Engelbert Valent (1899-1986) – Arbeiter, Soldat, Zeichner und Maler

Mai 6, 2018 um 17:48 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Einer Großfamilie mit Friauler Wurzeln  entstammend, kam Engelbert als viertes von zwölf Kindern am 4. Mai 1899 in Gurk zur Welt. Sein tragisches Ende fand er am 16. Januar 1986 nach einem Verkehrsunfall in der Klagenfurter Ebentalerstraße. Der Geburtsort ergab sich eher zufällig, weil Vater Franz, Baumeister seines Zeichens, Restarbeiten für die junge Gurktalbahn übernommen hatte. Engelberts frühe Kindheit war davon geprägt, daß ein kleiner Baumeister jener Zeit nicht selten samt Familie der Arbeit nachwandern mußte. Immer neue Menschen, neue Landschaften wirkten auf das Gemüt des Heranwachsenden ein. Etwas zu viel davon dürfte ihm 1915 zuteil geworden sein, als man den Sechzehnjährigen samt Eltern, Onkeln, Tanten und Geschwister kurzerhand internierte. Frauen und Kinder verbrachte man in die Oststeiermark, die Männer gar bis ins Burgenland. „Reichsitaliener“ im nahen Grenzgebiet bildeten bei Kriegseintritt Italiens angeblich ein Risiko, das man nicht eingehen wollte. Da spielte es keine Rolle, daß Engelberts Großvater, längst auf eigenem Besitz in Schwambach bei St.Martin/Sittich ansässig, einst dem „Imperatore Francesco Giuseppe“ zwölf Jahre treu gedient gehabt hatte! Gendarmen waren ortsweise unterschiedlich streng in der Auslegung von Dienstbefehlen, manchmal aber unerbittlich, wie jene vom für Oberhaidach zuständigen Posten Glanegg.

Bei Kriegsschluß und nach Rückkehr in das Glantal – diesmal nicht mehr zum Haidensee, sondern nach Lebmach, weil man dort für die Errichtung eines neuen E-Werkes tüchtige Maurer gut brauchen konnte – war die künftige Berufslaufbahn Engelberts vorgezeichnet und ihr Start eigentlich auch längst schon überfällig. Die billigsten, wenn schon nicht immer die willigsten Arbeiter des Baumeisters waren die eigenen Söhne. So wurde einer nach dem anderen zum Maurer ausgebildet. Engelbert aber entdeckte daneben noch eine eigene Welt, die Welt der Farben. Es wird berichtet, dass er eines Tages, es könnte im Jahre 1919 gewesen sein, seine Mutter in ihrer eigener Wirkungsstätte, in der Küche also, in allergrößten Schrecken versetzte. Das kam so: Mutter war gerade einmal kurze Zeit vor dem Haus oder im Garten, da malte der Jüngling ganz rasch und sehr gelungen ein Zwergerl  an die Wand, so als würde es leibhaftig hinter dem gemauerten Herd hockend, zur Tür hin schauen. Nach dieser ersten Probe seines Könnens, sollen die Malversuche nie mehr ganz aufgehört haben. Stall- und Stadelwände, innen und außen, gaben die ersten Malflächen ab. Natürlich waren damals die Möglichkeiten für Arbeiter, sich ein solches Hobby zuzulegen oder sich gar dafür ausbilden zu lassen, sehr gering. Die ersten „Schöpfungen“ wurden daher auch leicht wieder verworfen. Bestenfalls überlebten solche kürzere oder längere Zeit im engsten Familienkreis. Daneben war der Jüngling auch der Musik sehr zugetan. So hat er beispielsweise längere Zeit mit Inbrunst die Klarinette geblasen, obwohl sein Lieblings-Instrument eigentlich die Oboe gewesen wäre.

Hohenstein

Schon vor dem zweiten Weltkrieg entstanden einige in Öl gespachtelte oder gemalte Landschaften. Dazu zählen etwa ein Birkenwald, Schloß Hohenstein und weitere in Öl oder Aquarell gehaltene gegenständliche Motive. Experimentierfreude und Lerneifer waren jedenfalls groß. Wenn auch seit 1922 mehr oder weniger stolzer Vater, bald danach mit Albine Ameisbichler, verwitwete Matschnig, geboren Tigring 13.5.1900 in Lebensgemeinschaft verbunden, wurde noch lange ein Dasein ohne Trauschein bevorzugt und erst 1943 die Ehe geschlossen. Im väterlichen Betrieb einst nur gegen Kost und Unterkunft, bei unregelmäßigem Lohn beschäftigt zu sein, befriedigte nicht lange. So kam er bald nach Klagenfurt und zu fremden Maurermeistern. Die endgültige, auch meldeamtlich vollzogene Übersiedlung von Lebmach nach Klagenfurt datiert mit 16.12.1930. Bei aller Not der Zeit ist man wenigstens unabhängig und niemandem gegenüber Rechenschaft schuldig, sofern man einem aufwendigen Steckenpferd frönen möchte. Bilder jeder Art faszinieren und regen zum Kopieren oder zu Phantasie-Bildnissen an. Das eine oder andere findet auch schon Abnehmer, aber kaum Käufer. Gemalte Täler und Burgen, Stileben mit Obstkörben, Gefäße oder Blumen eignen sich gut als Mitbringsel oder als Hochzeitsgeschenk in der großen Verwandtschaft. Vereinzelt wird die Anfertigung von Kopien gelungener Motive in Öl gewünscht. Des Malers Vorliebe gilt ländlichen Menschen und Bauwerken, den Landschaften des Glantales,  doch ebenso Motiven rund um Klagenfurt. Bei Verwandtenbesuchen war die Staffelei immer dabei, ob in Schwambach, Lebmach, Brückl oder Eberstein.

Truppe-Kopie

1938 übersiedelte das Paar von der ersten Klagenfurter Wohnung in Haidach in bessere Lage in der Peter Rosegger Straße und 1940 in die Brünner Straße. Bei Ausbruch des Krieges war Engelbert Valent  40 Jahre alt. Dieser Umstand sowie seine Körpergröße von nur 1 Meter 61 ersparten ihm vorerst einen Ruf zu den Fahnen. Im Juni 1942 war es dann fast so weit. Er wurde „Deutscher Frontarbeiter“ das heißt, man verpflichtete ihn als Maurer-Vorarbeiter zur Organisation Todt. „Einsatz Norwegen“ wurde in das Dienstbuch gestempelt und es könnte auch dazu gekommen sein, denn es existiert ein Gipfel-Motiv mit Gebirgsjägern. Am 30.4.1943 wurde er zur Wehrmacht überstellt, wobei ihm bis zum glorreichen Ende noch zwei volle Jahre zugemessen waren. Ob er unter diesen Umständen viel zum Bildermalen gekommen ist, muss man eher bezweifeln, doch ganz auszuschließen ist es auch nicht. Von anderen Heldentaten ist noch weniger bekannt, es sei denn, die folgende Episode. Sie stammt vom „Krieger“ persönlich und zeugt von Unerschrockenheit und Mutterwitz: 1945 in den Wirren des Rückzuges über Slowenien, als man durch von Partisanen beherrschte Wälder und Landstriche nur noch des Nachts einigermaßen unbehelligt vorankommen konnte, trottete er als Muli-Führer zusammen mit anderen durch die Dunkelheit. Da überkam ihn ein plötzliches menschliches Rühren und er musste kurz mit dem Muli zurück bleiben. Nach Erledigung der Sache war der Trupp aber weder zu sehen und noch zu hören. Rufen war streng verboten. Der dringende Versuch, schnell wieder Anschluss zu finden, scheiterte an einer Weggabelung mitten im Wald. Da standen die Chancen fürs Überleben auf einmal nur noch 50 zu 50! Was tun? Kehrt gemacht, kurz den gekommenen Weg zurück. Im Brotbeutel fand sich noch ein kleiner Vorrat. Dieser wurde mit dem Muli geteilt. Dann sprach der Mensch zum Tier „Geh, jetzt mußt Du entscheiden“. Glücklich erreichte man die Kameraden wieder und nach Tagen sogar Kärntner Boden.

Zurück in einem stark zerstörten Klagenfurt hieß es zunächst neue Wohnung und Arbeit zu suchen. Gelernte Maurer waren für den notdürftigsten Wiederaufbau gefragt, womit ein Arbeitsplatz relativ bald gesichert erschien. Ein Unterkommen von 1945 bis 1967 wurde in der Völkermarkter Straße Nr.2, danach bis zum Ableben in der Fischl Straße Nr.31 gefunden. Ungeachtet der immer noch tristen, allgemeinen Lage, startete bereits 1949 im Rahmen der Volkshochschule der Arbeiterkammer eine von Prof. Karl Truppe geleitete Malschule. Leider sind in der Arbeiterkammer keinerlei Kursunterlagen mehr vorhanden. So ist es auch nicht nachweisbar ab wann und für wie lange Valent Schüler Truppes war. Tatsache ist, daß er von diesem frühen und einmaligen Angebot seiner Standesvertretung ab der erstmöglichen Gelegenheit Gebrauch gemacht hat. Die Aktkurse am Mittwoch Abend erfreuten sich rasch wachsender Beliebtheit. Ähnliches galt für das Porträtieren an Samstag Nachmittagen und Sonntag Vormittagen. Die Ansetzung der Kurszeiten läßt erkennen, dass man zunächst wirklich nur auf Arbeiter und Angestellte abzielte. Dies hat sich allmählich gewandelt und immer öfter fanden auch Privat- ja sogar Geschäftsleute, neben den Arbeitern also auch malbegeisterte Intellektuelle Gefallen an den Malkursen. Nach dem Ableben von Prof. Truppe im Februar 1959 folgte Prof. Karl Bauer als Leiter der Malschule, wobei ein weiterer Kursbesuch spätestens von da an eher auszuschließen wäre.

Thea Steiner-Kaltmann, seit 1955 gleichfalls Truppe Schülerin, spricht in ihrer Erzählung „Zigeuner des Lebens“ von der unzerstörbaren Liebe zur inneren Schönheit der Dinge. Dass der Maler Engelbert Valent dieser Liebe bis ins hohe Alter treu blieb, beweist die Fülle seiner Arbeiten. Bisher konnten fünfzig Bilder, alle in Privatbesitz, aufgenommen und digital katalogisiert werden. Das Gesamtwerk darf der Anzahl nach aber leicht doppelt so hoch angesetzt werden. Natürlich war er sich in angeborener Bescheidenheit sehr wohl dessen bewusst, welche Welten zwischen malenden Autodidakten einerseits und akademisch gebildeten Künstlern anderseits liegen. Er hat die wahre Kunst immer hochgeschätzt und verehrt, sich aber auch nach Kräften und mit seinem zweifellos vorhandenen Talent bemüht, sich dieser hohen Schule zu nähern. Dies gilt, auch wenn er nachweislich nie ausgestellt und es auch nie zu einem öffentlichen Ankauf gebracht hat.  Die Ausstellungsflut und Ausstellungswut unserer Tage hat es damals noch nicht gegeben. Die per Gesetz dekretierte Ankaufspflicht für öffentliche Körperschaften ist gleichfalls erst in jüngerer Zeit wirksam geworden. Ein Platz innerhalb der großen Zahl begeisterter und begabter Arbeiter-Künstler gebührt Engelbert Valent allemal.

Ein kleiner, namenkundlicher Exkurs ist vielleicht nicht ganz uninteressant und geeignet den mehrfach Genannten als einen wahren Repräsentanten von Alpe-Adria hinzustellen. Valent ist der slowenische Name für unseren Vornamen Valentin. Vor etwa 500 Jahren kam es bekanntlich sukzessive zur Bildung von Zweit- bzw. Familiennamen auf unterschiedliche Weise. In den Städten –  nicht selten auf Berufe der Väter abgestellt –  etwas früher als am flachen Land, wo auch der Vatername eine Rolle spielen konnte. Wenn nun aber der in jedem Falle slowenische Vatername Valent in den Landstrichen zwischen Socia-Isonzo und Tagliamento aus noch zu erklärenden Gründen unverändert zum Gen-Namen werden konnte, dann müsste es in Slowenien nach aller Regel den Familiennamen Valentic geben, Sohn des Valent. Siehe da, das Telefonbuch allein von Laibach enthält unzählige Valentic. Ein möglicherweise im Namen verschriebener Alpinschiläufer der jüngsten WM in Oberstorf hieß laut Insert z.B. Valencic. Welche Ableitung von Valent im  Slowenischen letztlich die richtige ist, mögen andere entscheiden. Im Umkehrschluss gilt dann aber, dass die obgenannten Landesteile vor einem halben Jahrtausend sprachlich weder rein slowenisch (nicht Valentic, sondern Valent!) auch noch nicht rein italienisch (nicht Valentino, sondern Valent!) gewesen sein können, sondern sowohl als auch und vielleicht noch einiges mehr, eben friulanisch. Dabei wäre gewiss auch noch ins Auge zu fassen, welcher Nation damals die Schreiber der Grundherrschaften oder die Matrikeln führenden Pfarrer angehörten. Gerade Pfarrer neigten einst gern dazu, alte Namen einzufärben. So entstanden im Friaul auch Valente, Valentini usw. Eine große Verbreitung des Familiennamens Valent innerhalb Italiens in moderner Zeit hat mit dem Eisenbahnbau zu tun. So ist etwa der Friedhof von Monterosso al Mare an der Ligurischen Küste voll von „slowenischen“ Valent aus Friaul!

Soweit mein Aufsatz, erschienen in „Kärntner Landsmannschaft“  Nr. 9/1998.

Ein gewichtiger Nachtrag – Mai 2018:

Über den Klagenfurter Flohmarkt gelangte ein zwar wenig qualitätsvolles, hinsichtlich der Biographie von Engelbert Valent aber wichtiges Werk in meine Hände. Es handelt sich dabei um ein von Buffa in  Gold gerahmtes Ölgemälde, mittleren Formates, ein unbekanntes repräsentatives Stadthaus (Klagenfurt?) zeigend, mit E. Valent signiert, rückseitig mit Handschrift vermerkt „Egon Chabert Klagenfurt 1931“ . Egon Chabert, alias Friedrich von Ostland, war in Wien kein unbekannter Maler. Er versuchte offensichtlich mit gängigen Motiven längs der Donau während schwieriger Zeit etwas Geld zu verdienen. Ein ähnlicher Beweggrund mag ihn wohl auch nach Kärnten geführt haben, wo der Fremdenverkehr nach der Währungsreform auch wieder zaghaft einsetzte. Um die Zeit zu nutzen, mag er auch Mal-Kurse in Klagenfurt angeboten haben. Dass es jetzt eine Öl-Arbeit gibt, die verschiedene Pinselstriche (solche des Lehrers und solche des Schülers) verrät und obendrein sogar deren Namen zeigt, lässt wohl den Schluss zu, dass Engelbert Valent nicht nur ein Schüler von Karl Truppe gewesen ist, sondern 20 Jahre davor bei Egon Chabert malen und kopieren gelernt hat. Das bestätigt einmal mehr seinen künstlerischen Lerneifer und auch das Bemühen, sich möglichst alle Techniken anzueignen: Spachteln, Aquarellieren, Ölmalerei, Akt  und  Portrait  malen, Landschaften  usw.

Übungsarbeit Klagenfurt 1931 unter Egon Chabert

Um einen Eindruck über das große und vielseitige Schaffen des Künstlers zu vermitteln, seien hie noch einige der ungezählten Arbeiten gezeigt :

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die amateurhaften Fotos beeinträchtigen leider die Bildwiedergabe beträchtlich. Auch die Aufnahmedaten stimmen natürlich nicht und sind zu vernachlässigen.

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