Die Rogl Mitzi
August 10, 2011 um 14:43 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Armenunterstützung, Breslau, Demagogen, deutschfreundlich, Dolznig, Dolznig Grete, Führer Blumenstrauß, Fotogeschäft, Fotogschäft, Gemischter Chor, Hutniederlage, Maria Pfeiffer, Modistin, Oktober 1934, Olympiade 1936, Olympiade 1937, Pfeiffer Maria, Reisepass, Sänger-Bundes-Fest 1937, Sänger-Bundesfest Breslau 1937, Schreiber, Schreiber Franziska, Steinbach an der Steyr, Steinbach OÖ, Turnverein, Zarah Leander
Mitzi war Modistin und eine bekannte Persönlichkeit unserer Stadt. Neben ihr gab es zwar noch andere Modistinnen, etwa eine Franziska Schreiber, in der Villacher Vorstadt Nr.25 oder Grete Dolznig, Kaserngasse Nr.74, aber Mitzi galt als der Star unter allen. Sie war eine ungewöhnliche Erscheinung. Körpermaße und tiefe Stimme passten eher zu einem Mann. Zur Faschingszeit schlüpfte sie daher nicht ungern in die Rolle von Filmdiva und Sängerin Zarah Leander! Ihr Auftreten und ihr Gehabe soll unverwechselbar gewesen sein. Dabei war ihr bürgerlicher Name ein ganz anderer. Zum Namen Rogl kam sie, weil sie von den Eheleuten Paul und Anna Rogl, Hutniederlage und Fotogeschäft, Unteren Platz Nr. 2 als Ziehkind angenommen wurde. Früh hieß es für sie schon, im Geschäft mitzuarbeiten und Mitzi stellte sich dabei recht gut an.
1932 scheinen die Rogl dem Hutladen nicht mehr gewachsen gewesen zu sein, denn sie übergaben pachtweise an die Klagenfurter Hutfirma Nagl, die kurze Zeit in St. Veit eine Filiale betrieb und die inzwischen dreißig Jahre alt gewordene Mitzi als Verkäuferin mit übernahmen. Nach einem Jahr schon – der Geschäftsgang dürfte entsprechend schwach gewesen sein – schloss Nagl die Filiale in St. Veit, nahm aber Mitzi nach Klagenfurt mit. Dort wohnte und arbeitete sie einige Monate. Seit Oktober 1934 wieder in St. Veit, dürfte bald die Selbständigkeit als Modistin angestrebt worden sein. Erstmals erfährt man ihren wahren Namen. Dieser lautete auf Maria Pfeiffer. Obwohl in St.Veit geboren (24.3.1902) wies ihre Heimatzuständigkeit nach Steinbach an der Steyr in Oberösterreich. Es liegt nahe, dass Maria das ledige Kind einer in St. Veit niedergekommenen Dienstbotin war; mit den Rogl irgendwie verwandt oder auch nicht. Paul und Anna Rogl waren jedenfalls kinderlos. Im Jahre 1935 erhielt Maria offiziell Heimatrecht in St. Veit, was wiederum nahelegt, dass in dieses Jahr auch die Eröffnung des eigenen Geschäftes am Schillerplatz fällt.
Nicht nur in Modesachen, auch politisch hatte Maria einen besonderen, d.h. ihren eigenen Geschmack. Neben der Vorliebe für extravagante Hutmodelle galt sie als eifriges Mitglied des Turnvereines St. Veit und pflegte in der Zwischenkriegszeit ohne wenn und aber eine nationale, sprich deutschfreundliche Denkungsart. Letztere könnte ihr auch von den Rogl eingepflanzt worden sein, denen es in den Dreißigern geschäftlich ganz schlecht ging. Im Rahmen der gemeindeamtlichen Armenunterstützung wurden ihnen im Juni 1933 zwanzig Schilling monatlich „bis auf Widerruf“ zuerkannt. Schon mittelmäßig begabten Demagogen gelang es in jener Zeit ganz leicht, begeisterte Anhänger zu rekrutieren und so die Massen zu gewinnen. Paul Rogl, damals bereits 69 Jahre alt und kränklich hatte nur noch das Fotografen Gewerbe, welches 1941 endgültig gelöscht wurde. Laut Adressbuch von 1949 hatte Maria Pfeiffer ihre Wohnung im Hause Unterer Platz 10 (Sport Moser)
1936 schwärmte man in St. Veit über die Olympiade in Deutschland und 1937 war die halbe Stadt auf den Beinen. Der Weg führte nach Breslau, wo vom 28. Juli bis 1. August das 12. Deutsche Sänger-Bundes-Fest zur Austragung kam. Laut Festprogramm führte Mauritius Payer aus Spittal den Kärntner Sängerbund an. Beim abschließenden Festzug, soll Mitzi Rogl (Pfeiffer) den Kordon durchbrochen und dem Führer spontan einen Blumenstrauß überreicht haben. Bildberichte davon gingen durch die deutsche Presse und wie ein Lauffeuer auch durch St.Veit noch ehe alle Reisenden wieder daheim waren. So mancher zahlungskräftige Teilnehmer nützte nämlich die Gelegenheit zu einer anschließenden Deutschland-Fahrt mit Wiedersehen mit sogenannten „alten Kameraden“. Eine österreichische Landesbeamtin jener Zeit wusste dazu folgendes zu berichten: „Als Mitglied des Gemischten Chores beantragte ich bei der BH einen Reisepass. Dabei wurde ich gewarnt, meine Anstellung beim geringsten Anlass zu verlieren. In der Tat fuhren insgeheim sogenannte Aufpasser bis zur Grenze in Freilassing mit. Auch die Rogl Mitzi war unter uns.“ V/2011
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