Drei Türme im Laufe der Zeit
Mai 29, 2016 um 18:46 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Dachschindel, Dr. Simon Fössl, Evangelische Kirche, Franz Treffer, Glockenstube, Laterne, Muraunberg, Obermühlbach, Panorama, Pickelhaube, Runk-Ziegler Stich um 1811, Stadtpfarrkirche, Totale, Turm, Vollbrand, Wimperge
Wer Vieles, sprich Verschiedenes bringt, wird manchem etwas bringen, in diesem Sinne auch wieder einmal was Kirchliches.
Wie ist das gemeint mit der Überschrift, die Stadtpfarrkirche hat doch nur einen Turm? Das stimmt natürlich, aber im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Erscheinungsformen heraus gebildet, mindestens drei! Beginnen wir mit dem großen Stadtbrand von 1829 und werfen wir einen Blick auf die interessante Darstellung am rechten Seiten-Altar der Stadtpfarrkirche, das ist der sogenannte Floriani-Altar. Im Altarbild erkennt man ganz unten nicht nur die Stadt im Vollbrand, auch der damalige Kirchturm ist zu sehen. Gewaltig lodernde Flammen trieben brennende Dachschindel hoch in die Lüfte. Es gab ja damals noch so gut wie keine Ziegeldächer in der Stadt! Im Nu sammelten sich die durch Schallöffnungen eingedrungenen Brandfackeln in der Glockenstube. Das Bild zeigt ein ziemlich hohes Spitzdach im Stürzen mit insgesamt drei sich nach oben hin verjüngenden Zwiebelknäufen. Da stellt sich wohl die Frage, wie weit können wir alten Künstlern trauen, dass sie nicht zu sehr von der sogenannten Künstlerischen Freiheit Gebrauch gemacht haben? Könnte ja sein, dass ihm, dem Maler, vielleicht der Stich von Valvasor (1688) als Vorlage gedient hat? Der Turm sieht dort sehr ähnlich aus, was aber nicht heißen muss, dass dieser tatsächlich einmal so war und so bis 1829 unverändert geblieben wäre. Ein weiterer Stich (Runk-Ziegler, um 1811, zeigt nämlich den Turm auch schon mit Haube und ohne Laterne. Lassen wir also die Frage offen, wie der Turm vor und bis 1829 wirklich ausgesehen hat. Dank einer sehr frühen, stark vergilbten, aber immer noch erhaltenen fotografischen Aufnahme in Verbindung mit einem historischen Bericht über den „1884 vollbrachten Turm- und Kirchenbau“ – wir sprechen jetzt von dem allen alten St. Veitern bestens vertrauten Turm mit seinen 8 Wimpergen – wissen wir exakt, wie der Turm von 1829 bis 1884 ausgesehen hat. Er ragt mächtig über die Hausdächer der Umgebung hinaus, hat aber aus Sparsamkeitsgründen nur eine Pickelhaube mit Laterne zum Abschluss. Hier im alten Foto ist alles gut zu sehen. Auch die wunderschöne Vedute von Markus Pernhardt (vor 1870) über die ganze Stadt und ihr Umland bestätigt die alte Turm-Form eindeutig. Nach etlichen 80 Jahren war die Eindeckung aus einfachem Weißblech vom Rost zerfressen. Regen- und Schneewasser drangen ein und griffen die Unterkonstruktionen mit dem Glockenstuhl stark an.
Es bot sich längst wieder das ehemals traurige und gefährliche Bild, als Dr. Simon Fössl in St. Veit einzog. Man schrieb das Jahr 1961 da war man wieder genötigt, von Grund auf zu sanieren. Schweren Herzens trennte man sich von den lieb gewordenen Wimpergen. Letztere waren wohl nett anzusehen und eine sehr beliebte Aufgabe im Zeichenunterricht des Hauptschullehrers Franz Treffer; gegen Wetterunbilden wie Regen, Schnee, Eis und Tauwetter aber war der architektonische Schmuck zu sehr verwundbar. Das Holz darunter war wieder einmal morsch und schadhaft. Es blieb nichts übrig, als den Turm. Wenn auch unvorteilhaft zu „entkleiden“, wollte man nicht zuwarten, bis das Material darunter vollends seine Tragfähigkeit einbüßen würde.
Wer heute ein Panoramabild von St. Veit vor sich hat, sei es aus der Luft oder von einer beliebigen Anhöhe aus gemacht worden, sollte also zumindest eines genau bestimmen können, ist es vor oder nach 1961 entstanden! So lässt sich auch das Wachstum der Stadt viel besser beurteilen. Übrigens, die Evangelische Kirche ist ein eben solcher Zeitindikator zur Unterscheidung, ob die jeweilige Aufnahme aus einer Zeit vor oder nach 1912 stammt.
Totale vom Muraunberg 1918 Turm bereits mit Wimpergen
Totale 1957 von Südwesten gegen Nord-Osten
Das Bürgerbuch der Stadt St.Veit 1564-1884
Dezember 21, 2013 um 12:43 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bürgermeister, Berufe, Eidesformel, Empergeld, Familenforschung, Familiennamen, Feuerrequisiten, Geneologigi, Matriken, Stadtpfarrkirche, Taxen
Quelle: Landesarchiv Klagenfurt, Bestand St.Veit Sign.2 und 2a
Diese bisher nicht edierte, reiche Quelle zur Stadt- , Familien- , Wirtschafts- und soziologischen Forschung steht nunmehr allen Interessierten in digitaler Form zur Verfügung. Dazu einige grundsätzliche Bemerkungen:
Das Bürgerbuch ist eine Schöpfung des nahezu 100% lutherisch gewordenen Stadtlebens von St. Veit. Glücklicherweise hat es die Gegenreformation überstanden und wurde ohne Unterbrechung weitergeführt.
Bei aller erwünschten Erleichterung des künftigen Zuganges muss vorausgeschickt werden, dass kleinere Fehler beim Lesen oder Wiedergeben der Namen trotz größter Sorgfalt nicht ausgeschlossen werden können und letztlich die Einschau in das Originaldokument nicht zu vermeiden sein wird.
Die anfänglich und dem Schlusse zu eher sparsamen dazwischen aber doch mitunter reicheren Angaben der wechselnden Matrikenführer erforderten eine tabellarische Darstellung einerseits und eine Beschränkung auf insgesamt 6 Spalten anderseits. Die Bürgeraufnahmen innerhalb eines Jahres müssen auch nicht immer der tatsächlichen Reihenfolge entsprechen. Auf Jahre mit mehreren Aufnahmeterminen folgen oft Jahre ohne solche.
Die sich auf insgesamt 410 Original Seiten verteilenden Eintragungen, können hier in mancherlei Hinsicht gezielt durchsucht werden, etwa nach Jahr, Name, Beruf und Geburtsort.
Die Aufzählung der Bürgermeister mit Jahreszahlen geschah deshalb, weil diese als zeitgleiche Amtsträger stets einleitend erwähnt wurden. Da bis etwa 1600 vielleicht doch noch da und dort, vom geführten Familiennamen auf tatsächlich ausgeübte Beruf des Trägers oder dessen unmittelbare Vorfahren geschlossen werden darf, wurde ein solcher auch in die Spalte Beruf, allerdings mit Fragezeichen versehen, aufgenommen. Berufsangaben fehlen über weite Strecken zur Gänze. Es wurde deshalb der Versuch gemacht, über die Pfarr-Matriken mehr herauszufinden. Solche Ergänzungen sind durch Schreibung in GROSSBUCHSTABEN erkennbar. Auch Verweise auf Grabsteine z.T. mit Wappen, welche außen an der St.Veiter Stadtpfarrkirche erhalten sind, werden mit 1) bis x) ersichtlich gemacht. Bis etwa 1700 könnte ein etwaiges Anklingen mancher Familiennamen an fremde Orte an eine Herkunft von dort verweisen. Auch hier wurden Fragezeichen gesetzt.
Die Bemerkung „interpoliert“ oder „andere Tinte“ zeigt in Einzelfällen an, dass man vor nachträglichen Änderungen und Zusätzen damals keinerlei Scheu hatte.
Namensschreibungen bzw. Unterschriften waren schon dem Verfasser des Index-Verzeich-nises Sign. 2a nicht selten unleserlich erschienen. Wo die Ähnlichkeit mit nachfolgenden, wenn auch entstellten Familiennamen ins Auge sprang, wurde eine Schreibung versucht, diese aber stets mit ? oder o.ä (d.h. oder ähnlich) erkennbar gemacht. Die alte Schreibung von Berufsbezeichnungen mußte bewußt unterdrückt werden, um eine einwandfreie Sortierung zuzulassen. Manchmal steht das alte Wort unter Gänsefüßchen in der Spalte Anmerkungen.
Was die Taxen-Spalte anlangt, so ist diese bis 1690 leer, da es anfänglich nur kurz hieß „hat seine Gabe gereicht“. Danach erlauben die unterschiedlich hohen Taxen immerhin Rück-schlüsse auf Bedeutung der Person oder auf den Umfang des Gewerbes. Seit 1764 gibt es das sogenannte „Empergeld“ später „für Feuerrequisiten“ und von 1773 bis1814 die „Armen-Pichs“ bzw ab 1794 „für Armeninstitut“. Das Kurzwort „plus“ in dieser Spalte steht für diese Zusatz-Gaben. Die Eidesformel von 1833 wird hier stellvertretend für alle vorangegangenen bzw. folgenden wiedergegeben.
Ihr werdet also zu Gott dem Allmächtigen, Allwissenden und Allgerechten einen feyerlichen Eid schwören, dem Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten Fürsten und Herrn Herrn Franz den I sten von Gottes Gnaden erblichen Kaiser von Österreich, König in Germanien, zu Hungarn, Böheim, Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Jerusalem, Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Lothringen, Großfürst zu Siebenbürgen, Herzog zu Steuer, Kärnten, Ober- und Niederschlesien, gefürsteten Grafen zu Habsburg unsers Allergnädigsten Kaisers, Königs, Erblandes-Fürsten und Herrn Majestät, Allerhöchst Deroselben Erben und rechtmäßigen Nachfolgern getreu und gehorsam zu sein, Euch nach den Gesetzen, Befehlen und Anordnungen genau zu halten, dessen Nutzen und Frommen zu befördern, Schaden abzuwenden und Niemand anderen für Euren rechtmäßigen Landesfürsten und Herrn zu erkennen.
Ihr werdet auch geloben und schwören den von Ihrer Majestät angeordneten und Euch vorgesetzten hohen und niedern Obrigkeiten getreu, gehorsam und gewärtig zu sein, auch nach den Anordnungen, Rechten und Gewohnheiten des Landes und dieser Kammerstadt zu benehmen, die bürgerlichen Lasten willig zu tragen, das Wohl und die Ehre des Landes und dieser Stadt zu befördern, allen Schaden nach bester Möglichkeit zu verhüten, und sofern Ihr etwas erfahret, wodurch Seiner Majestät, dem Lande, eurer Schutzobrigkeit oder der gemeinen Statt sic Schaden entstehen möchte, solches gehörigen Ortes sogleich anzuzeigen.
Wenn Ihr mit Jemandem in Streit kommen solltet, so sollt und müßt Ihr Recht und Fried suchen, nehmen und geben auf solche Art und Weise, wie es die Gesetze vorschreiben, des Landes und dieser Stadt Gewohnheit, Sitt und Recht ist und wie Ihr durch sie jederzeit werdet beschieden werden.
Ihr werdet auch sonsten in Allen Thun und Lassen, was ein getreuer ehrbarer Bürgersmann gegen seine Obrigkeit von Recht und Gewohnheit wegen schuldig ist, ihm wohl anstehet und gebühret, auch Handel und Wandel, und die Gewerbe nicht anders treiben, als wie es mit den Gesetzen und der guten Ordnung des Landes und dieser Stadt übereinstimmt. Ergebete es sich aber, daß ihr über kurz oder lang aus dem Bürgerrechte austreten und von dieser Stadt abziehen sollet, so müßt ihr wieder vor offenen Rath erscheinen, dem aufhabenden Bürgerrechte entsagen und von dem Stadtmagistrate die Loßsprechung von den bürgerlichen Pflichten gewärtigen.
Wie uns jetzt fürgehalten wurde, und wir zu tun beschieden worden sind, dem sollen und wollen wir also getreu nachkommen, so wahr uns Gott helfe.
Das eigenhändige Unterschreiben der Kandidaten wird ab 1823 gepflogen, wobei es sich zeigt, daß gar nicht so wenige Bürger außerstande waren, ihren eigenen Namen zu schreiben. Von 1837 an galten dann 27 Gulden als Einheitstaxe.
Eine Eigentümlichkeit der Jahre 1744 bis 1753 sind auch Vermerke wie „hat den Schuß gemacht“ oder „für den Schuß…..“
Die Größe des Dokumentes beläuft sich auf rund 6 Mega bite, = 200 Seiten = 2500 Namen.
Fortsetzung und Sortierungen daher in mehreren Tranchen beabsichtigt! Walter Wohlfahrt
Eine interessante Ecke unserer Stadt
Mai 28, 2012 um 17:39 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: "städtischen Gebäu", Benefiziatenhaus, Bischofs von Gurk, Bizai, Bodner, Bräuhausgasse, Brunnwasserbezug, Dechant zu Lind (Drautal), Erträge Benefiziatenhaus, Erzpriester von Friesach., Erzpriesters von Friesach, Franz Franziszi. Katechet, Gaggl, Glasermeister, Gleismüllner, Grabinschrift, Grundentlastung, Hans Kaltenhauser, Herenig, Huben in Straganz, Inflation, Jakob Moschee, Jakob Tonitz, Johann Höfferer von Baltersperg 1768, Johanna Höcher, Judengasse, Kajetan Klesel, Kanolzer, Kaplanshaus, Kärntner Volkstumsforscher, Kirchgasse, Kraßnig, Lappitsch, Lavant, Lehrer Adam 1902, Luftschutzspritze, Magistrat, Malerswitwe, Migglitsch, Mlinek, Oswin Moro, Pogatschnig, Reformation, Salzburger Erzbischof, Schöppl, Stadtpfarrkirche, Stiftung, Stiftungserträge, Stiftungsmessen, Stiftungsurkunde von 1474, Tischlermeister Essich, Vetter, Wehrmauer, Weinhändler, Wohnungsnot
Das Wohnhaus Bräuhausgasse 25A der Familie Martin Bodner ist unmittelbar an die Stadtmauer angebaut. Insgesamt fünf Fensteröffnungen durchbrechen die Wehrmauer gegen den Stadtgraben hin. Der Zugang besteht von der Bräuhausgasse her und dieser wurde stets auch von den Nachbarn links und rechts mitbenützt. Das meist geschlossene Tor läßt den Blick von Foto 1 aber selten zu.
Dieses Gebäude war seit 1768 das Benefiziatenhaus der Gleismüllner´schen Stiftung mit der Adresse Judengasse Nr.25 alt, 26neu. Als Vorbesitzerin gilt Johanna Höcher, eine Malerswitwe. Dieses Haus ist jedoch von dem in der Stiftungsurkunde von 1474 genannten „Kaplanshaus zu St.Veit in der Stadt zwischen Hans Kaltenhauser und Peter Maler gelegen“ zu unterscheiden. Das älteste Domizil des Benefiziaten lag nämlich ebenfalls in der Judengasse/spätere Bräuergasse, in nächster Nähe zwar, aber doch an anderer, bislang unbekannter Stelle.
Dieses erste Gebäude wurde nach Beschädigung durch den Stadtbrand von 1747 verlassen. Für den Benefiziaten gab es bis 1768 ein Zwischenquartier im sogenannten Zigulnig´schen Hause in der Kirchgasse neben der Mesnerei. Als jedoch Jakob Moschee dem Johann Höfferer von Baltersperg 1768 im Benefizium nachfolgte, hielt es dieser in der Kirchgasse nicht lange aus. Er beklagte sich beim Patron, also beim Magistrat, sein Haus sei voller Mäuse, Ottern und Schlangen und obendrein noch feucht und ungesund. Moschee – von ihm stammt zur Erinnerung an seine Eltern die Grabinschrift, welche links vom Südportal in die Außenwand der Stadtpfarrkirche eingemauert ist und wie folgt lautet:
„Franz Moschee, Bürger und Glasermeister ligt allda bey seiner Gattin Maria welcher den 31. July 1768 gestorben, dem Gott samt allen Verstorbenen gnädig seye. Aus kindlicher Liebe gegen seine lieben Aeltern hat Jacob Moschee, gewester Dechand zu Lind in Traathal (Drautal) als Gleismüllner Beneficiatus Curat diesen Grabstein machen lassen“ – war somit der erste Benefiziat, der das Haus Judengasse 25alt, 26neu bewohnt hat. Der Magistrat zeigte sich bei dieser Gelegenheit von seiner besten Seite. Er gewährte zweihundert Gulden für die Adaptierung des desolaten Gebäudes und auch das nötige Bauholz aus eigenem Wald. 1769 richtete Moschee ein neuerliches Ansuchen um weitere Bauhilfe an die Stadtherren. Diese wollten zunächst wohl nichts mehr davon hören, doch nach Intervention des Bischofs von Lavant, griff man halt noch einmal ins Stadtsäckl.
Die vermutlich nächsten Benefiziaten sind Jakob Tonitz (1832 genannt) und Kajetan Klesel (1845). Zu ersterem wäre zu ergänzen, daß lt. Stiftregister um 1823 bis längstens 1826 „Herr Primus Tonitz, Weinhändler allhier, den jährlichen Fruchtgenuß von einer Wiese als kleine Remuneration für die Temporalienverwaltung der Gleismüllner´schen Benefiziat Gült“ inne hatte. Es sieht ganz so aus, als gäbe es ein Verwandschaftsverhältnis zwischen dem Benefiziaten und dem Weinhändler. Von Klesel wird gesagt „er wohne im Hause Nr. 26, einem städtischen Gebäu, zusammen mit einer Magd“. Das Wohnhaus dürfte also damals aus Erdgeschoß und einem Obergeschoß bestanden haben. Das mit dem „städtischen Gebäu“ ist aber sicherlich ein Irrtum, nur daraus entstanden, daß die Stadt immer wieder für alle Gebäudekosten aufkommen sollte und zeitweilig auch tatsächlich dafür aufgekommen ist. Über die Verfügungsrechte der kirchlichen Behörden ist jedoch nur einmal in alter Zeit und nur vorübergehend ein Zweifel aufgekommen, als während der Reformation die lutherisch gesinnte Stadtverwaltung das damals umfangreiche Besitztum der Gleismüllnerischen Stiftung an sich zu ziehen trachtete. Der jeweilige Benefiziat hatte laut Stifterwillen zwar die Möglichkeit, Grundstücke und Besitztümer zu verkaufen oder zu vertauschen, benötigte dazu aber die ausdrückliche Zustimmung des Erzpriesters von Friesach bzw. des Salzburger Erzbischofs, später die des Bischofs von Gurk.
Auf Klesel folgte möglicherweise schon Franz Franziszi als Benefiziat und Katechet. Er, der berühmte Kärntner Volkstumsforscher, bewohnte unserer Haus für die Dauer seines Wirkens in St.Veit und zwar von 1857 bis 1870 und hinterließ eigenhändig geschriebene Notizen zur Geschichte der Gleismüllner´schen Stiftung. Er bemühte sich darin auch um die Lokalisierung des ursprünglichen Benefiziatenhauses in der Judengasse, ohne aber anscheinend zu befriedigenden Resultaten zu gelangen, denn in seiner Veröffentlichung von 1864 – „Archiv für vaterländische Geschichte, Seite 77ff“ – läßt er alle Überlegungen zum ältesten Benefiziatenhaus bezeichnenderweise gänzlich weg. Oswin Moro widmete diesem vortrefflichen Mann und vorbildlichen Seelenhirten einen würdigen Nachruf in der Carinthia 1951, Seite 6ff.
Ob und wer nach 1870 dieses Haus als Benefiziat noch bewohnt hat, ist vorerst nicht auszumachen. Bald dürfte man jetzt aber dazu übergegangen sein, die vorhandenen Wohnräume im Haus in der Bräuhausgasse einfach zu vermieten. Die einst ansehnlichen Stiftungserträge – bis 1848 nahezu ungeschmälert vorhanden – sind insbesondere durch die Grundentlastung der bäuerlichen Untertanen stark geschrumpft. Man erhielt nur ein Drittel des Wertes an Ablöse und legte diese Mittel in Wertpapieren an, verlor aber dafür die bisherigen Erträgnisse aus Huben in Straganz, in Niedergöriach am Magdalensberg, am Ranach bei Brückl, in Thalsdorf, St.Sebastian und Glandorf zu hundert Prozent. Im Eigentum verblieben lediglich die nichtbäuerlich, also etwa an Kaufleute und Gewerbetreibende verpachteten Äcker und Wiesen im Weichbild der Stadt, sowie das Benefiziatenhaus in der Bräuhausgasse. Die Erträge daraus belaufen sich knapp nach der Jahrhundertwende lt Kassa-Journal 1902-1929 für Pachtgründe auf 110 Kronen, für Mieteinkünfte beim Benefiziatenhaus auf 240 Kronen und für Zinsen aus einem Wertpapier-Nominale von insgesamt 7.500 Kronen auf etwa 300 Kronen, zusammen also auf rund 650 Kronen jährlich. Das reichte gerade einmal für die Steuern, für durchschnittlich 100 Stiftungsmessen à 1 Krone 20 Kreuzer und für das Verwaltungshonorar von 432 Kronen pro Jahr. Solche Zahlen ließen natürlich den Posten eines Benefiziaten schon zu Franziszis Zeiten völlig unattraktiv erscheinen und es würde garnicht wundernehmen, wenn sich danach niemand mehr für diese Stelle gefunden hätte. Mit dem unglücklichen Ende des 1. Weltkrieges sind obendrein auch noch alle Wertpapiere der Inflation zum Opfer gefallen.
Zur Hausgeschichte bietet das Kassen-Journal noch einige Details. So hört man im Jahre 1902, daß der Lehrer Adam mit seiner Familie einziger Mieter ist und jährlich 240 Kronen zahlt. Die Wiese beim Pulverturm hat Gustav Mlinek um 63 Kronen, Franz Titz einen Acker um 35 Kronen und Andreas Pogatschnig ein drittes Grundstück um 16 Kronen in Pacht. Mit der Zeit wechseln nicht nur die Pächter sondern auch im Hause tut sich einiges. Auf den Lehrer Adam folgt 1906 Franz Lappitsch, Bahnbediensteter als Mieter. Aus diesem Anlaß liefert Tischlermeister Johann Essich einen neuen Küchenboden um 18 Kronen. Eigenes Wasser gibt es beim Hause nicht, daher werden 4 Kronen an den Wirt Josef Migglitsch für die Gestattung des Brunnwasserbezuges geleistet. 1907 macht Zimmermeister Carl Ebner für 23 Kronen eine neue Senkgrubenabdeckung im Rainer Garten. Das heißt, daß der Hauskanal durch die Stadtmauer durchführte. Im Jahre 1920 – wie man weiß, am Höhepunkt der Wohnungsnot in St.Veit – kommt es anscheinend zur Aufstockung des Hauses, denn es werden nicht nur „140 Kronen für Verputzen der Wohnung im 2. Stock“ ausgegeben, es gibt von nun an plötzlich 3 Mieter, namens Vetter, Kraßnig und Herenig. Die Miete beträgt für jeden 10.000 Inflations-Kronen bzw. nach Währungsumstellung 1 Schilling monatlich. Im Jahre 1929 wird mit 290 Schilling mehr ausgegeben, als mit 231 Schilling ein-genommen. In den Ausgaben ist ein Betrag von 116 Schilling für 29 Stiftungsmessen enthalten. Für den Mieter Kraßnig kommt im Jänner 1939 Herr Kanolzer ins Haus und bleibt bis mindestens 1957. Seine Nebenmieter wechseln häufig. Es sind dies u.a. Maria Gaggl, Ernst Schöppl und Herr Bizai. Am 2.8.1941 wird die Wasserleitung montiert (Luftschutz!) und im November darauf eine Wasseruhr eingebaut. 1942 mußte eine Luftschutzspritze ins Haus und weil über den Winter die neue Wasserleitung einfror, war diese im April 1942 aufzutauen. Oh ja, der strenge Winter 1941/42 hat noch viel schlimmeres auf dem Gewissen……
Walter Wohlfahrt in „St. Veit Kommunal“ August 2000
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