Reformation und Gegenreformation in St. Veit
Juni 23, 2016 um 14:48 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Adel, Almosen, Übelstände, Bürger, Bibelübersetzung, Bruck 1578, Dreißigjähriger Krieg, England, Erzbischof, Erzherzog Ferdinand, Erzherzog Karl, Frankreich, Friedhofssperre, Gegenreformation, Gerichtsakten, Kathedralen, Klöster, Leichenreden, Luther, Matrikeln, Mavon, Mavonius, Papst, Paul Dedic, Pfründe, Ratsherren, Reformation, Reich, Religionsfriede Augsburg, Rom, Schweden, Stadtpfarrer, Thesen, Zeugen
In Kürze jährt sich zum 500sten mal ein Ereignis, welches geeignet war, große Erwartungen, aber auch tragische Auseinandersetzungen ins Römische Reich Deutscher Nation zu tragen. Römische Kaiser taten sich dabei um vieles schwerer als so mancher kleine König. Frankreich z.B. wurde vom Papst zugestanden, seine Bischöfe selbst zu ernennen (1516). Schweden löste Klöster, Abteien und Bistümer kurzerhand durch Enteignung auf (1531). Mit den Erlösen daraus schuf man sogar eine neue große Flotte! England hob aus bekannten Gründen eine eigene Staatskirche aus der Taufe (1534). Kathedralen, Landkirchen, Klöster und Abteien in Ruinen sind Anziehungspunkte für Romantiker.
Durch einen kleinen deutschen Mönch, namens Martin Luther mit seinen 95 Thesen (1517) und Streitschriften wider die alte Lehre einerseits, seiner Bibelübersetzung ins Deutsche anderseits, war es zu länderübergreifenden Bewegungen gekommen. Mit diesem Jahre wird gemeinhin der Beginn der Reformationszeit angesetzt. Aber auch andere Reformatoren, inner- und außerhalb Deutschlands haben gegen Übelstände der Kirche angekämpft, wovon es ja wirklich reichlich gegeben hat. So war es gar nicht schwer, dagegen Stimmung zu machen. Die Motive waren sehr unterschiedlich. Das tief gläubige Volk am Lande und in den Städten – solch Volk fand sich vereinzelt auch auf Burgen und Schlössern – litt tatsächlich unter den gegebenen Zuständen und sehnte Reformen herbei. Dagegen war so manch rein weltlich gesinnter Patrizier oder Adelsvertreter sehr wohl in der Lage, über die Grenzen zu blicken. Da merkte man bald, was anderenorts im Aufstand gegen Rom alles zu gewinnen war. Man musste nur einmal für allgemeine Entrüstung sorgen, dann könnte sich vielleicht auch im Reich etwas tun? Und es hat sich einiges getan, zuerst wohl nur für den Adel, nicht so für ländliche und städtische Menschen!
Was hat der Augsburger Religionsfriede (1555) mit seinem Beschluss „Wessen Regierung – dessen Religion“ österreichischen Landen gebracht? Eigentlich erst einmal nur Hoffnungen, nicht mehr. Handfester waren die späteren Verfügungen eines Erzherzogs Karl (Graz, 1572) mit freier Religionsausübung für Herren und Rittern bzw. bald schon für Bürger der landesfürstlichen Städte (Bruck 1578). Solches Nachgeben erfolgte nur zum Schein. Gewissensfreiheit und eine ihr entspringende Religionsausübung waren in Städten, also auch in St. Veit, schon fast ein Lebensalter lang selbstbestimmter Alltag. Luthers Lehre fand bald nach 1550 zunehmend Anhänger in St. Veit (Martin Wutte). St. Veit galt als Hochburg des Protestantismus (Wilhelm Wadl). Die wahre Einstellung Karls, des Stadtherrn, spiegelte sich darin, dass er nach 20jähriger Unterbrechung(!) 1572 in Graz (!) erstmals wieder eine pompöse Fronleichnamsprozession halten ließ und obendrein Jesuiten dorthin holte. Solch eindeutig gegenreformatorische Maßnahmen gab es in St. Veit vorläufig noch nicht! Hier waren Einkünfte aus Pfründen der Pfarre, des Klosters und der kirchlichen Stiftungen schon lange Sache des Stadtmagistrates. Unter Karls Nachfolger, Erzherzog Ferdinand, wurden die Schrauben merklich angezogen! Sehr bald kam es zu Vorladungen, Kerker und Geldstrafen gegen Bürger und Ratsherren. Damit stand die Ausweisung der Prädikanten in Verbindung (1582), sowie die Wiedereinsetzung eines katholischen Stadtpfarrers. Nicht vergessen sei die bewaffnete Strafexpedition eines gewissen Brenner, Bischof von Seckau, (Herbst 1600) mit Einebnung des Evangelischen Friedhofes. Dieser Gottesacker wurde errichtet, als der wieder installierte katholische Stadtpfarrer die Friedhofsperre für Evangelische verfügte. Noch konnten Adelige und Vermögende auf ihren Ansitzen in der Umgebung allen Bedrängten Hilfe leisten. Sie boten Gelegenheiten zu geheimen Gottesdiensten, auch Schulunterricht durch dort gerade noch gehaltene evangelische Hauslehrer. Wie lange noch und wie massiv sich dieser innere Widerstand auch öffentlich zu manifestieren wusste, belegen Gerichtsakten und protokollierte Zeugenaussagen von 1620. Es geht dabei um einen Stadtpfarrer. Er hieß Mavon (lateinisch Mavonius). Gegen ihn liefen mutige Ratsherren und selbstbewusste Bürger Sturm, indem sie ihn beim Salzburger Erzbischof, wenn auch erfolglos, anschwärzten. Sein privater Lebenswandel, Nachlässigkeiten und Versäumnisse im Kirchendienst und dass er für eine Teilnahme an der (wiedereingeführten!) Fronleichnamsprozession 20 Gulden im voraus haben wollte, waren nur einige der vielen Anklagepunkte. Auch habe er die Ratsherren von der Kanzel herab Kirchendiebe gescholten. Warum wohl? In seiner Rechtfertigung war Mavon bemüht, die Unhaltbarkeit der Klagen und die Parteilichkeit der Ratsherren mit dem Bemerken zu untermauern, es seien in der ganzen Stadt kaum noch zwölf (!) gut katholische Familien zu finden. (Man könnte darin eine Anspielung auf die Trabanten erblicken) Das heißt doch nichts anderes, als dass zwei Jahre nach Beginn des schrecklichen Dreißigjährigen Krieges der Widerstand in St. Veit noch lange nicht gebrochen war. Dass man sich dabei, ohne es wahr haben zu wollen, längst im „letzten Gefecht“ befand, beweist das Folgende: War man einst strikte gegen jede Fronleichnamsprozession, so bildete plötzlich gerade deren Ausführung Anlass zu scheinheiliger Beanstandung! Natürlich wurde von Mavon genaue Abrechnung und Rückstellung der entzogenen Einkünfte verlangt und durchgesetzt.
Auswanderungen ins Reich waren jetzt, Vertreter einiger adeliger Familien ausgenommen, schon gar nicht mehr Thema, es sei denn, man wollte in den Krieg ziehen. Doch wer wollte das wirklich, ohne Not? Man hat sich gefügt, wenn auch nur äußerlich. Dem ständig zunehmenden Druck wollte man lieber ausweichen. Paul Dedic untersuchte in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Matrikeln unzähliger evangelischer Gemeinden in Württemberg, Franken, Hessen und darüber hinaus. Sterbe- und Trauungsbücher nennen kaum einen St. Veiter unter hundert Exulanten. Ebenso wenig scheinen St. Veiter in den diversen Exulantenlisten, Almosen-Rechnungen der Städte auf oder kommen in sogenannten Leichenreden vor.
Als ein schönes Zeichen des einmal selbstbewussten Aufbruches evangelischer Bürger und Ratsherren kann man das im Jahre 1564 begonnene Bürgerbuch der Stadt St. Veit ansehen. Es wird im Kärntner Landesarchiv verwahrt. Das Rathaus von St. Veit (Teilansicht) mit Justicia und Reichsadler
Bloggen auf WordPress.com.
Entries und Kommentare feeds.