Episoden aus Alt St. Veit
April 28, 2012 um 15:50 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: alte Mühle an Wimitz, Arbeitsamt, Arbeitsunfall, Bosniaken, Felix Fiebinger, Gendarmen, Glantal, Hunds-Bua, Jiroschek, Kanaltal, Kärntner Landsmannschaft, Kölnhof, Klein St.Paul, Lemisch, Postamt, Rassnig Mühle, Rückmeldungen, Sägewerk, Seilerin, Semmelkorb, St.Veit Kommunal, Unschuldige Kinder, Zentrum Kärnten
Von Kindern und Narren kann man die Wahrheit erfahren
Diese Weisheit war nicht nur den alten Gendarmen gut bekannt, auch ein Herr Doktor Lemisch verstand es damit umzugehen. Doch davon später. Der heutige Aufsatz verfolgt einen etwas anderen Zweck.
Nach mehr als zwanzigjähriger, ununterbrochener Tätigkeit sind von mir in der „Kärntner Landsmannschaft“, in „St. Veit Kommunal“, im inzwischen eingestellten „Zentrum Kärnten“ und neuerdings im „Stadt Blattl“ in Summe mehr als 120 Aufsätze erschienen. Die Schwerpunkte lagen auf „Glantal“ und „Stadt St.Veit“. Da ist es wahrlich an der Zeit, den geneigten Lesern einmal ein großes Dankeschön zu sagen. Danke für die zahllosen, meist positiven Rückmeldungen, für die wertvollen Anregungen, Ergänzungen und Ermunterungen, ob mündlich, ob am Telefon oder in schriftlicher Form. Viel Erfrischendes, manch Neues, das eine oder andere auch Weiterführendes habe ich so erfahren und meinem Computer-Hirn einverleiben dürfen. Immer wieder regten Texte wie Bilder die Phantasie und das Erinnerungsvermögen auf Leserseite an. Hieß es einmal, „da ist ja mein Großvater drauf zu sehen, der Straßenmeister von 1929“ so kam es ein andermal zu willkommener textlicher Erweiterung des Wissensstandes. Erstaunlich dabei immer wieder, von woher überall Reaktionen eingingen, ob von Völkermarkt, Klagenfurt, Villach oder von Klein St. Paul!
Mit dem letztgenannten Ort wäre ich wohl bei einem der eifrigsten und liebenswürdigsten Vertreter meiner Fun-Gruppe angelangt. Namen nenne ich keine, denn Datenschutz geht heute über alles. Aber liebe Anekdoten und kleine Mitteilungen verdienen es, hier wiedergegeben zu werden.
Jetzt also kurz zurück zu Doktor Lemisch! Mein schon hoch betagter Gewährsmann, (Jg. 1926) von beneidenswerter geistiger Frische und mit einem Briefstil, der so manchen Mittelschüler von heute in den Schatten stellen könnte, war noch ein armes Schulbübchen. Man lebte draußen an der Wimitz, wo heute wohl noch die alte Mühle steht, vom ehemaligen Wohnplatz seiner Familie, es war das Sägewerk des Herrn Lemisch, aber nur noch bescheidene Mauerrest zu sehen sind. So arm die Zeiten und Verhältnisse einst waren, für die Kinder war das Sägewerk, das dazu gehörige Gerinne sowie ein fischreiches Gewässer für Vergnügungen in freier Natur stets attraktiv.
Beim Kölnhof gab es einen sogenannten Hunds-Bua. Was zu dessen Pflichten gehörte, werden wir gleich erfahren, denn eines Tages trat der Herr Doktor mit Fragen an die spielenden Kinder heran. „Habt Ihr den Hundsbuben heute schon gesehen?“ Ja, man hätte ihn schon gesehen. „Was hat er denn getan?“ Die Antwort „Er hat die Hunde in der Wimitz drin gewaschen“ war den Fragesteller eine Fünf-Schilling-Münze wert! Man stelle sich vor, fünf Schilling bedeuteten in den dreißiger Jahren für Kinder ein kleines Vermögen, dementsprechend groß auch die freudige Überraschung, so groß, dass man sich 80 Jahre später noch daran erinnerte. Von Lemisch weiß man, dass er manchmal großherzig handelte, es kann aber auch sein, dass er sich beim Anblick der Kinder daran erinnerte, welch geringen Lohn sein Sägemeister damals bezogen hat.
Wie sich ein Arbeitsunfall manchmal auch segensreich auswirken kann, beweist der nächste kurze Bericht. Als man aus purer Liebedienerei und wohl auch mit böserer Absicht, das Kärntner Kanaltal den Italienern verschacherte, musste man in allen Kärntner Städten Unterkünfte, sogenannte Kanaltaler-Siedlungen (in St.Veit heute Volkssiedlung genannt)
aus dem Boden stampfen. Wank und Tauche, die St. Veiter Baufirmen bildeten dazu eine Arbeitsgemeinschaft. Unser Erzähler hatte als junger Mann dort mitzuarbeiten, stürzte mit einer Schiebetruhe vom Gerüst und brach sich eine Hand. Als bald nach der Genesung das Arbeitsamt rief, stellte man fest, dass schwere körperliche Arbeit nicht mehr in Frage kam und beorderte ihn zum Dienst im Postamt, was er nie zu bereuen hatte. Ich vermute stark, dass er diesen glücklichen Ausgang nicht allein dem Unfall sondern auch dem Umstand verdanken hatte, dass er einst ein ausgezeichneter, ein strebsamer Schüler war. Das erkennt man auch daraus, dass ihm Stadtpfarrer Felix Fiebinger (Jg. 1879), den er heute noch in dankbarer Erinnerung hält, zur Erstkommunion einen sogenannten „Hochwasser“-Anzug schenkte. Die dreiviertel langen Hosenbeine entsprachen der damaligen Mode ärmerer Kinder von ausgesteuerten Vätern. Ausgesteuert sein, hieß damals, auf keinerlei weitere Unterstützung Anspruch zu haben.
Ein anderes Zeitkolorit enthält die folgende Kurzgeschichte: Von der Weyer-Säge wurden die Kinder, um Brot zu kaufen, zur Rassnig Mühle geschickt. Der Weg war kurz, der Einkauf bescheiden. Wenn sich die Geschwisterzahl trotzdem immer doppelt und dreifach beim Rassnig einfand, hatte das seinen guten Grund. Eine ältere Frau hatte dort ihre Freude daran, die hungrigen Seelen mit kleinen gebackenen Broten, Bosniaken hat man später dazu gesagt, zu beschenken. Originalzitate „So etwas vergisst man sein Leben lang nicht“ und „Wenn man im Gegensatz heutzutage sieht, wie viel Brot weggeworfen wird, bekommt man andere Zustände und ist entsetzt über solchen Frevel.“
Noch ein einziges Beispiel dafür, wie sich dankbare Leser von einem Aufsatz über den Unteren Platz animieren lassen: „Besagte Seilerin saß zum Unschuldigen Kinder Tag vor dem Geschäft in aller Früh mit einem dicken Mantel und einem großen Korb Semmel und teilte diese den Kindern aus, die ihr mit der Rute und einem Spruch Glück und Gesundheit wünschten. Zur damaligen Zeit eine besonders gute Tat. Neben der Seilerin gab es eine Art Büro, im Volksmund Stellenvermittlung, da es ein Arbeitsamt noch nicht gegeben hat. Daneben gab es noch den Gasthof Jiroschek, der dann einem Neubau weichen musste.“
Nicht vergessen soll sein, ein ganz besonderer Dank an dieser Stelle dem Herausgeber, Herrn Friedrich Knapp, Grafik und Druck, St.Veit, der meinen Gratis-Lieferungen auch immer wieder gratis und franko den nötigen Platz zur Verfügung stellt. Ich hoffe, auch allfällige Inserenten werden das zu würdigen wissen.
Der Verfasser fühlt sich durch Echos, wie oben teilweise mitgeteilt, reich beschenkt. Er will sich auch weiter für echte Lebensbilder/Alte Ansichten dankbar zeigen und Leser ermuntern sich ihm diesbezüglich anzuvertrauen, denn, w a s m a n s c h r e i b t , d a s b l e i b t .
Zu diesem Zwecke diesmal anstelle eines Bildes, meine volle Adresse caligraphiert, wie es heute kaum noch beherrscht wird. Der ungenannte Künstler wird sein Werk wiedererkennen. Dazu Handy Nummer 0699 11096198 und Internet Adresse walter.wohlfahrt@gmail.com
Vom letzten St. Veiter Postillion
August 8, 2011 um 15:18 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Archer Aloisia, Bahnhöfe, Bahnhof Glandorf, Carl Mayerhofer, Joas Andreas Postillion, Joas Andreas Probst, Klein St.Paul, Mayerhofer Carl Postmeister, Personenbahnhof (1912), Postamt ärarisch, Postmeister, Sophie Franzisci, Thalsdorf
„Eine andere Geschichte“ wurde letztens schon angekündigt, hier ist sie. Sie handelt vom letzten Postillion der Stadt, Andreas Joas mit Namen. Im heiligen Land Tirol, genauer gesagt in der Pfarre Strassen (Osttirol) am 8. 9. 1859 als Besitzersohn geboren, kam er über Vermittlung seines geistlichen Herrn Bruders Johann, Probst von Kraig nach St. Veit. Mit Pferd und Wagen von Haus aus gut vertraut, verdingte sich der etwa Fünfundzwanzigjährige hier als Postknecht. Schon längst hat die Eisenbahn die über Land fahrenden Postkutschen abgelöst. Weil es aber noch ein gutes Menschenalter dauern sollte, bis auch St. Veit seinen Personenbahnhof (1912) und so den direkten Schnellzuganschluss bekam, waren Reisende noch lange genötigt, sich zur Bahn in Glandorf führen bzw. dort abholen zu lassen, oder zu Fuß zu gehen. Auch waren schließlich Briefe und Pakete zwischen dem örtlichen k.u.k. Postmeister und dem Bahnhof in Glandorf immer noch per Postwagen zu transportieren.
Laut Mitteilung des Herrn Julius Dienes, Bahninspektor i.R., Graz vom 8. Juli 1952 soll in den 70er Jahren, der Postmeister Walleitner am Unteren Platz 2 ein (privates) Postamt geführt haben. Ihm folgte in den 80ern Sophie Franzisci, die schon zuvor als Postangestellte gedient hatte. Wie weit auch der nächste und letzte k.k. Postmeister, Carl Mayerhofer, dem Bürgermeister Spöck ein literarisches Denkmal gesetzt hat, neben dem eigentlichen Postdienst noch mit Fuhrwerk zu tun gehabt hatte, war vorerst nicht auszumachen. Mayerhofer wurde bei Eröffnung des ärarischen (d.h. staatlichen) Postamtes am 1. Februar 1897 wohl in den Staatsdienst übernommen, nicht aber – wie allgemein erwartet – mit der Leitung betraut. Als k.k. Postoffizial ist er schon im Jahr darauf verstorben.
Um zu Andreas Joas zurückzukehren, sei eingestanden, dass weder sein Dienstherr, noch die Dienstadresse und auch nicht die Dauer seines Dienstes als Postknecht (=Postillion) überliefert ist. Vielleicht hilft uns da aber seine Lebensgeschichte ein wenig weiter? Es begab sich nämlich eines Tages, dass er einen überaus charmanten weiblichen Fahrgast beim Schnellzug in Glandorf aufnahm. Aloisia Archer, 1870 geborene Besitzertochter aus Zensweg, kam gerade aus Graz zurück, wo ihr in einem gutem Hause all das beigebracht werden sollte, was in Zensweg eben nicht so ohne weiteres zu haben war. War es der innige Ton des Posthorns (Original siehe Foto!), war es der stattliche Postillion oder vielleicht doch nur der angesehene Herr Bruder in Kraig, kurzum, aus Andras und Aloisia wurde bald ein Paar und am 17. Mai 1896 ist man in Obermühlbach zum Altar geschritten. Das Posthorn verblieb im Besitz des Postillions, wurde jedenfalls nicht mehr weitergegeben. Das steht fest. Das museale Stück wird heute noch von Andreas Nachkommen hoch in Ehren gehalten. Zwischen Hochzeit und Ende der privaten Postmeisterei liegen knapp neun Monat. Das kann bedeuten, dass unser Postillion bei Carl Mayerhofer gedient und dass letzterer bis zum Ende den Posttransport und das Postamt in Händen hatte.
Die Brauteltern hatten in Zensweg den Besitz vlg Adam und später auch vlg Hanslwirt. Andreas und Aloisia führten das Wirtshaus so lange, bis sie Neuwirt in Klein St. Paul in Pacht nahmen. Von dort aus gelang es den beiden im Jahre 1903 sich gemeinsam in Thalsdorf anzukaufen.
Abschließend eine nette Episode, die man sich über den Kraiger Probst erzählte und die so richtig zeigt, dass sich ein geistlicher Herr von Rang einstmals keine Blöße erlauben durfte, schon gar nicht, so er aus dem heiligen Land Tirol stammte! Einmal ergab sich eine still erhoffte Gelegenheit, dass die künftige Schwägerin in der Kutsche des Probstes ein Stück hätte mitreisen können. Das Ansinnen wurde kurz und unmissverständlich mit den Worten abgewiesen „Ich kann doch nicht jedem im Vorbeifahren erklären, wer Du bist und mich dem Gerede aussetzen“. VIII/2009
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