Friedhof-Besuch 2016

Dezember 20, 2016 um 18:03 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Mein sorgenvoller Bericht zum vorjährigen Friedhof-Besuch wird Lesern vielleicht noch in Erinnerung sein. Was zu befürchten war, ist inzwischen leider eingetreten. Der schöne, alte Stein –  von mir abgebildet – ist nicht mehr, die Grabstelle des „1. Bezirksarztes“ ist aufgelassen. Weil es sich dabei um eine einst recht angesehene Familie handelte, versippt mit den ersten Adressen St. Veits, sei hier eine kleine Reminiszenz versucht, die immerhin etwas von den Höhen und Tiefen der letzten zweihundert Jahre erkennen lassen sollte.

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 „Chirurg“ Franz Krall etwa 1800-1850 Von ihm und dass er aus Pettau/Ptuj, aus der ehemaligen Südsteiermark zugezogen ist, dann als „Chirurg“ (Wundarzt) 1832 in die Bader Familie mit Namen Träher, in der alten Mühlbacher Straße, einheiratete, war schon die Rede. Witwe Träher übergab das Haus alsbald dem Gatten ihrer Tochter Eleonore.

Dr. Franz Krall 1831-1885. Franz hieß auch er Sohn, dieser erblickte allerdings schon ein Jahr vor der Eheschließung das Licht der Welt! Mit 22 Jahren hatte er das Studium in Graz abgeschlossen. Der tüchtige junge Mann, Mediziner und Geburtshelfer nahm sich Maria Susanne Wahrheit, Tochter des bürgerlichen Fleischhauers Johann Wahrheit (1816-1888) zur Frau. Finanziell gesichert eröffnete Krall in St. Veit seine Praxis, wo übrigens auch der Mediziner Josef Lemisch  (1826-1886), Vater von Dr. Arthur Lemisch,  zeitgleich tätig war.  Als Vater Krall 1885 all zu früh starb und Sohn Franz das Vaterhaus übernahm, war er im 34. Lebensjahr. Mit der um 23 Jahre jüngeren Ehefrau Maria Susanne hatte er neun Kinder, wovon nur Sohn

Robert 1874-1948 und Tochter Pauline 1884-1968, verehelichte Jost, über das Kindesalter hinaus kamen. Robert und Paula scheinen in der Besitznachfolge dann nicht mehr auf, auch nicht deren Mutter! Schon 1886 wird das Haus, heute Spitalgasse 8, an Anton Sornig verkauft. Hat  Maria Susanne, mit 32 Jahren Witwe geworden, noch einmal geheiratet? Die zwei unmündigen Kinder machten reiches Erbe, zunächst von Vaters und später bestimmt auch von  Mutters Seite. Ob sie mit einem Stiefvater oder bei einer Großmutter aufwuchsen, ist nicht bekannt? Was auffällt, ist die Tatsache, dass Ehefrau Maria Susanne, am Grabstein des Dr. Franz Krall nicht vorgekommen ist. Die „Wahrheiten“ zählten damals zu den Reichsten in der Stadt. Sie waren seit Generationen nicht allein als Fleischhauer, auch und insbesondere als Geldverleiher und Grundstücksspekulanten äußerst erfolgreich. Wahrheit-Töchter (-Witwen?) waren dementsprechend höchst begehrt. Von Roberts Nachkommen, zwei Söhne und eine Tochter, lernte ich

Ekkehard 1916-2001 persönlich kennen als er sich schon sehr schwer tat, sein Wochen-End-Haus in Eggen am Kraigerberg wie gewohnt selbst zu pflegen. 2001 musste er dann im Krankenhaus Weiern/Feldkirchen Aufenthalt nehmen, da gab er mir am 13. April ein letztes Interview.

Es interessierte mich vor allem, wie geschehen konnte, dass ein Jüngling, noch während der Lehrzeit beim Büchsenmacher Schwarz zum radikalen und überaktiven Nationalsozialisten wurde. Immerhin war mir bekannt, dass er in frühen Jahren an vielen einschlägigen und staatsfeindlichen Aktionen der Nazis, bis hin zum Hochverrat beteiligt war. Die Fragen kreisten darum erst einmal um Vater Robert und seinen möglichen Einfluss. Über eine fixe Beschäftigung des Vaters vermochte Ekkehard nur wenig zu sagen, so viel aber mit Gewissheit: Die Hinterlassenschaft des Großvaters betrug im Jahre 1885 sage und schreibe 180.000 Goldkronen. Man hätte sich dafür fünf Bauernhuben kaufen können. Wegen Minderjährigkeit der Erben (damals war man erst mit 24 eigenberechtigt!) wurde „mündelsicher“ in Wertpapieren angelegt, von Dr. Spöck und von einem zweiten Rechtsanwalt, nicht ohne separate Kosten gerichtlich verwaltet. Vater Robert und Tante Pauline, die spätere Handarbeits-Lehrerin, lebten ganz gut von den Erträgnissen der Papiere,  dies aber nicht sehr lange. Sie stritten viel und gerne miteinander und konnten sich nie auf eine sinnvolle Änderung in der Geldanlage einigen. Als es zum Weltkrieg kam und Vater Robert einrücken musste, war es dafür bereits zu spät. Nach Heimkehr nahm Robert Krall am Kärntner Abwehrkampf teil. Die familiäre Einstellung zu Deutsch- und Slawentum dürfte von Pettau her bestimmt gewesen sein. Eine Beschäftigung als Angestellter bei den Chemischen Werken in Treibach endete für Robert 1928 im Zuge der Weltwirtschaftskrise. Robert dürfte also auch über eine entsprechende Schulausbildung verfügt haben. Er hätte angeblich auch bei der Eisenbahn Aussichten gehabt. Mutter war sehr dafür, Vater zögerte zu lange „wegen der Wahrheit Verwandtschaft“.

Das wirft jetzt ein bezeichnendes Licht auf den Spalt, in der St. Veiter Gesellschaft jener Zeit. Auf der einen Seite die stolzen, arbeitsamen, meist hart arbeitenden aber wenig verdienenden Bürger, auf der anderen Seite die selbstbewussten, scheinbar über zu viel Freizeit verfügenden, regelmäßige Einkünfte beziehenden, früh pensionierten Eisenbahner. In St. Veit waren höhere Eisenbahn Beamte gerade noch akzeptiert. Ansonsten blieb man lieber unter sich. Jede Gruppe hatte ihre eigene politische Ausrichtung ihre eigenen Vergnügungen, Lokale und Vereine, bis hin zum Eisenbahner Leichenbestattungsverein. Zur Beliebtheit dieser meist Neuzugezogenen in bürgerlichen Kreisen, so weit es nicht der geschäftliche Nutzen gebot, lese man nach bei Sebastian Weberitsch! Dass vor und nach der Jahrhundertwende Gasthäuser und Kegelbahnen immer zahlreicher wurden, hat eindeutig mit dem Spielbedürfnis (Kegeln, Kartenspiel, Eisschießen) der Eisenbahner zu tun.

Noch einmal zurück zu unserem „getreuen“ Ekkehard. Um ihm oder seinem älteren Bruder Fritz 1913-1933, Lehrplätze zu sichern – das Lehrgeld  allein bei Schwarz belief sich auf 600 Schilling – wurde der letzte Familienschmuck in Klagenfurt versetzt. Auch der Schwester Paulines Lehrer-Ausbildung war nur so zu finanzieren. 1934 hatte Ekkehard ausgelernt und war als Geselle, wie so oft in solchen Fällen, dem Meister einfach zu teuer. Er konnte nicht weiterbeschäftigt werden. Deshalb bemühte er sich nach eigenen Worten, eine Stelle als Büchsenmacher in Deutschland zu finden! Ein Reisepass dorthin war aber nicht zu bekommen. Ob er deshalb bald danach, oder wie er meinte erst 1937 über die Grüne Grenze nach Deutschland ging oder ob ihn doch schon die Ereignisse von 1934 zum Untertauchen gezwungen haben? Ein alter Freund des Ekkehard erzählte mir, ihn 1938 als SS-Mann lungenkrank in einem Wiener Krankenhaus persönlich besucht zu haben. Das muss stimmen. In Ekkehards eigener Erinnerung sei er aber erst 1937 mit der Bahn nach Salzburg gefahren, wo ihn zusammen mit einigen zwanzig anderen der illegale Grenzübergang nach Bayern durch Mittelsmänner ermöglicht wurde. Es ging für ihn bei tief winterlichen Bedingungen über die Saalach, bei welcher Gelegenheit er sich eine Lungen TBC geholt haben könnte. Auf der anderen Seite wurde man schon erwartet, behelfsmäßig versorgt, auf Strohlager gebettet und dann ehestens auf Lkw nach München gebracht. Bald schon sei es zur Vereidigung und Aufnahme in die SS-Division „Der Führer“ gekommen. Die Zeitspanne für Erkrankung, Einkleidung, Ausbildung, Vereidigung usw. und alles zwischen 1937 und Frühjahr 1938 scheint viel zu kurz. Ekkehard müsste also wohl schon früher über die Grenze gegangen sein. Nach dem Anschluss 1942 wieder in der Heimat kam es zur Verehelichung mit Leopoldine Smoditsch und zur Familiengründung. Das Talent zum Untertauchen ist ihm scheinbar geblieben. Auch 1945 blieb er nämlich für die Besatzer unauffindbar. Genau so, wie 1934 für die österreichische Justiz. Während andere SS-Leute mit Kriegsende in Internierungslager wanderten, entzog er sich erfolgreich jeder Verfolgung. So weilte er Monate und Jahre mit falscher Identität unbehelligt in einem der hintersten Gräben um Hüttenberg. Seine geheimen Besuche bei der jungen Ehefrau blieben natürlich nicht ohne Folgen. Diese zwangen seine Frau zu einer Notlüge. Als die Ordnungshüter von damals die junge Wöchnerin bedrängten, den Aufenthaltsort des Mannes nun endlich bekannt zu geben,  wo doch ihre Niederkunft alles offenbare, war ihre Antwort „Es gibt ja auch andere Männer“!

Wenn jetzt klar zu Tage tritt, dass nichts anderes als Kriegszeiten, Wertverluste, mangelnde Einkünfte und Lebenschancen, in diesem Falle wohl auch eine gewisse  Familientradition zur Anfälligkeit für Hass-Parolen und schließlich zu Radikalismen geführt haben, dann fragt man sich doch, hat denn die Welt seither nichts dazu gelernt?

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Die Rogl Mitzi

August 10, 2011 um 14:43 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Mitzi war Modistin und eine bekannte Persönlichkeit unserer Stadt. Neben ihr gab es zwar noch andere  Modistinnen, etwa eine Franziska Schreiber, in der Villacher Vorstadt Nr.25 oder Grete Dolznig, Kaserngasse Nr.74, aber Mitzi galt als der Star unter allen. Sie war eine ungewöhnliche Erscheinung. Körpermaße und tiefe Stimme passten eher zu einem Mann. Zur Faschingszeit schlüpfte sie daher nicht ungern in die Rolle von Filmdiva und Sängerin Zarah Leander! Ihr Auftreten und ihr Gehabe soll unverwechselbar gewesen sein. Dabei war ihr bürgerlicher Name ein ganz anderer. Zum Namen Rogl kam sie, weil sie von den Eheleuten Paul und Anna Rogl, Hutniederlage und Fotogeschäft, Unteren Platz Nr. 2 als Ziehkind angenommen wurde. Früh hieß es für sie schon, im Geschäft mitzuarbeiten und Mitzi stellte sich dabei recht gut an.

1932 scheinen die Rogl dem Hutladen nicht mehr gewachsen gewesen zu sein, denn sie übergaben pachtweise an die Klagenfurter Hutfirma Nagl, die kurze Zeit in St. Veit eine Filiale betrieb und die inzwischen dreißig Jahre alt gewordene Mitzi als Verkäuferin mit übernahmen. Nach einem Jahr schon – der Geschäftsgang dürfte entsprechend schwach gewesen sein – schloss Nagl die Filiale in St. Veit, nahm aber Mitzi nach Klagenfurt mit. Dort wohnte und arbeitete sie einige Monate. Seit Oktober 1934 wieder in St. Veit, dürfte bald die Selbständigkeit als Modistin angestrebt worden sein. Erstmals erfährt man ihren wahren Namen. Dieser lautete auf Maria Pfeiffer. Obwohl in St.Veit geboren (24.3.1902) wies ihre Heimatzuständigkeit nach Steinbach an der Steyr in Oberösterreich. Es liegt nahe, dass Maria das ledige Kind einer in St. Veit niedergekommenen Dienstbotin war; mit den Rogl irgendwie verwandt oder auch nicht. Paul und Anna Rogl waren jedenfalls kinderlos. Im Jahre 1935 erhielt Maria offiziell Heimatrecht in St. Veit, was wiederum nahelegt, dass in dieses Jahr auch die Eröffnung des eigenen Geschäftes am Schillerplatz fällt. 

 Nicht nur in Modesachen, auch politisch hatte Maria einen besonderen, d.h. ihren eigenen Geschmack. Neben der Vorliebe für extravagante Hutmodelle galt sie als eifriges Mitglied des Turnvereines St. Veit und pflegte in der Zwischenkriegszeit ohne wenn und aber eine nationale, sprich deutschfreundliche Denkungsart. Letztere könnte ihr auch von den Rogl eingepflanzt worden sein, denen es in den Dreißigern geschäftlich ganz schlecht ging. Im Rahmen der gemeindeamtlichen Armenunterstützung wurden ihnen im Juni 1933 zwanzig Schilling monatlich „bis auf Widerruf“ zuerkannt. Schon mittelmäßig begabten Demagogen gelang es in jener Zeit ganz leicht, begeisterte Anhänger zu rekrutieren und so die Massen zu gewinnen. Paul Rogl, damals bereits 69 Jahre alt und kränklich hatte nur noch das Fotografen Gewerbe, welches 1941 endgültig gelöscht wurde. Laut Adressbuch von 1949 hatte Maria Pfeiffer ihre Wohnung im Hause Unterer Platz 10 (Sport Moser)

 1936 schwärmte man in St. Veit über die Olympiade in Deutschland und 1937 war die halbe Stadt auf den Beinen. Der Weg führte nach Breslau, wo vom 28. Juli bis 1. August das 12. Deutsche Sänger-Bundes-Fest zur Austragung kam. Laut Festprogramm führte Mauritius Payer aus Spittal den Kärntner Sängerbund an. Beim abschließenden Festzug, soll Mitzi Rogl (Pfeiffer) den Kordon durchbrochen und dem Führer spontan einen Blumenstrauß  überreicht haben. Bildberichte davon gingen durch die deutsche Presse und wie ein Lauffeuer auch durch St.Veit noch ehe alle Reisenden wieder daheim waren. So mancher zahlungskräftige Teilnehmer nützte nämlich die Gelegenheit zu einer anschließenden Deutschland-Fahrt mit Wiedersehen mit  sogenannten „alten Kameraden“. Eine österreichische Landesbeamtin jener Zeit wusste dazu folgendes zu berichten: „Als Mitglied des Gemischten Chores beantragte ich bei der BH einen Reisepass. Dabei wurde ich gewarnt, meine Anstellung beim geringsten Anlass zu verlieren. In der Tat fuhren insgeheim sogenannte Aufpasser bis zur Grenze in Freilassing mit. Auch die Rogl Mitzi war unter uns.“    V/2011

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