Beim Schlick am Unteren Platz
September 16, 2018 um 01:19 | Veröffentlicht in St.Veit | 1 KommentarSchlagwörter: Antiqua, Botengasse, Breschan, Drucker, Fraktur, Fremdenverkehr, Hitler-Jugend, Michael Kanatschnig, NSDAP, Parteien, Paulitsch, Rauchegger, Schlick, Setzer, Silly, The British Military Governement Austria, Tischler, Verschönerungsverein, Zabl, Zeneggenhof
Hier, wo die Botengasse in den Platz mündet waren in alten Zeiten immer wieder Tischler ansässig. Ein Maria-Theresia-Gewerbe war mit dem Hause fix verbunden und jeder Eigentümer war berechtigt – entsprechende Fähigkeiten vorausgesetzt – hier das Tischler Handwerk auszuüben oder betreiben zu lassen. Tischler mit Namen wie Schmidl, Zabl, Rauchegger oder Silly waren hier tätig und so lange wohnhaft bis ein Wimitzer Realitäten-Besitzer, namens Regenfelder das in Versteigerung gelangte Haus billig und spekulativ an sich brachte. Er mag wohl damit gerechnet haben es bald wieder mit Gewinn abstoßen zu können. Mit Heinrich Schlick kam 1898 tatsächlich ein Interessent. Seine Firma H. Schlick & Söhne war seit 1882 Konzessionsinhaber für ein Buchdrucker Gewerbe und Mieter im Hause des Josef Breschan, Hauptplatz 28 (heute BH). Es gibt noch ein altes Foto, wo rechts vom Portal ein großes Firmenschild zu sehen ist. Gekommen ist die Familie aus Graz. Wann genau war nicht auffindbar. Der Kauf-Entschluss war für Schlick nicht einfach. Siebentausend Gulden betrug der Kaufpreis und nur 100 Gulden waren bar aufzubringen. Dafür mussten 2.100 fl an aushaftenden Darlehen der Vorbesitzer ins Zahlungsversprechen übernommen werden, 1.900 fl mittelfristige und 2.900 fl langfristige Verbindlichkeiten waren einzugehen. Das erworbene Gebäude wollte man sogleich zum Garten hin vergrößern um neben vorhandenen Mietern im Hause eigenen Wohnplatz zu gewinnen. Dafür, wie für Übersiedelungs-Kosten der Betriebseinrichtung und eventuelle maschinelle Neuanschaffungen waren die Eigenmittel bald erschöpft, ein schwieriger Neustart!
Der Betrieb lief wohl gut an, doch die Rückzahlungen waren nur schleppend zu leisten, weil ja auch immer wieder in den Betrieb investiert, der Warenvorrat gehoben und etwaige Modernisierungen geschafft werden sollten. 1911 z.B. machte ein „Verschönerungsverein und Auskunftsstelle für Fremdenverkehr“ von sich reden indem von dort an die Gemeinde ein Ansuchen gestellt worden ist, man wolle zeitgleich mit der Bahneröffnung (Hauptbahnhof 1912) einen Stadt- und Umgebungs-Führer auflegen und all das möglichst subventioniert bekommen. Ein Kostenvoranschlag der Druckerei Schlick belief sich auf 1.500 Kronen. Doch der Auftrag kam nicht zu Stande. Die Gemeinde lehnte erst einmal ab, mit der Begründung, schon der Führer von 1908 (Chronist Lorenz, gedruckt bei Schlick?) sei auf zu wenig Interesse gestoßen und der Bürgermeister (Dr. Joh. Spöck) würde ohnedies einen Rechenschaftsbericht demnächst kostenlos herausbringen.
Es ist schon erstaunlich, mit welchem Geschick es der Firma trotz Kriegs- und Inflationszeit gelang jedes Geschäftsjahr positiv abzuschließen. Das Geheimnis bestand darin, dass man 1920 die Grundbuch-Lasten mit Inflations-Kronen leicht los wurde und dass Druckaufträge jener Tage nur gegen bare Kasse ausgeliefert wurden, die von Inflation gefährdeten Barmittel aber sofort wieder für Ankäufe von Sachwerten wie Papiere, Farben usw. Verwendung fanden. Das wohl sortierte Lager war in jenen Zeiten Gold wert. Selbst der galoppierenden Inflation war solcherart entgegenzuwirken. Plakate für Kinos und Veranstalter, Werbemittel und Vordrucke für Firmen, wie Briefpapiere und Kuverts, Rechnungsformulare, Partezettel, Hochzeitseinladungen und dergleichen wurden immer gebraucht. Sie gingen jahrelang in großer Zahl über die Pudel. Berechnet wurde zum Tagespreis! Nur keine Ware auf Kredit hinaus geben, dann konnte wenig schief gehen. Die vielen Mitarbeiter, wie Setzer, Drucker usw. auf ihre Löhne warten zu lassen war zu deren Glück selten nötig. Geld zu horten oder gar zu sparen wäre völlig sinnlos gewesen. Die Großkunden im Laufe der Zeiten waren z.B.: Bezirkshauptmannschaft, Kino Jäger, Bezirkskrankenkasse (Vorläufer der Gebietskrankenkasse), „Das Schulblatt“, Elektrizitätswerk St. Veit, Invalidenkino, Arbeitsamt, Trabrennverein, A. Lemisch vom Kölnhof, Kino Eberstein, selbst die politischen Parteien der Zwischenkriegszeit, die NSDAP mit Ortsgruppenleiter Paulitsch, die Hitler-Jugend, und danach The Britisch Military Governement Austria, sowie die Kammer der Gewerblichen Wirtschaft nahmen die Dienste der Druckerei in Anspruch.
Heinrichs Sohn Viktor, 1876 in Graz geboren, übernahm mit 31. 10. 1929 das Gewerbe für den Papierhandel und war nach Ableben des Vaters ab 1930 auch Konzession-Inhaber der Druckerei. Viktors Sohn Günther (1919-1941) ist leider jung gefallen und so musste wohl oder übel Herbert Schlick (1907-1985), ein Krankenkassen-Angestellter, im Jahre 1958 die Firma übernehmen. Von 1959 bis 1976 zeigte sich im Grundbuch die örtliche Raiffeisenkasse als Hauptfinanzier von beachtlichen betrieblichen Investitionen. Die technische Entwicklung und zunehmende Konkurrenz im Druckerei-Wesen in Verbindung mit anderen unglücklichen Umständen führten aber schließlich 1980 zum bitteren Ende. Der altehrwürdige Betrieb musste sogar mit einem Konkursverfahren geschlossen werden, als sich die exekutiven Eintragungen mehrten. Die Erhaltung des Hauses im Familienbesitz war sicherlich nur mit großen Opfern verbunden, denn dieses musste vom Konkurs heraus gekauft werden.
Hier eine Firmen Rechnung Schlick vom 11. April 1902 gerichtet an Herrn Michael Kanatschnig, später Besitzer des Zeneggenhofes. Sie veranschaulicht so recht, die handwerkliche Kunst der Setzer und Drucker. Die Auswahlmöglichkeit der vielen Schriftarten von Fraktur bis Antiqua, die entsprechenden Lettern in allen Größen führte(n) zu Druckplatten und in der Folge zu wohlfeiler Handelsware. Das Formular hat vier Seiten und so konnte man dem Kunden gleichzeitig eine Werbung für weitere Angebote sowie für alle lagernden Handelsartikel des Betriebes (geordnet von A bis Z !) mit schicken.
Tirof-Haus, Bräuhausgasse 5
Juli 19, 2013 um 12:19 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Baumeister Wank, Bräuhausgasse, Drechsler, Ehe auf Probe, Ettl, Felfernig, Hauszeichen, Heiliger Florian, Millesi-Garten, Nothelfer, Pacher, Rauchfangkehrer, Remschnig, Schneider, Tirof, Tischler, Trabantengarde, Weinhändler, Wirt, Wirtschafterin
Die Baugeschichte dieses alten Stadthauses liegt weitgehend im Dunkeln. Sie ist obendrein ziemlich undurchsichtig verquickt mit dem Gebäude Nr. 3 dieses direkt an der Stadtmauer. Anfänglich waren es sicher getrennte Besitztümer, Haus 3 mit einem Schneider, Haus 5 mit einer Tischler-Gerechtsame, das heißt, mit Gewerberecht, fix mit dem Haus verbunden. Später kamen die Häuser in eine einzige Hand. Hausnummern wurden aufgelassen und wieder eingeführt. Alles ist also ziemlich verworren, was sich zwischen der einstigen Kirche der 14 Nothelfer (aufgelassen 1789) und dem „Millesi-Garten“ (heute Rosengarten) baulich getan hat.
Bleiben wir bei Haus Nr. 5 und stellen wir fest, dass es einen unregelmäßigen Grundriss hat. Es scheint, als wäre das ursprünglich normal viereckige Gebäude an der Nord-Ecke einmal zu sanieren gewesen und als der noch immer zu sehende Halbkegel nicht reichte, hat man einfach einen stützenden Zubau gemacht. Vielleicht wurde eines Tages die Unterkellerung aus guten Gründen erweitert und hat sich damit das vorerwähnte Problem ergeben. Der einzig vorhandene Bauakt stammt aus 1932 und betrifft den von Baumeister Wank für Markus Tirof ausgeführten Dachgeschoss-Ausbau. Damals entstand auch als Giebel-Zier und Hauszeichen der Heilige Florian, Schutzpatron der Rauchfangkehrer.
Hausgeschichten sind aber meist auch Familiengeschichte, besonders dann, wenn mehrere Generationen auf einander folgen. Wir gehen jetzt zurück ins Jahr 1788. Da wurde einem Südtiroler, namens Josef Fischer das St. Veiter Bürgerrecht verliehen. Er übte hier tatsächlich noch das Tischler- oder Schreinergewerbe aus, hatte eine geborene Pacher zu Frau und war jedenfalls ein Zeitgenosse des Barock-Bildhauers Johann Pacher! Zufall?
Von Pachers Witwe kaufte 1827 der Klagenfurter Josef Felfernig. Auch ihm wird Bürgerrecht verliehen und zwar 1813, da wird er als 46 jähriger Drechsler und Weinhändler beschrieben. Noch zwei Generationen, ein Karl und ein Friedrich folgen im Besitz nach und werden gleichfalls der Bürgerwürde teilhaftig. Die beiden waren von 1859 bis 1872 auch Eigentümer des abgekommenen Hauses Bräuhausgasse Nr. 7 (Baufläche 15). Als Friedrich, Wirt und Weinhändler um 1888 das Zeitliche segnete, wurde seine Witwe Maria, geborene Remschnig wohl Nachfolgerin, jedoch mit der Auflage zur Weitergabe an die noch unmündigen Kinder Carl und Robert Felfernig. Die Ansprüche der Kinder wurden fein säuberlich im Grundbuch festgeschrieben und doch ist es anders gekommen!
Hier sei ein kurzer kulturgeschichtlicher Einschub gestattet. Die junge Maria Remschnig kam als „Wirtschafterin“ ins Haus. Das war damals in St. Veit ein probates und kein seltenes Mittel, eine sogenannte – kirchlich natürlich streng verpönte – Probeehe führen zu können. In den meisten Fällen wurde die Probe auch bestanden, wie die Ankunft der zwei Kinder beweist. Maria, wohl -bestallte Witwe, erwarb 1888 nicht all zu schwer das Cafe Zentral Hauptplatz 3, baute um und modernisierte. Es dauerte nicht lange und sie verehelichte sich Ende 1890 noch einmal, diesmal mit dem Zugsführer der Staatsbahn Franz Xaver Ettl, aus Waidhofen an der Ybbs gebürtig. Einer der Trauzeugen unterschreibt mit Ferdinand Felfernig, Cafetier! Vermutlich ein Schwager, der das frei gewordene Lokal als Pächter eine Weile fortführte. Schon am 14. 1. 1891 kommt Sohn Franz Ettl zur Welt. 1899 stirbt der Vater und 1906 die Mutter. Der junge Ettl ist also mit 15 Jahren Vollwaise, wird aber infolge Testamentes der Mutter zum Besitzer in der Bräuhausgasse! Die Kinder aus erster Ehe werden zwar geldlich sichergestellt, verlieren ihre Ansprüche aber großenteils durch die nachfolgende Inflation. Vormund des Jugendlichen wird der Kaufmann Ewald Blankenhagen, der ihn auch gleich zu sich in die Lehre nimmt. Des Lehrherrn Rat ist gut und hilft dabei, die vorhandenen Ansprüche mit Inflations-Kronen ehest mühelos abzustoßen. Das Grundbuch ist wieder sauber!
Ende 1926 kann Franz Ettl, er nennt sich inzwischen Kaufmann, weil er bis zum Konkurs das große Blankenhagen, Kaufhaus zum Buren geführt hatte, an Markus Tirof, Kaminfeger-Meister um 32.500 Schilling gut verkaufen. Dabei entfallen 2.500 auf Bade- und Schlafzimmereinrichtung. „Verkäufer hat selbst bewirtschaftet (?)und verpflichtet sich zur geräumten Übergabe mit 1.3.1927“. Der Kaufpreisrest von 22.500 Schilling mit Goldparität abgesichert, ist in freibleibenden Teilbeträgen abzuzahlen und mit den üblichen Sparbuch Zinsen zu bedienen.
Der neue Besitzer wird zu einer Bekanntheit der Stadt und des ganzen Kehrbezirkes. Sogar zum Hauptmann der Trabantengarde wird er gewählt. Er zog schon 1901 von Hüttenberg kommend in die Stadt , hatte jedoch vorerst an anderer Stelle seine Bleibe. Zwischen 1906 und 1924 wurden ihm dort mindestens fünf Kinder geboren. Sein Leben endete tragisch am Katschberg (13.5.1950). Noch über Generationen blieb die Familie, eine Zeit lang auch mit Rauchfangkehrer Gewerbe an dieser Adresse sesshaft, ehe heiratsbedingt der Name wechselte. Michael Müller, der heutige Hausherr, weiß von interessanten Beobachtungen zu berichten. Bei Ausbesserungen ist neben einer alten Entlüftungsöffnung in der Außenwand, auch im Inneren unter der Wandfärbelung „Gastzimmer“ sowie der Spruch „Komm, tritt ein – Bring Glück herein“ in schönster Kunstschrift zu Tage getreten. Es ist nach all dem jetzt zeitlich ziemlich klar, wann diese Einzelheiten in Gebrauch gewesen sind.
Auch der vorhandene Keller ist vielsagend genug. Da haben wohl einige Fässer des Wirtes und Weinhändlers Felfernig Platz gefunden!
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