Karl und 1950 kam das Gastgewerbe als Vorstufe für ein Cafehaus  hinzu. 1956 berichtet die Volkszeitung erstmals von Ausgestaltung und Eröffnung einer Cafe-Konditorei. Mit dem neu gestalteten Portal und Hausfassade war die „Erste Cafe Konditorei“ Wirklichkeit geworden.

Der über drei Geschoße reichende Bau bildet gegen den Platz hin eine zwar bescheidene,  nur dreiachsige Front, reicht dafür aber weit in die räumliche Tiefe mit bemerkenswertem Laubengang hin zum Hinterhaus, heute Botengasse 5.  Finden sich im Haus am Platz unter den Besitzern meist eher Kaufleute, besser gesagt kleinere Gemischtwarenhändler so hat das Hinterhaus  ganz anderen Zwecken gedient.  Seit ca. 1760 bis 1951 finden sich dort immer wieder Bindermeister (Fassbinder) mit Namen wie Götzinger, Grintschacher, Wieser, Premig, Dusch, Weiß, Holzer, Kienberger und schließlich mehrere Sadjak.

Interessanter hingegen ist auf der Platz Seite die Profession älteren Besitzer, so ab dem 18. Jhdt. Es ruht nämlich ein Maria Theresia  Gewerberecht auf dem Haus, eine Chirurgen-Gerechtsame. Jetzt ist beides erklärungsbedürftig, einmal der Chirurg, er war in seiner alten Bedeutung Bader oder Arzt und die Gerechtsame bewirkte, dass wer immer das Haus besaß, berechtigt war, Bader oder Arzt, zu jener Zeit eben noch als  gewerbsmäßig auszuüben oder ausüben zu lassen, entsprechende Befähigung vorausgesetzt. Tatsächlich finden sich dort seit mindestens 1719 Vertreter dieser eigenartigen Zunft. Einmal Joseph Anton Käzler, danach ein Johann Katzler, dessen Witwe Maria Anna,  und schließlich deren Schwiegersohn Franz Koller,  zuletzt ihr Enkel Josef Koller. Erst 1866 schaffte Mathias Regenfelder einen Wechsel und eröffnete hier eine Lebensmittelhandlung. Eine angesehene St. Veiter Familie verwahrt ein örtliches  Andenken an die Zeit der Bader und Chirurgen und eben genau an den oben genannten Joseph Anton. Er verfasst eigenhändig in gut lesbarer Kurrentschrift eine Heilmittelsammlung:

„Dieses Buch hat geschrieben der Joseph Käzler zu seinen Nutzen und (um) auch anderen guten Freunden einen Rat zu geben aus diesem Buch zu seiner Gesundheit von allerlei Wässer zu was für ein Kraut hat für Nutzen und wie sie zu gebrauchen sind. Anno 1710 ist das Buch geschrieben worden“. Es folgen über 40 voll geschriebene Seiten z.B. über Wurm-Wasser, Weg-Gras-Wasser, Erdrauch-Wasser, Steinbrech-Wasser usw. aber auch allgemeine Ratschläge über den Aderlass, über das kalte und warme Baden, für die Augen usw. usw. Das ganze in Leder gebunden, der Umschlag kunstvoll gedruckt, gerahmt und den Hl. Vitus im Blätterkranz mit folgender Widmung zeigend:

„Dem wohledlgestrengen Herrn Franz Joseph von Spießegg des Inneren Rath und vornehmen Eisen-Handelsherrn der alten Kaiserlichen und Landesfürstlichen Haupt-Statt St. Veith in Kärnten meinem gebietenden Herrn zu einem glückseligen Neuen Jahr  1719“

Es ist zu vermuten, beim Empfänger dieser Glückwunsch Adresse hat es sich um einen zahlungskräftigen Patienten gehandelt, dessen schwache Gesundheit noch einiges an Dankbarkeit dem Herrn Chirurgen gegenüber erwarten ließ.  Er wird wohl bald gestorben sein, denn außer einem Eintrag im Bürgerbuch scheint der Eisenhändler nirgends auf.

Hier her gehört übrigens eine weiterführende Abhandlung über das Gesundheitswesen unserer Stadt – erschienen vor Jahren in „St. Veit Communal“ folgenden Inhalts:

 

Vom Bader zum Ärztehaus

Es ist keine zweihundert Jahre her, da lag die medizinische Versorgung unserer Stadt noch weitgehendst in den Händen von Badern und Wundärzten. Wissenschaftlich ausgebildete Ärzte waren noch äußerst selten. Wundärzte, sie wurden auch „Chirurgen“ genannt, waren zugleich Inhaber eines entsprechenden Gewerbes. Solche Gewerbe konnten entweder fix mit einem Hausbesitz verbunden sein, oder auch schon ein sogenanntes Personalgewerbe darstellen, welches sich nur auf die Person bezog. Noch 1849 erging vom k.k. Kreisamt Klagenfurt eine Currende (=Rundschreiben Nr. 4715) „an sämtliche Bezirks-Obrigkeiten (Bezirksämter) und k.k. Distrikts-Physikate des Klagenfurter Kreises, betreffend die Aufhebung der Wundärzte und wundärztlichen Gewerbe“. „Die Geschichte der Medizin in Kärnten“ von Karl R.H.Frick, Klagenfurt 1987 enthält auch reichlich St.Veiter Belange. Dort erfährt man z.B. von den ersten St.Veiter Kreisphysikern (=Kreisärzten), welche eine Amtsfunktion ausübten, etwa in dieser Reihenfolge: Dr. von Widmayrsfeld, Dr. Zunzer (ab 1797), Dr. Vinzenz Buzzi (ab 1801) und Dr. Ludwig Kollin (richtig Koller! ab 1804). Daß es jedoch neben den Amtsärzten auch schon frei praktizierende, unbeamtete Ärzte in St.Veit gegeben haben muß, beweist das Testament von Frau Elisabeth von Kellerstein, geborene Sulzer vom 19. Februar 1774, in dem sich einer der Testamentszeugen Anton Ferdinand Hudelist, Physicer loci nennt.

In der Präambel der eingangs erwähnten Currende wird ausgeführt:
„Es ist anerkannt worden, daß die bisherige Bildung von Sanitäts-Individuen verschiedener Kathegorien (= aller bisher im Gesundheitswesen Tätigen) mit verschiedenen Rechten und Pflichten den Forderungen der Wissenschaft, sowie der Humanität der Regierung nicht entspreche, und zur Störung der Verhältnisse unter den Sanitäts-Individuen selbst vielfachen bedauerlichen Anlaß gebe.“ Die Fortsetzung dieser Currende kommt einer Umfrage gleich,
wie weit man „in die vorherrschende Praxis eingreifen kann und soll, ohne die verkäuflichen und radizierten chirurgischen Gewerbe zu schnell in ihrem gegenwärtigen Besitze in große und unverdiente Nachteile zu versetzen.“ Klar erkennbar ist jedenfalls der Wille nach mehr Ordnung und mehr Ausbildung im Gesundheitswesen.. Dabei gab man abschließend zu bedenken „daß sich die Medicinae und Chirurgiae Doctoren nicht immer so leicht anschicken dürften, an Orten, wo früher ein Wundarzt lebte, sich niederzulassen, also auf dem flachen Lande, und vorzugsweise in ärmeren Gegenden…..“

Dem oben letztgenannten Dr. Ludwig Koller darf hier besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. In Verbindung mit der Geschichte des Hauses Unterer Platz 19 (heute Konditorei Schwarzfurter) läßt sich die sanitäre Entwicklung sehr gut illustrieren. Das Haus hat zwar eine relativ schmale Schauseite, die Gebäudetiefe und Architektur ist aber durchaus bemerkenswert. Schon im Steuerbuch der Stadt vom Jahre 1753 findet sich ein gewisser Katzler, Bader von Beruf. Er bewohnt und nützt das Haus alleine, d.h. ohne Mieter, weil die Zinsbewertung mit 51 Gulden sich ausdrücklich und zur Gänze für Eigennutzung versteht. Ihm folgt gemäß Häuserverzeichnis von 1775 Johann Katzler. Da laut St.Veiter Bürgerbuch schon 1664 ein gewisser Andre Käzler, Bader, neuer Bürger wurde, waren es mindestens drei Generationen, die an besagtem Orte zum Wohle der Kranken „ordinierten“. 1798 erwähnt das Bürgerbuch mit gleicher Adresse, einen F.X. Koller, Chyrurg, 37 Jahre alt, im eigenen Haus (Nr.58 alt), aus Ötting gebürtig. Dieses Ötting muß man wohl nach Bayern verlegen, denn wäre es das kleine Kärntner Ötting, hätte man den Gerichtsbezirk auch genannt. Besagter Koller hat nach Ableben des letzten Baders dessen Tochter Theresia geheiratet und mit dieser eine neue Mediziner Familie begründet. Ein zum Hause gehöriger Graben-Garten trägt noch länger die Bezeichnung „Frau Bader Kollerin Garten“ und dies, obwohl am Hause längst eine „Chyrurgen-Gerechtsame“ also ein radiziertes Gewerbe ruht. Zusätzlich besaß man das Haus Villacher Vorstadt Nr. 48 (Erlgasse 31).

Sohn Ludwig, inzwischen bereits studiert und Doktor, folgt als Mediziner nach, und dürfte zusammen mit seiner Gattin Josefine, vielleicht eine geborene Spieß im Verlaß seiner Eltern 1861 bedacht worden sein, denn beide zedieren diese Ansprüche den Erben des Peter Spieß. Ludwig ist es, von dem ein kleiner persönlicher Nachlaß im Gemeinde-Archiv aufscheint. Daraus geht hervor, daß er sich nicht nur mit medizinischen Studien, sondern auch mit Geschichte und schön geistigen Sachen befaßt hat. Darüber hinaus befindet sich im Hause Wernitznig eine handschriftliche Sammlung von „Geschichten der Stadt St.Veit in Kärnten, 1882 Collectant L.K.“ Das Interessante daran ist u.a. ein Bericht über die Entstehung des letzten Stadtbrandes von 1829. Neben einigen Gedichten, eigenen oder abgeschriebenen, führt der Chronist auch sein Geburtsdatum an und zwar den 4. Oktober 1811.

Ein weiterer Mediziner aus dieser Familie ist Dr. Josef Koller 1801 bis 1870, also wohl ein älterer Bruder des Ludwig. Er scheint auch der Besitznachfolger seiner Eltern geworden zu sein. Als er 1866 in St.Veit alles verkauft, trägt der Vertrag bereits die Datierung „Hüttenberg, 23. Februar“ Man kann sich vorstellen, aus welchen Gründen er St.Veit den Rücken kehrte und den Posten eines Werksarztes in Hüttenberg anstrebte. Man darf ja nicht vergessen, daß breiteste Bevölkerungsschichten damals noch ohne jeden Schutz vor Krankheitsfällen waren und auch nur wenige das Geld hatten, einen Arzt oder Apotheker – den es übrigens in der Stadt am Unteren Platz schon seit 1565 gibt – aufzusuchen. In Hüttenberg dagegen gab es dafür eine starke Knappschaft und bei den Eisengewerken auch noch wohldotierte, sogenannten Bruderladen, als frühe Vorläufer der späteren allgemeinen Sozialversicherung. Wer heutigen Tages von Hüttenberg in die Heft fährt, erblickt knapp hinter der Abzweigung Knappenberg ein kleines Gehöft, dieses nennt sich heute noch „Kollerhof“ und war der Wohnsitz des Werksarztes Dr. Josef Koller aus St.Veit.

Kommen wir noch kurz zurück zu Karl Frick und seiner Geschichte der Medizin. Es ist dort sehr anschaulich dargelegt, wie anfänglich nur weltliche und geistliche Fürsten, später dann die Landstände d.h. der Adel sich ausgebildete Ärzte halten konnten. Als Herzogsstadt ist St.Veit zumindest zeitweise Standort eines Arztes gewesen. Sogar der berühmte Arzt Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus soll um 1538 herum kurzzeitig in St.Veit praktiziert haben. Die weitere Entwicklung muss man sehr differenziert sehen. Während man die Vermögenden scheinbar medizinisch gut versorgt wußte – verglichen mit heutigen Standards müßte man sie in der Rückschau wohl eher bedauern – waren die ärmeren Schichten, wenn überhaupt, nur von den sogenannten „niederen“ Heilberufen, wie Bader, Barbierer, Chirurgen und Wundärzten versorgt. Wohl setzt schon im frühen 13. Jahrhundert da und dort die Gründung von Hospitälern ein, doch waren das lange noch keine Spitäler im heutigen Sinne. Auch das Bürgerspital in St.Veit war im Grunde nur eine Verwahranstalt für Alte und Kranke. Daß es in der Friesacher Vorstadt auch ein Siechenhaus gegeben haben muß, erhellt daraus, daß die Grundstücke östlich davon schon um 1585 in Urkunden von Schloß Weyer als „unter dem Siechenhaus“ bezeichnet werden. Was das sogenannte „Lazarett“ am Eingang zum Vitusgraben, neben dem „Borghi-Stöckl“ anlangt, darf man vielleicht davon ausgehen, daß es für das in der Stadt in Garnison gelegene Militär gedient hat. Ja und der Werdegang unseres Krankenhauses der Barmherzigen Brüder ist erst recht ein langer und vielschichtiger. Von seinen einfachsten Anfängen hin zu heutiger Geltung und seinem hohen Stand des medizinischen Angebotes, ist es ein einzigartiger Erfolgsweg.
Gewiß hat eine Erörterung der modernen St.Veiter Arzt-Praxen und der zunehmenden Zahl von Fachärzten bis hin zum neuen Ärztehaus, dem momentanen Höhepunkt einer ambulanten, ärztlichen Versorgung, ausgespart zu bleiben. Doch dies wäre eine weitere Geschichte!

Vom Bader zum Ärztehaus

Juli 1, 2012 um 15:56 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Es ist keine zweihundert Jahre her, da lag die medizinische Versorgung unserer Stadt noch weitgehendst in den Händen von Badern und Wundärzten. Wissenschaftlich ausgebildete Ärzte waren noch äußerst selten. Wundärzte, sie wurden auch „Chirurgen“ genannt, waren zugleich Inhaber eines entsprechenden Gewerbes. Solche Gewerbe konnten entweder fix mit einem Hausbesitz verbunden sein, oder auch schon ein sogenanntes Personalgewerbe darstellen, welches sich nur auf die Person bezog. Noch 1849 erging vom k.k. Kreisamt Klagenfurt eine Currende (=Rundschreiben Nr. 4715) „an sämtliche Bezirks-Obrigkeiten (Bezirksämter) und k.k. Distrikts-Physikate des Klagenfurter Kreises, betreffend die Aufhebung der Wundärzte und wundärztlichen Gewerbe“. „Die Geschichte der Medizin in Kärnten“ von Karl R.H.Frick, Klagenfurt 1987 enthält auch reichlich St.Veiter Belange. Dort erfährt man z.B. von den ersten St.Veiter Kreisphysikern (=Kreisärzten), welche eine Amtsfunktion ausübten, etwa in dieser Reihenfolge: Dr. von Widmayrsfeld, Dr. Zunzer (ab 1797), Dr. Vinzenz Buzzi (ab 1801) und Dr. Ludwig Kollin (richtig Koller! ab 1804). Daß es jedoch neben den Amtsärzten auch schon frei praktizierende, unbeamtete Ärzte in St.Veit gegeben haben muß, beweist das Testament von Frau Elisabeth von Kellerstein, geborene Sulzer vom 19. Februar 1774, in dem sich einer der Testamentszeugen Anton Ferdinand Hudelist, Physicer loci nennt.                                                                                        

In der Präambel der eingangs erwähnten Currende wird ausgeführt:

„Es ist anerkannt worden, daß die bisherige Bildung von Sanitäts-Individuen verschiedener Kathegorien (= aller bisher im Gesundheitswesen Tätigen) mit verschiedenen Rechten und Pflichten den Forderungen der Wissenschaft, sowie der Humanität der Regierung nicht entspreche, und zur Störung der Verhältnisse unter den Sanitäts-Individuen selbst vielfachen bedauerlichen Anlaß gebe.“ Die Fortsetzung dieser Currende kommt einer Umfrage gleich, wie weit man „in die vorherrschende Praxis eingreifen kann und soll, ohne die verkäuflichen und radizierten chirurgischen Gewerbe zu schnell in ihrem gegenwärtigen Besitze in große und unverdiente Nachteile zu versetzen.“ Klar erkennbar ist jedenfalls der Wille nach mehr Ordnung und mehr Ausbildung im Gesundheitswesen.. Dabei gab man abschließend zu bedenken „daß sich die Medicinae und Chirurgiae Doctoren nicht immer so leicht anschicken dürften, an Orten, wo früher ein Wundarzt lebte, sich niederzulassen, also auf dem flachen Lande, und vorzugsweise in ärmeren Gegenden…..“

Dem oben letztgenannten Dr. Ludwig Koller darf hier besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. In Verbindung mit der Geschichte des Hauses Unterer Platz 19 (heute Konditorei Hahn) läßt sich die sanitäre Entwicklung sehr gut illustrieren. Das Haus hat zwar eine relativ schmale Schauseite, die Gebäudetiefe und Architektur ist aber durchaus bemerkenswert. Schon im Steuerbuch der Stadt vom Jahre 1753 findet sich ein gewisser Katzler, Bader von Beruf. Er bewohnt und nützt das Haus alleine, d.h. ohne Mieter, weil die Zinsbewertung mit 51 Gulden sich ausdrücklich und zur Gänze für Eigennutzung versteht. Ihm folgt gemäß Häuserverzeichnis von 1775 Johann Katzler. Da laut St.Veiter Bürgerbuch schon 1664 ein gewisser Andre Käzler, Bader, neuer Bürger wurde, waren es mindestens drei Generationen, die an besagtem Orte zum Wohle der Kranken „ordinierten“. 1798 erwähnt das Bürgerbuch mit gleicher Adresse, einen F.X. Koller, Chyrurg, 37 Jahre alt, im eigenen Haus (Nr.58 alt), aus Ötting gebürtig. Dieses Ötting muß man wohl nach Bayern verlegen, denn wäre es das kleine Kärntner Ötting, hätte man den Gerichtsbezirk auch genannt. Besagter Koller hat nach Ableben des letzten Baders dessen Tochter Theresia geheiratet und mit dieser eine neue Mediziner Familie begründet. Ein zum Hause gehöriger Graben-Garten trägt  noch länger die Bezeichnung „Frau Bader Kollerin Garten“ und dies, obwohl am Hause längst eine „Chyrurgen-Gerechtsame“ also ein radiziertes Gewerbe ruht. Zusätzlich besaß man das Haus Villacher Vorstadt Nr. 48 (Erlgasse 31).

 Sohn Ludwig, inzwischen bereits studiert und Doktor, folgt als Mediziner nach, und dürfte zusammen mit seiner Gattin Josefine, vielleicht eine geborene Spieß im Verlaß seiner Eltern 1861 bedacht worden sein, denn beide zedieren diese Ansprüche den Erben des Peter Spieß. Ludwig ist es, von dem ein kleiner persönlicher Nachlaß im Gemeinde-Archiv aufscheint. Daraus geht hervor, daß er sich nicht nur mit medizinischen Studien, sondern auch mit Geschichte und schön geistigen Sachen befaßt hat. Darüber hinaus befindet sich im Hause Wernitznig eine handschriftliche Sammlung von „Geschichten der Stadt St.Veit in Kärnten, 1882 Collectant L.K.“ Das Interessante daran ist u.a. ein Bericht über die Entstehung des letzten Stadtbrandes von 1829. Neben einigen Gedichten, eigenen oder abgeschriebenen, führt der Chronist auch sein Geburtsdatum an und zwar den 4. Oktober 1811.

Ein weiterer Mediziner aus dieser Familie ist Dr. Josef Koller 1801 bis 1870, also wohl ein älterer Bruder des Ludwig. Er scheint auch der Besitznachfolger seiner Eltern geworden zu sein. Als er 1866 in St.Veit alles verkauft, trägt der Vertrag bereits die Datierung „Hüttenberg, 23. Februar“ Man kann sich vorstellen, aus welchen Gründen er St.Veit den Rücken kehrte und den Posten eines Werksarztes in Hüttenberg anstrebte. Man darf  ja nicht vergessen, daß breiteste Bevölkerungsschichten damals in Krankheitsfällen ohne Versicherung waren und auch nur wenige das Geld hatten, einen Arzt oder Apotheker – den es übrigens in der Stadt am Unteren Platz schon seit 1565 gibt – aufzusuchen. In Hüttenberg dagegen gab es dafür eine starke Knappschaft und bei den Eisengewerken auch noch wohldotierte, sogenannten Bruderladen, als frühe Vorläufer der späteren allgemeinen Sozialversicherung. Wer heutigen Tages von Hüttenberg in die Heft fährt, erblickt knapp hinter der Abzweigung Knappenberg ein kleines Gehöft, dieses nennt sich heute noch „Kollerhof“ und war der Wohnsitz des Werksarztes Dr. Josef Koller aus St.Veit.

Kommen wir noch kurz zurück zu Karl Frick und seiner Geschichte der Medizin. Es ist dort sehr anschaulich dargelegt, wie anfänglich nur weltliche und geistliche Fürsten, später dann die Landstände d.h. der Adel sich ausgebildete Ärzte halten konnten. Als Herzogsstadt ist St.Veit zumindest zeitweise Standort eines Arztes gewesen. Sogar der berühmte Arzt Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus hat um 1538 herum kurzzeitig in St.Veit praktiziert. Die weitere Entwicklung muß man sehr differenziert sehen. Während man die Vermögenden scheinbar medizinisch gut versorgt wußte – verglichen mit heutigen Standards müßte man sie in der Rückschau wohl eher bedauern – waren die ärmeren Schichten, wenn überhaupt, nur von den sogenannten „niederen“ Heilberufen, wie Bader, Barbierer, Chirurgen und Wundärzten versorgt. Wohl setzt schon im frühen 13. Jahrhundert da und dort die Gründung von Hospitälern ein, doch waren das lange noch keine Spitäler im heutigen Sinne. Auch das Bürgerspital in St.Veit war im Grunde nur eine Verwahranstalt für Alte und Kranke. Daß es in der Friesacher Vorstadt auch ein Siechenhaus gegeben haben muß, erhellt daraus, daß die Grundstücke östlich davon schon um 1585 in Urkunden von Schloß Weyer als „unter dem Siechenhaus“ bezeichnet werden. Was das sogenannte „Lazarett“ am Eingang zum Vitusgraben, neben dem „Borghi-Stöckl“ anlangt, darf man vielleicht davon ausgehen, daß es für das in der Stadt in Garnison gelegene Militär gedient hat. Ja und der Werdegang unseres Krankenhauses der Barmherzigen Brüder ist erst recht ein langer und vielschichtiger. Von seinen einfachsten Anfängen hin zu heutiger Geltung und seinem hohen Stand des medizinischen Angebotes, ist es ein einzigartiger Erfolgsweg.

Gewiß hat eine Erörterung der modernen St.Veiter Arzt-Praxen und der zunehmenden Zahl von Fachärzten bis hin zum neuen Ärztehaus, dem momentanen Höhepunkt einer ambulanten, ärztlichen Versorgung, ausgespart zu bleiben. Dies wäre wieder eine andere Geschichte!

 Walter Wohlfahrt in „Sankt Veit Kommunal“

Weitensfelder Vorstadt

September 12, 2011 um 17:27 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Kataster 1828 Ausschnitt

 

Dieses Viertel mit seinen 23 Häusern war um 1878 gegen die Nachbarvorstädte hin sehr willkürlich abgegrenzt. Haus Grabenstraße Nr.22 (Rainer) z.B. lief unter Friesacher Vorstadt und zur Villacher Vorstadt zählten Erlgasse und Lindengasse. Weitensfelder Vorstadt Nr.1 galt für das Haus in der Spitalgasse  v o r  Nagele. Es hieß Dr. Prettner Haus, nach dem St.Veiter Bürgermeister und Eigentümer von Schloss Rosenbichl bei Pulst, Franz Prettner. Gleich anschließend kommen die Gasthöfe Nagele und Rothman-Schauer, wo Generationen von Schaumbodner, Dreifaltigkeiter und Steinbichler einkehrten. Jetzt zweigt die Straße nach Zensweg ab. Zu rechter Hand liegt das uralte Gurker Stöckl samt Wirtschaftsgebäude. Als noch in St.Veit der Kärntner Landtag zusammentrat, benötigte nämlich der Gurker Domprobst als Mitglied der „Landschaft“ für die Dauer der Sessionen eine eigene Unterkunft. Dem Gurker Stöckl gegenüber hauste 1875 Johann Gotscheber. Sein Name sagt nichts anderes, als dass er oder einer seiner Ahnen aus der deutschen Sprachinsel Gottschee, im heutigen Slowenien, zugezogen war. Als Hausname diente lange „Zündhölzlfabrik“. Es wurden dort tatsächlich Streichhölzer erzeugt, bis sie die überlegenen „Schweden-Hölzer“, also Sicherheitszünder vom Markt verdrängten. An der Einmündung der Lindengasse steht heute die Schubernig Villa. Sie gehörte vor 125 Jahren der Handelsgesellschaft Brüder Ledl, welche ihre Verkaufsgewölbe unten in der Stadt (Wurmitzer-Schöffmann) hatte.

 Der große Komplex des „Kronprinz Rudolf Spitals“ ist am Plan im ursprünglichen Umfange gut erkennbar. Darunter am Bach ebenso die Mühle Tschernig  (Kartnig). Das Anwesen war einst den Jesuiten in Klagenfurt, zuletzt nach Leonstein untertan. Der Obermühlbach, schon immer für den Antrieb von Lederstampfen, Hammerwerken und dergleichen höchst bedeutsam, trieb damals mindestens noch zwei weitere Mühlen an, nämlich die Obere –  und die Untere Tappermühle (Matzenberger).

 Geheimnisvolles rankt sich um die Baufläche 188 „Borghi-Stöckl“ und „Lazarett“ genannt. Es wird berichtet, der erste Borghi sei als einfacher Maurergeselle nach St.Veit gekommen und hätte den Auftrag gehabt, in dem steinalten Gemäuer (Findenig-Haus) einen Kachelofen abzutragen. Bei dieser Arbeit fiel ihm ein im Ofen versteckter Münzschatz in die Hände. Es gelang ihm, diesen Fund unbemerkt an sich zu nehmen und bald danach wieder ins Venezianische heim zu reisen. Bei gutem Wind kam er wieder und kaufte sich das ganze Haus. Der schmucklose Zubau, Lazarett genannt, beherbergte im 18. Jhdt.  neben österreichischen Soldaten, auch preußische Kriegsgefangene. St.Veit war bekanntlich Garnisonsstadt. Das Sterbebuch der Stadtpfarre belegt, dass gar mancher brave Grenadier nicht mehr genesen konnte und im Lazarett, fern seiner schlesischen Heimat zu Tode kam.

 Vor dem Anstieg zur Vitusquelle sollte man den vom Verschönerungsverein unter Obmann Friedrich Knaus vor mehr als hundert Jahren geschaffenen, vom Stadtgartenamt stets liebevoll betreuten Vituspark auf sich wirken lassen. Am Rückweg empfiehlt sich ein Blick ins alte Badhaus, heute Taverne Santorini . Da konnten, dank einer wohltätigen Stiftung des Freiherrn Koller, die St.Veiter in der alten Zeit günstig zu einer Körperwäsche kommen. Zur Zeit locken Weine und Spezialitäten aus dem schönen Griechenland ins Haus.                                             V/2005

 

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