Geheimgänge und unterirdische Verbindungen
Juli 11, 2015 um 16:45 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bürger-Spital-Mühle, Bürgerspital, Fleischhauer, Geheimgang, Kegelbahn, Kornhandel, Pabis, Polen, Walter Ruhdorfer
Geboren im viel geprüften Lande der Polen kam Herr Pabis, ein handwerkliches Multi-Talent, nach St. Veit und mietete sich mit Familie 1989 im Hause Villacher Straße Nr. 8 ein. Dort hat er 1995 einen eigenen Betrieb aufgemacht. Alle, die glaubten, mit einem Fremdling nicht gut in ernsthafte Verkaufsverhandlungen eintreten zu können und vielleicht auch seine Zahlungsfähigkeit anzweifelten, die alle hat er Lügen gestraft. Mit viel Fleiß und großem Geschick hat er aus dem uralten Haus ein Schmuckstück gemacht. Obwohl die ehemalige Nutzung als Gasthaus mit dem Recht, Steinbier zu machen, zeitweilig sogar dem Kornhandel diente, Kegelbahn und Gastgarten hatte und durchaus immer gute Erträge abwarf, so optimal genutzt und wertvoll wie heute war die Liegenschaft nie zuvor. Seine ganze Handwerkskunst hat der neue Besitzer aufgeboten, um vom Keller bis in alle Geschosse darüber bestes Material mit gediegener Ausführung zu verbinden. Guter Geschmack zeigt sich vor allem in der Neugestaltung des einstigen Eis-Kellers, wirklich sehenswert!
Damit wären wir auch beim eigentlichen Thema angelangt. Gibt es tatsächlich einen Geheimgang, wohin soll er führen und welchem Zwecke könnte er gedient haben? Fragen über Fragen. Hört man nicht auch an anderen Stellen der Stadt von mysteriösen Schlupflöchern und dergleichen? Nirgends ist die Entstehung und der Erfinder der Legende so leicht auszumachen wie hier! Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht und doch sind bald volle sieben Jahre seither vergangen, dass Herr Walter Ruhdorfer (1932-2008) nicht mehr durch die Stadt geht. Jedermann hat ihn – oft leider nur vom Sehen aus – gekannt. Er gehörte zum Stadtbild, wie Pestsäule und Stadtpfarrturm was mein Namensvetter und Jahrgangskollege präsent. Hochintelligent und sehr belesen trug er jahraus jahrein Mantel und Hut, egal ob Regen oder Sonnenschein. Seine besonderen Freunde waren die Leute vom Bauhof, vom Wasserwerk und wohl auch von der Müllabfuhr. So kam es notgedrungen, dass er stets sehr früh am Morgen seine Runden drehte. Da musste man einfach wetterfest gekleidet sein. Ich habe mich gerne mit ihm unterhalten und bedauerte ehrlich, dass er immer viel mehr Zeit hatte als so ein Pensionär wie ich. Es gab für ihn keine Geheimnisse, weder ober noch unter der Erde. Gerade in den Tiefen kannte er sich aus wie kein anderer, weil für den Normalbürger alle Löcher stets viel zu rasch wieder zugeschüttet werden, doch nicht für ihn – und gerade deshalb wusste er oft viel besser Bescheid was St. Veit unter seiner Oberfläche so alles verbirgt. Ungern möchte ich jetzt einschränken, doch unsere Geschichte soll ja weiter gehen!
Hausherr Pabis schätzte den Tiefenforscher, der mindestens zweimal täglich vorbei kam, ebenfalls sehr. Die Achtung des Meisters stieg, als ihm eines Tages gesagt wurde, zwischen dem Haus und dem Bürgerspital auf der anderen Straßenseite gebe es einen Verbindungsgang. Tatsächlich muss Ruhdorfer in weit zurückliegender Zeit bei Straßensanierung oder Kabelverlegung einen gemauerten „Tunnel“ gesehen haben, der kurze Zeit freigelegt, dann aber wieder verschüttet wurde. Eine Fata Morgana? Keineswegs. Als man obendrein in der Mitte des ehemaligen Eiskellers im Hause Pabis eine kreisrunde Öffnung fand, gab es nicht mehr den geringsten Zweifel, da war etwas! Keine der beiden handelnden Personen konnte jemals vom Franzisceischen Kataster (1829) gehört haben, noch etwas davon gesehen. Dort aber liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems. Wie Sie sehen (Plan), teilt sich in der oberen Spitze der Garten-Parzelle 507 der Obermühlbach. Ein Teil des Bachwassers wurde durch den heutigen Bachsteig geleitet, schnurstracks auf das Wasserrad der „Bürger-Spital“-Mühle, die dort bis zu ihrem Abriss (1910) zumindest gebäudemäßig vorhanden war. Die Weiterleitung des Mühlwassers erforderte im Straßenbereich eine Überbrückung um in Richtung Zeneggenhof (heute Blumenhotel) und Klostergründe (heute Rennbahn) weiter zu finden. Der „Tunnel“ war also ein Brückengewölbe, und wozu diente das Loch im Kellerboden? Ganz einfach! Jedes gute Gasthaus verfügte über einen Eiskeller, der bei Frostzeiten gebrochenes Teiche-Eis durch ein Kellerfenster aufnahm, um noch lang in den Sommer hinein kühle Getränke servieren zu können. In dem Maß wie die Eisblöcke zu schwitzen und zu rinnen begannen, wurde die Nässe über das Erdloch im Keller zum Versickern gebracht. Übrigens, auch mancher Fleischhauer schätzte seinen Eiskeller, denn nicht jedes Schlachttier war sofort an den Mann zu bringen.
Das Pabis-Haus birgt noch andere interessante Details, welche noch nicht restlos geklärt erscheinen. Es sind dies erstens, eine einst irgendwo außen angebrachte Steintafel mit den Großbuchstaben B und G, dazwischen hochgestellt ein Kreuz, darunter die Jahreszahl 1823, meines Erachtens eine Art Haussegen und Erinnerung an irgendein Baugeschehen. Zweitens, eine wunderschöne gar nicht kleine Steinkugel, vermutlich weißer Quarz, und möglicherweise noch ein Relikt aus der Zeit der Steinbier-Brauerei.
walter.wohlfahrt@gmail.com (blog: https://altstveit.wordpress.com
Stadt St. Veit vor 70 Jahren
Juli 11, 2015 um 16:14 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bezirksgericht, Churchill, Engländer, Flucht nach Westen, Geschütze, Internierungslager, Jahr 1945, Kriegsende, Landstraße, Munition gestapelt, Russen, Spannungen, Tommys, Volksgericht, Wohnraum, Zigaretten Schleichhandel, Zivilverwaltung
Weltweit erinnert man sich in diesen Tagen – doch was geschah hier bei uns?
Man schrieb das Jahr 1945, ein warmer Frühling kündigte sich an, die Natur zeigte sich im schönsten Kleid, ganz ungeachtet der menschlichen Drangsal rund um. Auf Häuser, Wälder, Wiesen und Auen strahlte die Sonne, als wäre der Welt überhaupt nichts Arges geschehen. Und doch, ein mörderischer Weltkrieg neigte sich – zumindest in unseren Breiten – langsam aber bestimmt seinem Ende zu.
Die Landstraßen waren von Pferdefuhrwerken verstopft. Darauf saßen geängstigte Leute mit ihren zusammengerafften Habseligkeiten. Sie sprachen ein schwer verständliches Deutsch und kamen von weit her. Die Gegend, von ihnen zuvor hunderte Jahre bewohnt, war auf einmal von einem furchtbaren, einem rachsüchtigen Feind bedroht. Es gab kein Halten mehr, nur die Flucht nach Westen. Wehrhafte Männer waren kaum darunter, die waren irgendwo an der Front, vielleicht schon tot. Nur alte Männer, Frauen und Kinder bildeten den endlosen und traurigen Zug.
Es dauerte keine Wochen, da kamen ganz fremde Besucher ins Land. Überall wo sie mit Waffen drohend auftauchten, nannte man sie die Tito Partisanen. Nur wenige Tage währten ihre gefürchteten Streifzüge. Auch in der Stadt waren plötzlich rote Sterne auf manche Hauswände gepinselt und einige St. Veiter taten gut daran getan, lieber nicht zu Hause zu sein. So forsch wie in Klagenfurt, wo immerhin Verschleppungen auf Nimmerwiedersehen vorgekommen sind, war man in St. Veit Gott Lob nicht. Es ist den Eindringlingen nämlich die Zeit knapp geworden.
Von Italien her näherten sich mit Windeseile die nächsten, die zweiten Besucher. (Sie sollten zehn Jahre lang bleiben!) Diesmal waren es Engländer oder Tommys, wie man sie auch nannte, und sie waren sogar heiß ersehnt und hoch willkommen. Schwerstes Kriegsgerät versetzte sie in die Lage, jeden Wiederstand zu brechen und auch den Tito-Truppen zu zeigen, dass sie hier nichts und schon gar nichts zu suchen haben. Am St. Veiter Hauptplatz wurden all sogleich große Geschütze aufgeprotzt (wie auch in Klagenfurt), deren Läufe nicht von ungefähr in Richtung Südgrenze gerichtet waren.

Bildtext: Diese Gruppe logierte beim alten Kino Jäger in der Villacher Straße. Man beachte die volle Adjustierung und das tägliche Antreten samt Waffe und Munition.
Man muss wirklich lobend hervorheben, dass die englische Regierung für Kärnten einen Plan hatte und willens war, von den Grenzen des Jahres 1918 kein Jota abzuweichen. Überall auf freiem Felde wurde von ihnen demonstrativ Munition gestapelt und mit Wellblech provisorisch eingehaust. Es sah aus, als würde man vorsorgen, falls irgendwer nicht an den vereinbarten Linien stehen bleiben sollte. Englische Mannschaften lagerten zunächst in Zelten, es könnte ja jeden Moment wieder weiter gehen. Die unerbittliche Haltung eines Premierministers Churchill zeigte Wirkung. Später nachdem sich die weltpolitischen Spannungen gelöst hatten, wurde die kämpfende englische Truppe von neuen, von jungen Besatzungssoldaten abgelöst. Nach Jahr und Tag erfuhr man von englischen Munitionsdepots, die klammheimlich in Wäldern und abgelegenen Gegenden Kärntens für den Fall des Falles eingerichtet wurden. Zum Plan der westlichen Siegermächte gehörte neben der Grenzsicherung noch die Schaffung einer Militärregierung als Übergang zur künftigen Zivilverwaltung. Was für Hartgesottene totale Niederlage, war für den Rest ein Hoffnungsschimmer von Frieden und Freiheit, wenn auch noch eine Zeit lang voll Mangel und Not. Gelegenheiten zur Vernaderung, für Anzeigen und zur Begleichung sogenannter Alte Rechnungen wurden selten ausgelassen. Ein wenig ließen die Tommys uns St. Veiter schon spüren, dass wir den Krieg verloren hatten. Für den nahen Winter wurden neben Heizmittel, auch festere Unterkünfte gebraucht. Man nahm, wo man es fand, schlagbares Holz und Wohnraum. Fürs erste waren Mannschaften und Stäbe unter Dach zu bringen. Bereitwillig verzeichnete die provisorische Zivilverwaltung, in Listen alle Nationalsozialisten – deren es in der Stadt nicht wenige gab – mit genauen Adressen und Wohnverhältnissen. Die Folge davon waren die zunächst wenig beliebten Einquartierungen von Engländern, später auch von Flüchtlingen. Wer nicht schon zuvor Ausweichquartiere gefunden hatte. musste jetzt zusammenrücken und Platz machen. An die 53 Haushalte hat man geprüft und 14 waren als erste betroffen, davon 3 mit ihrer kompletten Wohnung. Dr. Arthur Lemisch war wohl nicht auf der besagten Liste, aber er bewohnte immerhin ein Schloss, das den Engländern ins Auge stach. Den Umzug in das nahe Stallgebäude zog Dr. Lemisch allerdings dem Zusammenleben mit den Besatzern unter gemeinsamem Dache vor. Er war einfach zu stolz. Hätte er aber geahnt, in welch verwahrlosten Zustande er sein Schloss wiedersehen würde, hätte er vielleicht doch anders entschieden. Stolz und feindliche Gefühle legten die St. Veiter ab, als sie merkten, dass sich bei halbwegs gutem Einvernehmen mit den neuen Untermietern sich manchmal durchaus Vorteile ergeben und knappe Lebensmittelrationen leicht aufgebessert werden könnten. Besatzungssoldaten, später auch Eingeborene, sofern sie dort in Dienste traten, hatten oft unbeschränkten Zugang zu Lebensmittel, Alkohol und vor allem zu Zigaretten für den Schleichhandel!
NS-Prominenz, soweit nicht vorübergehend untergetaucht, traf sich alsbald in den Gefangenenhäusern der einzelnen Bezirksgerichte. Erst als der Platz dort knapp wurde, entstanden Internierungslager in Ebenthal, Wolfsberg und Weißenstein, wo im Laufe des Jahres auch sogenannte Mitläufer Aufnahme fanden. Man unterschied bekanntlich zwischen Illegalen, Belasteten und Minderbelasteten. So fielen auch die Konsequenzen sehr unterschiedlich aus. Am schlimmsten traf es die höheren Grade und sogenannte Alte Kämpfer, ihnen drohten Zusatzhaft, Volksgerichtsurteile und manchmal sogar Vermögensverfall. Diese Zeiten sind lange vorbei und das ist gut so.
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