Obermühlbacher Kirchtag Anno 1823
Juli 31, 2011 um 16:15 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bauernburschen, Eidesformel, Fronleichnahmsprozession, Heereslieferanten, Kircher Obermühlbach, Kronländer, Leutgeb Kirchtag, Monarchie, Musik, Primus Ottowitz, Tanzboden, Wirte
Blick über das alte St. Veit/Glan mit Kirche Obermühlbach im Hintergrund
So willkommen die hier in Garnison liegenden kaiserlichen Truppen etwa beim Stadtbrande von 1829 als tatkräftige Helfer waren und dafür auch hochoffiziellen Dank ausgesprochen bekamen, so sehr sie auch geschätzt waren, wenn sie durch korporative Teilnahme die Fronleichnams-Prozession verschönerten, so daß die Leute von überall her der Stadt zuströmten, auch hatten die zahlreichen Wirte nichts dagegen, wenn ein Großteil des Soldatensoldes in ihre Kassen floß, von besonderen Interessen der „Heereslieferanten“ erst gar nicht zu sprechen, das enge Nebeneinander von Militär- und Zivilvolk konnte mitunter schon auch manchmal zu merklichen Belastungen führen. Davon wird hier erzählt.
Nie hätte man ein Sterbenswörtchen davon vernommen, wären nicht die unliebsamen Vorkommnisse angezeigt, vor dem Gericht der Stadt abgehandelt und protokolliert worden.
Ein Raufhandel zwischen Militärpersonen und Bauernburschen auf dem Leutgeb Kirchtag in Obermühlbach führte dazu, daß im Juni 1823 ein größerer Gerichtsakt anzuwachsen begann.
Einvernommen wurde Primus Ottowitz, 56 Jahre alt, seit vier Jahren verehelicht mit seiner allerliebsten Agata, zum Ortsgericht Rosegg zuständig, sechs Jahre schon bürgerlicher Kleidermacher und Besitzer des Hauses Nr. 79 in der Kasern-Gasse. Er gab an, zwei Soldaten hätten ihn ohne jeden Grund mit Gewehrkolben traktiert, und das kam so: Auf einem friedlichen Familienausflug gegen Obermühlbach unterwegs, wurde er von einem Trupp Soldaten überholt. Nur aus Neugier folgte er demselben bis in die Nähe des genannten Gasthauses, weil aus demselben Musik ein viel wildes Geschrei zu hören war. Wie er aussagte, wurde er nur aus Neugier und ganz gegen seinen Willen in eine böse Sache hineingezogen, bald in Verhaft genommen und schließlich nach St.Veit abgeführt. Auf dem Weg dort hin wurde ihm von Soldaten noch weiter arg mitgespielt. Erst in der Zelle bemerkte er, daß durch die erlittenen Hiebe beide Ohren stark bluteten. Seine Aussage hatte er schließlich mit folgender Eidesformel zu beschwören: Ich Primus Ottowitz schwöre zu Gott dem Allmächtigen, Allwissenden und Allgerechten einen feierlichen Eid, daß meine vorstehende Aussage die reinste Wahrheit enthalte, so wahr mir Gott helfe, Amen.
Nur mit Rücksicht auf seine Bürgereigenschaft kam er am nächsten Morgen gegen Gelöbnis, sich jederzeit stellen zu wollen, frei. Was war geschehen? Als übermütige Bauernburschen aus dem Gauertal (Schaumboden) und den umliegenden Bergen aus nichtigem Anlaß Streit suchten, dürfte es den Uniformierten, im übrigen aber Unbewaffneten bald klar geworden sein, daß sie in Bedrängnis kommen und Verstärkung nötig haben könnten. Vielleicht war so manchem Naturbursche der Zauber der Montur und dessen Auswirkung auf die holde Weiblichkeit unerträglich? Oder war es das schwüle Wetter, was für dicke Luft auf und um den Tanzboden herum sorgte? Irgendwie scheint es gelungen zu sein, noch ganz heimlich einen Mann in Richtung Stadt und zum dortigen Hauptquartier in Marsch zu setzen, was zur Folge hatte, daß ein voll adjustierter Trupp im Eilmarsch dem Kampfplatze zustrebte und die Unbesiegbarkeit der kaiserlichen Armee letztendlich und einmal mehr unter Beweis stellen konnte. Ottowitz wußte, was er seinem Vornamen Primus schuldig war, und wollte eben der e r s t e unter den Zuschauern sein, wenn es beim Leutgeb in Obermühlbach wieder einmal so richtig rund ging.
Über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit ist nichts mehr bekannt, auch nicht darüber, wie viele Knechte und Bauernbursche danach aus dem Verkehr gezogen wurden. Sicher ist aber, dass sie etwas längere Zeit gesiebte Luft zu atmen hatten als der ehrenhafte Bürger von St. Veit Primus Ottowitz. Eines aber zeigt diese Geschichte und jene der letzten Nummer deutlich: Was zur Zeit der Monarchie im militärischen Bereich funktionierte, war im privaten nicht immer problemlos, nämlich das zivile Verhältnis der Menschen verschiedener Kronländer untereinander.
Walter Wohlfahrt in „Zentrum Kärnten“ I/2008
Ziegelstadel von 1827 und Gratzer Reiden
Juli 31, 2011 um 16:10 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bahnbau Glandorf, Bleiweißfabrik, Brennofen, Eisenbahn, Glanregulierung, Ilse Eichwalder, im Pulawald, Josef Dormann, Lohnkutscher, Militärpersonen, Offiziere, Posthalter Mayer, Römersteine, Sägel Wunde
Ein Konflikt zwischen Militärpersonen und rechtschaffenen Stadtbewohnern war es, der im April des Jahres 1827 zwei Einvernahmen vor den St.Veiter Stadtrichter nötig machte. Zwar hatte der Richter keinerlei Gewalt, gegen Militärs Strafen auszusprechen, oder solche gar zu vollstrecken, doch der Schutz von Bürgern lag ihm deutlich am Herzen.
Josef Dorfmann aus der Villacher Vorstadt, Hausherr und biederer Lohnkutscher im Nebenberuf, brachte zur Anzeige, was ihm von zwei kaiserlichen Fähnrichen jüngst widerfahren ist. Des Dorfmann Gehilfe, Bartlmä Brandner, 25 Jahre alt, ledig., wohnhaft beim Vater Primus Brandner im Lazarett-Gebäude wurde als Zeuge geladen. Seine unter Eid gemachte Aussage lautete:
Mein Dienstherr wurde öfter mit seinen Pferden vom hiesigen Posthalter Mayer herangezogen, wenn sich unvorhergesehen Sonderfahrten ergaben. Auch diesmal übernahm er es, zwei Fähnriche samt Bagage vom Gasthof Stern in St.Veit zum Gasthof Ochsen in Klagenfurt zu bringen. Dazu benötigte man zwei Gespanne. Während Dorfmann vorne weg das Gebäck übernahm, kutschierte ich die Galesche mit den beiden Fahrgästen ihm hinterher. Bald forderten die Offiziere, ich solle doch dem Straßenstaub des Dorfmann ausweichen und diesem vorfahren. Das war bei der Koller’schen Bleiweißfabrik. Beim Ziegelstadel vorbei war es dann so weit und in die Gratzer Reiden wollte ich das trabende Pferd auf Schrittempo zurücknehmen, weil dort die Straße gegen St.Donat hin ansteigt. Dies gefiel jedoch dem links von mir sitzenden Offizier gar nicht und er forderte die rasche Gangart beizubehalten. Weil ich wußte, daß mein Herr keinesfalls wünschte, das Ross zu überanstrengen, wollte ich solches Ansinnen vorerst überhören. Da griff der Offizier selbst ein, nahm mir die Peitsche aus der Hand und trieb damit kräftig an. Dorfmann folgte bald, hielt an und verlangte die Peitsche zurück, was man ihm aber verweigerte. Es entspann sich ein hitziger Wortwechsel in dessen Verlauf die Uniformierten reklamierten, für den Transport doch gezahlt zu haben und daß in Klagenfurt der Anschluß zu erreichen sei. Dorfmann wiederum konnte darauf hinweisen, die Pferde seien sein Eigen und von ihm bezahlt. Er könne nicht dulden, daß diese zuschanden gefahren werden. Im übrigen hätten sie eben schon in St.Veit an eine frühere Abfahrt denken sollen. Dem Dorfmann gelang es nicht, die Peitsche an sich zu nehmen. Im Gegenteil, der erste Offizier zog den Säbel blank und schlug dem Dorfmann, unbekannt wo, eine Wunde. Auch der zweite Offizier trat hinzu und versetzte dem Dorfmann einige Hiebe, den Säbel allerdings in der Scheide belassend. Dorfmann mußte nachgeben und die Fahrt fortsetzen, behielt sich jedoch vor, den Vorfall an geeigneter Stelle anzuzeigen.
Wie die Sache letztendlich ausgegangen ist, verrät ein späteres, gleichfalls erhalten gebliebenen Schreiben eines auswärtigen Militärkommandos. Dort heißt es, die Sache sei halb so schlimm und die angeheuerten Fuhrleute ziemlich renitent gewesen. Des Dorfmanns Wunde, so überhaupt vorhanden, könne nur passiert sein, weil er vielleicht mit eigener Hand in die Klinge griff. Den Brandner unter Eid aussagen zu lassen, sei sowieso eine voreilige und unnötige Sache des St.Veiter Magistrates. Im übrigen habe man den einen Fähnrich – sie hießen Medtrovic und Zavtaonikowitsch – zu vier Wochen, den anderen zu zwei Wochen Militär-Haft verurteilt. (Landesarchiv, Stadt St.Veit, Faszikel 48)
Was läßt sich dadurch in historischer Geographie an neuer Erkenntnis gewinnen? Die Lage der ehemaligen Bleiweißfabrik beim heutigen Bürohaus der Firma Funder ist bekannt. Ein Ziegelstadel um 1827 sowie die „Gratzer Reiden“ sollen aber noch gefunden werden! Wohlgemerkt, Eisenbahn, Glanregulierung und moderner Straßenverlauf, all das ist noch wegzudenken! Beim Nachfragen vor Ort fand sich zum Glück eine interessierte und gut informierte Dame. Frau Ilse Eichwalder, in Untermühlbach führte nicht nur zu einem alten Vulgarnamen (siehe Bild!). Sie machte auch auf die im dazugehörigen Rinderstall außen eingemauerten Römersteine, sowie auf ein Stück Römerstraße in nächster Nähe aufmerksam. In Bezug auf den Ziegelstadel konnte sie sogar mit einem Mappenblatt der Katastralgemeinde St. Donat aufwarten. Darauf erkennt man eine über Ried „Pula“ führende Feldbahn, die nur zur Ziegelei gehört haben kann. Die Chronik der Gemeinde St. Georgen (Seite 341) erwähnt unter Jahreszahl 1830 eine „Ziegelei im Pulawald“, mit 8 bis 10 Arbeitern und einer Jahresproduktion von 380.000 Stück Mauer- und Dachziegel. Die Ziegelei muß aber einmal nahe der Straße gelegen sein, sonst hätte sie wohl kaum Erwähnung gefunden. Die genannte Feldbahn kommt im Kataster von 1828 noch nicht vor, wohl aber eine kolorierte Fläche östlich der alten Glan, die man als Ziegelteich deuten könnte. Das wäre dann das erste Rohstofflager gewesen. Erst nach dessen Erschöpfung hätte man die Feldbahn für ein entfernter, weiter im Osten gelegenes Lehmvorkommen, gebraucht. Der verstorbene Amtsrat Ing. Erich Egger erinnerte sich einmal, als junger Glandorfer auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei (heute Finkenweg) oft Fußball gespielt zu haben. Möglicherweise hat diese dem Bahnbau in Glandorf teilweise Platz machen müssen und ist dadurch von der Hauptstraße weiter ab zu liegen gekommen. In der Gegend kannte man auch noch gewölbte, inzwischen eingeebnete Baureste, vermutlich vom letzten Brennofen herrührend.
Walter Wohlfahrt in „Zentrum Kärnten“ XI/2007
Wiesenmarkt Anno 1823
Juli 31, 2011 um 16:03 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bläser, Fiedler, Geheimprotestanten, Gendarmerie, Klostergarten, Kropfreiter, Michael Türk., Millesi Katharina, Musik, Pfeifenschneider, Stadtpfarrer M.F.Wudiel, Stadtwächter, Tanzboden, Tanzmusik, Weberitsch, Wirte, Zum Türkenwirt
Durch diese gefährliche Enge zwischen Weberitsch-Haus und Klostergarten-Mauer führte einmal der Weg zum Wiesenmarkt
„Das Schmettern der Trompeten bei offenen Fenstern und das wilde Gejauchze der mutwillig betrunkenen Burschen bis in den Morgen hinein störe die zum Frühgottesdienst gehenden, frommen Christen, ja selbst der Klang der Glocken werde davon übertönt…..“
Genau mit diesen Worten beschwert sich im Oktober 1823 Herr Stadtpfarrer Mathias Ferdinand Wudiel beim Magistrat der kaiserlichen Kammerstadt St.Veit über die seiner Meinung nach ungehörige Tanzmusik. Wie sich die Zeiten ändern! Heute gibt es umgekehrt da und dort einen örtlich und geistlich fernen Schläfer, der sich über das allmorgendliche Schwingen und Klingen der nämlichen Glocken beklagt.
Der Stein des Anstoßes lag im Hause Nummer 8 am Oberen Platz, heute Kropfreiter Haus, besser gesagt beim damaligen Besitzer Michael Türk. Dabei hatte der gute Mann vorgesorgt und zeitgemäß um eine Lizenz für die Nächte vom 2. auf den 4. Oktober angesucht. Es war ja schließlich Wiesenmarktzeit! Michael Türk, damals 59 Jahre alt, wurde gerade ein Jahr davor zum Bürger aufgenommen und bei dieser Gelegenheit als hier geboren und als ein Schmerstecher von Beruf bezeichnet worden. 39 Jahre früher scheint ein Anton Türkh, Maurermeister, in Hörzendorf geboren, im Bürgerbuch auf. Es wird sich dabei mit Sicherheit um Michaels Vater gehandelt haben. Michaels gleichnamiger Sohn erhielt 1851 Bürgerrecht.
Das hochinteressante Gebäude in dessen rückwärtigem Teil zur Bräuhausgasse hin vor langer Zeit Geheimprotestanten einen Gebets- und Versammlungsraum hatten, blieb genau 18 Jahre in den Händen der Familie Türk. 1816 von Josef Käfer, der es freiwillig ausbot, ersteigert, wurde es im Jahre 1834 an die Eheleute Kogelnig vertauscht, die das Anwesen nur kurz halten konnten. Auch die zwei Nachbarn links und rechts am Platze sind bekannte Leute: Johann Michael Wratitsch, 53 Jahre alt, geboren in Pettau, verheiratet, „Besitzer der Thomas Valesischen Handlung“, Bürger seit 1803 sowie Konrad Detrosin, 44 Jahre alt, geboren in Klagenfurt, ein bürgerlicher Kürschner. An der Bräuhausgasse gelegen, wirkte der gleichfalls bürgerliche Pfeifenschneider, Alois Archer mit Namen, 28 Jahre alt, verheiratet und in Klagenfurt geboren. Wie es sich schon in dieser Ecke der Stadt zeigt, war der Zuzug fremder Leute von außen allzeit recht beachtlich.
Apropos Zuzug von außen. Zu Zeiten des Wiesenmarktes und eigentlich bis zur Vollmotorisierung wimmelte es in der Stadt vor Menschen. Nicht nur tags über, auch das Bleiben über Nacht war vielfach unumgänglich. Der uniformierte Stadtwächter hatte seine liebe Not und fast rund um die Uhr zu tun. Gendarmerie gab es ja noch nicht. Keinesfalls ein jeder Besucher war automatisch willkommen. Es gab auch viele Herumtreiber und Leute, die das Tageslicht besser zu scheuen pflegten. In den Gasthäusern fand sich kein freies Plätzchen mehr. Die Wirte wetteiferten unter einander, leer zu machen, was sich nur irgendwie zum Tanzsaal eignete. Die Musiker der Stadt reichten nie aus. Von überall zogen Fiedler und Bläser heran, um die Besucher zu unterhalten und dabei ein bißchen Geld zu machen. Auf der Wiese gab es noch nichts dergleichen, nicht Musik noch Tanz. Weder Sebastian Weberitsch, noch Fritz Knaus erwähnen in ihren Erinnerungen Tanzböden oder ähnliches auf der Wiese. Bei Fritz Knaus heißt es sogar ausdrücklich, „Tanzböden waren auf der Wiese keine, dafür gab es in der Villacher Vorstadt beim „Hirschen“, am Oberen Platz beim Feistritzer, im Kaffee Konrad und später beim „Landsturm Peter“ lustige Tanzmusik“. Wenn der Abend kam, machten alle Verkaufsbuden dicht. Danach ging erst in der Stadt und in deren Wirtschaften so richtig „die Post ab“. Kein Wunder, wenn die Lizenzen heiß begehrt waren und zeitlich überzogen wurden, wo es nur irgendwie ging, wie es der Eingangsbericht über Michael Türk zur Genüge beweist.
Die ortsübliche Hausbezeichnung „Zum Türkenwirt“ hielt sich im Volksmund noch lange, obwohl noch mindestens fünf Familien im Besitze folgten, ehe schließlich Ignaz Kropfreiter ums Jahr 1919 eine Lebzelterei einrichtete.
Die ältest bekannte Hausbesitzerin hieß übrigens Katharina Millesi. Sie kommt schon im Steuerbuch des Jahres 1753 vor. Weil sie mit 8 Gulden für „eigenen Zins“, 30 Gulden „für Inleutzins“ und 5 Gulden für „leerstehend“ als Steuerbasis bewertet wurde. Das heißt, sie hat ihr Haus nur zu einem Fünftel selbst bewohnt, den größeren Rest hingegen vermietet oder leerstehend gehabt. Katharina Millesi, geborene von Aineth, war Witwe nach ihrem 1752 in Villach verstorbenen Gatten Simon Millesi.
Walter Wohlfahrt in „Zentrum Kärnten“ IX/2007
Wo war des Scharfrichters Haus wirklich?
Juli 30, 2011 um 19:48 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Franzosen, Hans Leitgeb, Johann Pippenbacher, Kasern, Kurpfuscher, Laibach, Scharfrichter, Schätzleute Radweger und Baumgärtl, Simon Grabuschnig
Es ist bekannt, daß der kaiserliche Scharfrichter unbeschadet der Tatsache, daß Klagenfurt St.Veit den Rang als Kärntens Hauptstadt schon seit langem abgenommen gehabt hatte, noch immer von der einstigen Herzogsstadt aus, seinen Dienst versah. Im Jahre 1809, gerade während die Franzosen durchmarschierten, verstarb in seiner Behausung in St.Veit der Scharfrichter Martin JAKOB. Sein Sohn Josef, um 1797 in St.Veit geboren, hielt sich 1823 in Laibach, vermutlich bei einem Onkel namens Anton JAKOB, Scharfrichter ebendort, auf und wurde der Kurpfuscherei bezichtigt. In einem Protokoll von 1829 gab er neben dem Nationale auch an, seine Mutter würde noch in St.Veit leben, wo genau, wird nicht gesagt.
Der Magistrat St.Veit antwortet jedenfalls auf eine diesbezügliche Anfrage aus Laibach, wo jetzt schon die für Kärnten zuständige, von Napoleons Gnaden eingesetzte, von den siegreichen Habsburgern aber beibehaltene Landesverwaltung bis 1848 ihren Sitz hatte –
„Ja, über den Josef JAKOB gab es nie Beschwerden, er war hier sogar sehr geschätzt und ist nie wegen Kurpfuscherei aufgefallen……. St.Veit, am 6.3.1823.“
Wenn man die wenigen Notizen richtig interpretiert, war schon 1814 die Rede von einer „Übersetzung“ d.h. Verlegung des Scharfrichter Amtes nach Laibach. Es waren jedenfalls dorthin die Bedingungen des Dienstverhältnisses, von 1809 bis etwa 1813 auf den noch sehr jungen Sohn Josef bezogen, wie folgt zu melden: „Freie Wohnung im Scharfrichterhaus des Ärar (= im Staatsbesitz), 400 Gulden fixe Besoldung nebst Teuerungszuschuß“. Vielleicht hat der vaterlos gewordene Josef schon gespürt, daß er voraussichtlich nur noch in Laibach mit weiterer Ausübung seines Berufes rechnen und bis dahin bei seinem Onkel, ebenfalls Scharfrichter, mitwirken kann. Die Anschwärzung wegen Kurpfuscherei zielte vielleicht auf seine möglichen Chancen in Laibach ab?
Ebenfalls 1814 kommt es zur Klärung zwischen Stadt und Ärar hinsichtlich der Eigentumsrechte. Nicht die Stadt, der Staat besitzt das Haus und damit dies ein für allemal klar sei, wird eine Aufsandungsurkunde verfaßt und das Anwesen in die ärarische Landtafel eingetragen. Die dabei obligate Grenzbeschreibung sagt aus, daß an einer Seite des Simon Grabuschnig Haus, an anderer das Haus des Hans Leitgeb und nach hinten das Haus des Johann Pippenbacher liegt.
1820 ist von einer Vermietung für sechs Monate die Rede. Daß ein staatliches Interesse an diesem Hause aber nicht mehr gegeben ist, geht daraus hervor, daß am 8.4.1820 die Schätzleute Valentin Radweger, Maurermeister und Johann Baumgärtl, Zimmermeister eine Schätzung und Liegenschaftsbeschreibung zwecks öffentlicher Feilbietung vornehmen. Das Gutachten hat folgenden Wortlaut:
Das in der Stadt hier, hinter der Kasern im 12 Boten Gassl sub No 60 befindliche ärarial Scharfrichterhaus ist gemauert, mit Schindel eingedeckt, besteht aus einem Stockwerk und enthält im Erdgeschoß einen gewölbten Keller, eine gewölbte Vorlaube, ein gewölbtes Zimmer ohne Ofen, zwei Holzgewölbe, einen kleinen Hof und in demselben eine gewölbte Stallung auf zwei Kühe oder Pferde, im Stockwerk einen gewölbten Vorsaal, zwei mittelmäßige Zimmer, eines mit Stukkatur das andere mit Sturzboden, zwei Kammern, zwei gewölbte Küchen und ein Speisgewölb (Vorratsspeis) welches Stockwerk mit Estrich überschlagen ist. Das Mauerwerk befindet sich meistenteils in gutem, das Dach im mittelmäßigen Zustande. Weil das Haus nicht von neuerer Bauart, auch klein und an einem abgelegenen Posten ist wird der Wert mit 280 Gulden angesetzt.
Noch im November desselben Jahres wird die gedruckte Kurrende vom 26.10. kundgemacht.
Soweit alles aus Landesarchiv für Kärnten, Bestand Stadt St.Veit, Faszikel 27 bis 29.
III/2007
Erinnerungen an die Besatzungszeit 1945-55
Juli 30, 2011 um 19:44 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarAndrey Murphy aus Liverpool als Hochzeiter (oben) und Briefpartner
Heute führe ich Sie in eine längst vergangene Zeit, in die Zeit, wo zumindest in unseren Breiten endlich die Waffen zu schweigen hatten. Der Krieg war zu Ende und das Dritte Reich samt der bis dahin gewohnten öffentlichen Ordnung ebenfalls. Englische Soldaten, denen man teils mit gemischten Gefühlen, teils mit Neugier begegnete, rückten in die Stadt ein. Während es der Zivilbevölkerung noch lange am Notwendigsten mangelte, versorgten sich die Besatzer selbst reichlich mit jeglicher Art Lebens- und Genussmittel. Die große Zahl, rückströmender und vorübergehend hier angehaltener deutscher Landser sowie Flüchtlinge aus dem Südosten vertieften die allgemeine Not. Daneben durchstreiften Titos Leute noch kurze Zeit ganz Kärnten und kamen sogar bis in den St.Veiter und Glantaler Raum. Es war das große Verdienst der Briten, dass sie diesem gefährlichen Intermezzo ein rasches Ende setzten. Schließlich wollte man uns ja doch Demokratie und nicht den Kommunismus bringen! Darüber hinaus wurde uns Entwicklungshilfe in englischen Fußball zuteil, wovon nachfolgend berichtet werden soll.
Nach Aufhebung des Fraternisierungsverbotes für die Besatzungssoldaten – man hatte darunter zu verstehen, dass freundschaftliche Kontakte zwischen Angehörigen der Englischen Armee einerseits und österreichischen Staatsbürgern anderseits bis dahin strikt untersagt waren – verschwand das gegenseitige Misstrauen bald und dies vor allem gegenüber der heimischen Damenwelt. Erstens, konnten die englischen Boys nicht gut alleine oder mit einander zu den modernen Rhythmen tanzen und zweitens wusste so mancher unter ihnen zum Glück nicht, was er mit den Sonderrationen an Weißbrot, Schokolade, Zigaretten und Gin anfangen sollte……. Dass die einheimische Männerwelt darüber nicht gerade begeistert war, kann man sich vorstellen!
Auch ein Kinobesuch – im Kino Jäger am Hauptplatz durfte ausschließlich für englische Soldaten gespielt werden – war ohne Damenbegleitung bald eher langweilig. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass das Hausmeister Ehepaar Buxbaumer, welches für die Reinigung des Saales verantwortlich zeichnete, schon auch einmal den einen oder anderen jungen St.Veiter(in) hineinschlüpfen ließ, so bald das Licht ausgegangen war. Man konnte so die neuesten amerikanischen Filme sehen und bestaunen. Frau Anna Moser, geboren 1902, seit 1939 verheiratete Buxbaumer, hatte eine Tochter, namens Aloisia Moser, diese 1927 geboren. Mit zarten 19 Jahren begegnete sie keinem geringeren, als dem feschen Andy (Andrew) Murphy aus Liverpool, welcher damals nebenher zusammen mit Bertl Lassnig, Toni Medwed, Ludwig Grosse, Josef Jäger, Alfred Riedl u.a. in der Kampfmannschaft des ATUS St.Veit Fußball spielte. 1947 wurde geheiratet, doch erst 1949 ging es ab nach Engeland. Es ist weder im Standesamt der Stadtgemeinde, noch im Trauungsbuch der Stadtpfarre ein Heiratseintrag zu finden, was darauf schließen läßt, daß die Ehe nach dem anglikanischen Ritus vor einem Militärseelsorger in Klagenfurt geschlossen worden sein könnte. Das Hochzeitsbild zeigt das glückliche Paar, einen zivilen und einen uniformierten Beistand nebst fünf Angehörigen. Andy Murphy hat später St.Veit noch oft besucht. II/2007
Der Hl. Johann von Nepomuk – ein Nachtrag
Juli 28, 2011 um 16:16 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Dr. med V. Hans Leber, Fleischhacker Goderhof, Glanregulierung um1900, Hanslwirt, Herrenhaus, Nepomuk, Papierfabrik, Puppitsch, Zensweg
Kapelle des Hl. Nepomuk an der Straße von Zensweg nach Puppitsch (Fam. Fleischhacker vlg. Goderhof ist im Besitz des Originales)
Die Ausgabe von „Zentrum Kärnten“ August 2005 enthielt einen ausführlichen Bericht über insgesamt v i e r St.Veiter Statuen des Heiligen Nepomuk und drei davon waren im Bilde festgehalten. Erfreuliche Ereignisse jüngster Zeit, erfordern einen kleinen Nachtrag.
Als es um 1900 herum im Stadtbereich zur sogenannten Glanregulierung kam – sie floß zuvor fast ganz wie sie wollte – entschloß man sich, die Klagenfurterstraße zu begradigen und dazu eine neue Brücke, etwas mehr flußaufwärts zu errichten. Nicht länger sollte an der „Papierfabrik“ vorbei gefahren werden, wie es die alte Grundbuchsmappe zeigt. Als letztes Bauwerk der einstigen Papierfabrik, übrigens der ältesten Kärntens, ist das Herrenhaus mit seinen prachtvollen Schauseiten noch erhalten. Genau dort stand die alte Glanbrücke und auch diese trug – man höre und staune – eine Nepomuk Statue, also Nepomuk V. Diese Brücke wurde gänzlich abgetragen. Nepomuk schwebte plötzlich zwischen Himmel und Erde!
Weil sich aber auf der neuen Brücke kein freies Plätzchen fand, wurde der Standfeste zum Wanderer. Man darf annehmen, daß am Goderhof in Zensweg fromme, opferwillige Menschen waren, die sich des Heimatlosen erbarmten, ja ihm sogar eine eigene Kapelle bauen ließen. Diese findet sich auf der Straße zum Kraigersee, halben Weges zwischen Hanslwirt und Puppitsch (sl. Pod Petsch = Unterm Stein). Da stand er lange unangefochten in seiner Nische und blickte gütig auf die Vorbeikommenden, obwohl weit und breit keine Brücke, nur schönes breites Feld zu sehen ist. Es kam dann eine Zeit, wo solche Andachtsstätten immer öfter von „Kunstliebhabern“ geplündert wurden. Da nun aber die Kapelle ziemlich einsam und ungeschützt dastand, machte man eines Tages das einzig Richtige. Man nahm die wertvolle Statue aus St.Veiter Bildhauerwerkstatt ins Bauernhaus und ließ nur ein Foto davon in der Kapelle zurück.
Vielleicht hat „Zentrum Kärnten“ mit dem eingangs erwähnten Bericht über die erfolgte Verschönerung der städtischen Nepomuke anregend gewirkt? Tatsache ist, daß jüngst auch der Nepomuk vom vlg. Goder eine aufwendige Restaurierung erfahren hat und hier gezeigt werden darf. Damit noch nicht genug, entschloß man sich, die Statue kunstvoll nachbilden und noch kunstvoller von Dr. med V. Hans Leber fassen (d.h. bemalen) zu lassen. Wie echt, steht nun wieder ein Heiliger Nepomuk (VI) an der Straße. Diebe seien gleich gewarnt, dort einzubrechen, würde sich jetzt nicht mehr lohnen.
VII/2006
Das Palais des Freiherrn von Koller
Juli 28, 2011 um 14:02 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Armeninstitut, Bezirkshauptmann, Brillianten, Buzzi, Faschang, Freiherrn von Koller, Geld- und Eisenhandel, Grafen von Egger, Handlungsoffizianten Kofler, Hausarme, Josef Edlen von Leithenthann, Kollerhof, Muil, Stadelhof, Stadtbrand 1747
Ein imposantes Gebäude mit ebensolcher Fassade bildet den südwestlichen Abschluß des Hauptplatzes. Heute ist es Sitz des Bezirkshauptmannes und eines Teiles seiner Behörde. Beim vorletzten Stadtbrand im Jahre 1747 gab es an dieser Stelle noch ein Gotteshaus und zwar die sogenannte 14-Nothelfer-Kirche. Diese wurde beim Schadensfeuer stark mitgenommen und laut kreisamtlicher Verordnung vom 13. Jänner 1789 gänzlich aufgelassen.
Johann Mathias Freiherr von Koller, ein vermögender Handelsherr erwarb die ruinöse Liegenschaft um 430 Gulden, die der Kasse des Religionsfonds zuzuführen waren. Danach schritt er zum Neubau eines standesgemäßen Palais. Wie reich der Baron wirklich war, zeigt sein Testament vom 1. Mai 1802. Dieses ist zugleich ein Beweis seiner Frömmigkeit und seines sozialen Denkens. Er vermachte große Geldbeträge und wertvollste Sachgüter, ist aber dabei stets auf Ausgewogenheit bedacht. Als erstes erscheinen 100 Gulden für zweihundert Seelenmessen, eine zu 30 Kreuzer. Er verfügt, daß diese Gedächtnisse in vielen verschiedenen Kirchen gehalten werden, die hundert Gulden also nicht allein dem Stadtpfarrer, sondern auch den ärmeren Landpfarrern zufließen sollen. Bereits den doppelten Betrag, also 200 Gulden, möchte er den St.Veiter „Hausarmen“ zukommen lassen. Weil gleich anschließend 50 Gulden „anderen Armen“ bestimmt werden, sind Hausarme also solche, die zwar ein eigenes Haus haben, aber in ihrer Not nichts davon abbeißen können. Das hat es damals leider auch gegeben. Zehn Gulden bekommt die Normalschule und weitere 200 das Armeninstitut, darunter verstand man das Bürgerspital. Die Liste geht noch endlos weiter, auch wenn die Beträge teilweise kleiner werden. Sehr interessant sind die Legate, die Koller für seine vier Handlungsoffizianten, also für seine führenden Beamten aussetzt, die solcherart auch namentlich überliefert werden. Es waren dies die Herren Josef Buzzi, Johann Kofler, Muil und Faschang. Auf ihr Leben lang ward ihnen eine jährliche Pension von je 200 Gulden zugemessen. Den Dienstboten sollte nach seinem Tode einmalig ein doppelter Lohn gebühren. Der Wirtschafterin Leonora Pugharter so lang sie lebt eine jährliche Pension von 140 Gulden samt lebenslangen Wohnungsrecht mit dem Zimmerl im Sommerhaus.
In den folgenden Punkten 13 bis 22 heißt es wörtlich:
Meiner vielgeliebten Enkelin Catrin, dermaligen Ehegattin des Herrn Franz Grafen von Egger ein Geschenk von 15.000 Gulden so laut Heiratsbrief zugestanden und von mir an ihren Herrn Gemahl bereits erlegt worden ist. Zu einem mehreren Beweis meiner Lieb (vermach ich ihr) das mit Rubinen und Brillianten garnierte Geschmeide samt zwei gleichen Ringen zu einem beständigen Andenken. Ihrem Gemahl zum Andenken einen Ring von weißen Brillianten.
Weiters sollen meinem Herrn Schwiegersohn Josef Edlen von Leithenthann (o.ä.) die zwei mir schuldigen Summen laut von ihm selbst ausgestellten Wechselbrief, dann seine Obligation gänzlich geschenkt und annulliert werden. (Es würde nicht Wunder nehmen, wenn es sich hier um einen Mitgiftjäger gehandelt hätte!). Meiner lieben Tochter Aloisia – in das Kloster – Versorgung – 65.000 Gulden teils bar, teils in Schuldbriefen – auch noch den großen Meierhof wie er liegt und steht.
Meiner lieben Tochter Antonia verehelichte Edle von Leithenthanner in Wien 65.000 Gulden über alle bereits erhaltenen namhaften Vorschüsse bei der Heirat hinaus – Abzahlung aller Schulden – um ferner nach Standesgebühr anständig leben zu können. Sollte sie noch ein Kind zur Welt bringen, sind die Universalerben gehalten, diesem ein großväterliches Geschenk von 10.000 Gulden nachzutragen. Meiner lieben Schwiegertochter Antonia, Gattin meines Sohnes Franz zu einem Andenken einen roten ….Ring mit meinem Namen in der Mitte und einem Einfaß von Brillianten nebst einer Schmucknadel von Diamanten.
Den zwei Söhnen als Universalerben, Johann (erhält Kollerhof) und Franz (den Stadelhof) wird aufgetragen, die Handlung in Gesellschaft fortzuführen und langjährige Kunden wegen Rückzahlung nicht zu pressieren…..So manches Kleinod, vom Ring über die Tabatiere und Uhr samt Kette wird noch vermacht „Herrn Josef Koller, meinem innigsten Freund – dessen Sohn Josef, einem Herrn Fortunat Koller in Wien, Herrn Retzer in Triest als meinem wahren Freund und seiner Ehegattin Constanzia, Herrn Baron von Ankershofen und Herrn von Sonneberg, k.k. Fiscaleinnehmer.
Ein Mensch aus Fleisch und Blut ersteht hier vor unserem Auge. War er im Geld- und Eisenhandel auch noch so erfolgreich, das Familienglück war keinesfalls ungetrübt. Die kinderlose, aus naheliegenden Gründen zusätzlich problematische Ehe von Schwester Antonia, könnte möglicherweise Aloisia veranlaßt haben, den Schleier zu nehmen.
Walter Wohlfahrt in „Zenrum Kärnten“ XI/2005
Das Rauscher-Haus am Hauptplatz
Juli 28, 2011 um 13:52 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Anna Obersteiner, Dickmann, Dr. Arthur Lemisch, Feuerwehr, Florian Brunnen, Floriani-Altar, Franziska Rainer, Gewerkenhaus, Kino Jäger, Pfeilheim, Rauscher von Plaggowitz, St.Johann am Hohen Pressen, Stadtbrand 1829, Walter von der Vogelweide
Das Haus Hauptplatz Nr. 24 ist ein stattliches Gewerkenhaus mit einer schmucken Fassade. Es liegt genau gegenüber dem einstigen Kino Jäger. Den Brunnen dazwischen zierte lange Zeit der Hl. Florian, mächtiger Schutzpatron gegen Feuersgefahr. Wie undankbar sind doch die St.Veiter! Bald nachdem die alten Schindeldächer durch Hartdachung ersetzt waren und die örtliche Feuerwache ihre Schlagkraft immer mehr gesteigert hatte, wurde der Hl. Florian vom Brunnen genommen und in den Innenhof der Bezirkshauptmannschaft verbannt. Die heutige Brunnenfigur stellt keinen Heiligen, sondern den Minnesänger Walter von der Vogelweide dar. Gut, daß wir noch den Floriani-Altar in der Stadtpfarrkirche haben. Man kann ja doch nie wissen….. Übrigens, das große Altarbild mit dem Heiligen und Patron der Feuerwehr, zeigt ein beeindruckendes Detail, die Stadt in Flammen, was zu unserem Thema gut paßt. Das Haus am Platze beherbergt zur Zeit u.a. das „Bieradies“, war jedoch Jahrhunderte hindurch Wohnsitz vieler Gewerkengeschlechter. Von den Pfeilheim kam es an die Dickmann von Secherau und von den Rauscher von Steinberg an Anna Obersteiner, geborene Rauscher. Ab 1848 im Besitz von Franziska Rainer, ging das weit nach hinten reichende Anwesen 1891 direkt auf deren Enkel, Dr. Arthur Lemisch über. Eine Tafel erinnert daran, daß es sich sogar um das Geburtshaus des einstigen Landesverwesers von Kärnten handelt.
Diese Adresse hat auch in anderem Zusammenhang Geschichte gemacht und zwar als im Jahre 1829 St.Veit den letzten Stadtbrand sah. Ein Bericht darüber findet sich auf dem hinteren Einbanddeckel einer Pfarrmatrikel des Pfarramtes St.Johann am Hohen Pressen. Der Pfarrherr bemühte sich, das tragische Ereignis, welches sich am 10. Juni des genannten Jahres auf dem Hauptplatz zutrug, in nicht gerade bestem Latein, wie folgt zu schildern:
Am besagten Tage, ungefähr zur dritten Stunde am Nachmittag, brach in St.Veit ein furchtbares Feuer aus, welches die ganze Stadt mit Kirche und Vorstädten zerstörte. Zur nämlichen Tageszeit befand sich Herr Ernst Rauscher, Gewerke von Mosinz und Heft im St.Veiter Stadthaus des verwandten Mitgewerken Johann Rauscher von Plaggowitz. Plaggowitz liegt im Mosinzer Graben hinter Hüttenberg. Als bereits vom Feuersturm getriebene, brennende Schindel beim Fenster herein zu fliegen drohten, bemühte sich der Gast und eine Magd, Fenster und Holzjalousien noch rasch zu schließen. In diesem Moment stürzte die Feuermauer des Nachbarhause auf das Rauscher-Haus und durchschlug dessen Dach und Zimmer-Decke. Die zwei an den Fenstern, vom Luftdruck erfaßt, fielen vom zweiten Stock auf den Platz hinunter. Die Folgen waren schrecklich. Brüche an Händen und Beinen, gewiß auch innere Verletzungen waren beim damaligen Stande der Heilkunde leider zu viel und führen bald zum Tode. So schließt der Bericht des Herrn Pfarrers mit Erwähnung eines großen Leichenzuges für den mit 61 Jahren aus dem Leben abberufenen Ernst Rauscher. Eine unüberschaubare Menschenmenge nahm nebst namentlich genannten Pfarrherren aus Guttaring, Wieting, Lölling usw. daran teil. Noch heute kündet eine gußeiserne Grabplatte (siehe Foto!) vom Brande in der Stadt St.Veit und dem prominenten Opfer. Die Magd wird wohl ein eher einfaches Begräbnis irgendwo in oder um St.Veit gehabt haben. Ihr wird nicht weiter Erwähnung getan.
Walter Wohlfahrt in „Zentrum Kärnten“ X/2005
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