Was sagt uns die „Pogatschnig“-Gasse von St. Veit?
Juni 12, 2017 um 17:46 | Veröffentlicht in St.Veit | 1 KommentarSchlagwörter: Bezirksgericht St.Veit, Bretterbauer, EU, Ewald Priessnitz, Handels- und Gewerbebank, Holzmann, Kalischnigg, Kalisnik, Kalisnik=Pfützner, Kalk, Kraner, Kronland Krain, Lederer, Lederfabrik Villach, Lohe, Ottilie Pirker, Pfützner=Lackner, Pflegschaftsgericht, Pogacnik=Kuchenbäcker, Pogatschnig, Pohacia=Reindling, Prof.Pohl, Raindling, SHS-Staat, Tamegger, Vitusgraben, Zedischnig
Zwecks Klärung des Namens müssen wir mehr als hundert Jahre zurück blicken. Da begegnen wir Andreas Pogatschnig, einem 1830 geborenen Wirtssohn und Ledermacher, als er sich gerade anschickte, mit Johanna, geborene Kalisnik, verwitwete Kronegger 1860 seine erste Ehe einzugehen. Beide stammten aus dem alten Herzogtum Krain, er aus Dobrova, sie – ebenfalls Wirtstochter – aus Neumarktl. Die Familiennamen werden von Prof. Pohl wie folgt übersetzt: In Pogatschnig/Pogacnik verbirgt sich der „Kuchenbäcker“. In Südkärnten wäre nur ein Buchstabe zu tauschen, dann hätten wir den Pohacia, also den Kärntner Raindling. In Kalischnigg/Kalisnik hingegen ist der Pfützner oder Lackner zu sehen, also derjenige der es ziemlich feucht hat.
Johanna war mit 47 Jahren nicht mehr die Jüngste, hatte für die Nachfolge in der Ledererwerkstatt aber anscheinend keinen geeigneten männlichen Nachwuchs. Das Haus am Hauptplatz Nr. 4 hielt sie noch 13 Jahre in Händen, ehe sie es 1873 ihrem Mann und Gatten v e r k a u f t e ! Verkauft vielleicht deshalb, um keine anderen Erbansprüche zuzulassen?
Andreas hatte zu der Zeit schon reichlich eigenen Besitz und seinen eigenen Produktions- und Handelsbetrieb. Sein erster Ankauf (1860) in St. Veit betraf ein heute nicht mehr existentes Wohnhaus mit (nach dem Stande von 1907 noch vorhandener) Werkstätte, Kalk- und Lohemagazin an der Grabenstraße (nahe dem heutigen Finanzamt) inklusive 1 ha Grund dabei „mit laufendem Wasser“. Es ist anzunehmen, dass auch schon die Lohstämpfe im Vitusgraben (Obere Tappermühle) in Andreas´ Besitz war.
1862 wurde A. Pogatschnig in die Bürgerschaft aufgenommen. Das zeigt, dass selbst ein „Kraner“ – sonst all zu oft und leicht auch schimpfwörtlich gebraucht – durchaus zu Wohlhabenheit und Ansehen gelangen konnte. Was man auch als Wohltat des großen, gemeinsamen Wirtschaftsraumes unter der Krone Habsburgs bezeichnen könnte. Das Kronland Krain wurde unter Napoleon kurzzeitig und 1918 durch den SHS-Staat endgültig Vergangenheit. Wird die EU es eines Tages wieder so weit bringen ?
1866 kommt es zum Erwerb des Hauses Nr 13 in der Weitensfelder Vorstadt (heute Dr. Ewald Priessnitz). Zu diesem Haus gehörten Äcker, Wiesen und Gärten im Ausmaß von über 3 ha. Der Stadel (heute Wohnhaus u.a. von Familie Tamegger) wurde von Pogatschnig erst 1871 erbaut. Dieser Komplex wird 1887 durch Kauf noch um den sogenannten Lichtensteiner Acker um rund 2 ha erweitert.
So hat das Pogatschnig Haus am Oberen Platz 4 bald nach der Bepflanzung mit Achorn(?) Bäumen ausgesehen (erfolgt im Oktober 1912 durch Herrn Bretterbauer und Gemeindearbeiter im Auftrage des Herrn Kajetan Apolin, Obmann des Forstausschusses – 1926 wurden die Bäume wieder ausgegraben!) Im Besitz folgte auf Andreas Sohn Heinrich, schon 1910 Käufer Ferdinand Zedischnig, 1932 mit Zuschlag die Handels- und Gewerbebank, schließlich 1934 Familie Holzmann.
Als 1873 das Stadthaus auf Namen Andreas P. umschrieben wurde, kaufte er gleich auch noch den alten Posthausgarten mit 522 m2 und verfügt so über beträchtlichen Haus- und Grundbesitz in und um die Stadt. Zwischen 1877 und 1893 werden ihm acht Kinder geboren, zumal er am 8.7.1877 als Witwer mit Ottilie Pirker die zweite Ehe ein ging. Das Pflegschafts-Gericht hat angesichts minderjähriger Erben unverzügliche die Aufnahme und Schätzung des Gesamtvermögens angeordnet. Baumeister Michael Wank und Johann Wahrheit gingen sehr penibel zu Werke, sie prüften und bewerteten allein das tote und lebende Inventar, ob in Verkaufs- Wohn- oder Stallräumen, mit 14.600 Kronen, darunter allein Bargeld in Höhe von 1.150 Kronen. Dieses Schätzungsprotokoll ist eine Fundgrube für die Stadtgeschichte und erlaubt hochinteressante Einblicke in Bau- , Wirtschafts- Wohn- und Besitzverhältnisse jener Zeit.
Mit dem Tod des Andreas endete die Ledererzeugung in St. Veit. Sohn Heinrich zog es nach Villach, wo er bessere Chancen für eine Lederfabrik erhoffte. Nach dankenswerter Auskunft des Stadtmuseums Villach, Frau Mag. Pertl, kommen dort 1910 und 1920 Lederfabrikanten mit Namen Pogatschnig vor. 1926 erfolgte die Bildung einer protokollierten Firma, die aber schon zwei Jahre danach gelöscht wurde.
Die Stadtregierung von St. Veit bedankte sich bei der Familie mit Widmung einer kleinen Gasse dafür, dass sie für eine großflächige Aufschließung der Pogatschnig-Gründe mit Abtretung von genügend Flächen für Straßen, aber vor allem für das neue Bezirksgericht zu haben war. Besitznachfolger Heinrich P. behielt nichts zurück, er verkaufte in kürzester Zeit alle Liegenschaften in St. Veit.
Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.
Entries und Kommentare feeds.