Varia aus St. Veit des Jahres 1929

April 28, 2012 um 15:32 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Eine der Großtaten unserer Stadtverwaltung in  jüngster Zeit, ist die Schaffung eines gesicherten Archivraumes. Aktenschwund und Aktenvernichtung gehören jetzt gottlob und hoffentlich der Vergangenheit an. Auch kann man elektronisch ganz gezielt die wertvollen Bestände durchsuchen und je nach dem selbst gestellten Thema darüber berichten. Heute soll ein ganzes und dennoch kein beliebiges Jahr im Mittelpunkt stehen. Anno 1929 hat sich nämlich weltweit, gesamtstaatlich und auf dem Felde des heimischen Gewerbes so manch Bemerkenswertes zugetragen.

Als am 29.10. und gleich danach am 13.11 die Kurse an der Börse in New York mit größten Folgen für die Weltwirtschaft purzelten, war in St. Veit – vom Parteien Gezänk der  Ersten Republik einmal ganz abgesehen – noch alles in Ordnung.  Man durfte sich sogar darüber freuen, dass knapp vier Jahre zuvor die zuletzt  galoppierende Inflation durch die neue Währung ein Ende gefunden hatte. Der  Schilling besaß Goldparität und damit auch internationales Ansehen. Laut Schilling Gesetz vom 20.12.1924 entsprach ein Goldschilling dem jeweiligen Tageswert von 0,21172086 Gramm Feingold. Das war gut und schlecht zugleich. Gut, weil sich Handel und Wandel von da an endlich wieder lohnten und jeder Geldverleiher eine echte Wertsicherung hatte – schlecht , weil ein Geldnehmer nie im voraus wusste, wie viel er am Fälligkeitstag schuldig sein würde und weil schließlich Finanzhaie des In- und  Auslandes alsbald ein fragwürdiges Spiel aufzogen. Sonderbare Bankinstitute schossen aus dem Boden um bald wieder zuzusperren. In St. Veit gab es über Nacht zwei solche. Eines davon mietete sich im Haus Nr. 6 am Hauptplatz ein. Es nannte sich großspurig „Kärntner Bank“ und stellte bereits am 29.11.1926 die Zahlungen ein!  An diese kurzlebige Geldanstalt erinnert nur noch der stillose Fassadenschmuck mit Eidechsen und Kärntner Wappen (siehe Foto!).

 

                                          Ehemaliges Bank-Portal

Man versprach schnelle und sichere Gewinne  und spekulierte mit internationalen Wertpapieren! Leichtgläubige Kundschaft fand sich rasch, mitunter gar Leute, die ihr Wagnis mit Kredit finanzierten. Wie sich doch gewisse Praktiken  wiederholen!

Wer nicht schon durch Inflation zu Schaden kam, wurde jetzt sein sauer verdientes oder geborgtes neues Geld dadurch los, dass er Gaunern aufsaß, die große und rasche Profite versprachen. Der eine oder andere aus St. Veit wird wohl darunter gelitten haben, während sich die kleinen Gewerbetreibenden  größtenteils rechtschaffen und unbeirrt abmühten, auf reelle Weise ihr  Auslangen zu finden:

Am Kirchplatz 3 werkte Schlossermeister Franz Uiberlacher, ein Wiener des Jahrganges 1887. Georg Zavagyl, geboren 1891 nahe Szeged in Ungarn, Auto- und Fahrradhändler hier, erhielt am 12.2.1929 Heimatrecht.  Robert Gaube, Elektro-Obermonteur, Jg. 1879 kam gleichfalls aus Ungarn und zwar schon 1918! Wohnung und Werkstätte lagen vermutlich an gleicher Adresse, Botengasse 57. Schon aus den letzten zwei genannten Betriebszweigen erhellt, dass St. Veit mit Auto und Elektrizität in eine neue Zeit eintritt. So geht es auch sinnvollerweise weiter mit verordneten Taxi-Standplätzen, am 6.5. aber auch mit einer Autobus-Demonstration gegen Bahnlinien! Gemeint ist hier nicht eine Eisenbahnlinie, sondern die geplante Schaffung von Bahnbuslinien. Die Gemeindevertreter bleiben hart und die Demonstranten werden enttäuscht.  Immerhin hat Josef Trampitsch schon eine Konzession für Personentransporte mit   e i n e m Kraftwagen auf der Strecke Klagenfurt-St.Veit-Friesach-Bad Einöd. Sein Standort war allerdings Friesach, Hauptplatz 54. Josef Albl wird die Taxi-Konzession  mit Standort Hauptbahnhof erteilt. Auf Ferdinand Spörk folgt in diesem Jahr Maria Spörk als Konzessionsinhaberin eines „Personenwagens zu jedermanns Gebrauch“ (Taxi) und dem Recht, am Hauptplatz vor dem Gasthof Post und am Personenbahnhof Kunden aufzunehmen und Viktor Brugger  wird der Lokalbedarf für die Linie St.Veit-Brückl-Eberstein-Mösel-Hüttenberg bestätigt. Im Grund war dies ein Kampf Privat gegen Staat. Wo es Kraftfahrzeuge gibt, sollte es auch Tankstellen geben, klar.  So beantragte zeitig im Jahr die Creditul Minier, Österreichisch-Rumänische Erdöl Vertriebsgesellschaft, Klagenfurt vor dem Gasthof Sommeregger am Unteren Platz eine Zapfsäule aufstellen zu dürfen. Dazu gibt es zuerst ein Nein, dann doch noch ein JA der Gemeinde. Schließlich wollen noch andre Benzin verkaufen.  Albert Kanatschnig bekommt auf Namen der Firma Rumwolf eine provisorische Genehmigung, für die Benzinzapfstelle (maximal 1.000 kg) vor seinem Haus in der Friesacher Vorstadt. Ä´

Groß ist die Zahl der Neuanfänger. Der Oma Nährstoffgesellschaft mit den Teilhabern Pippan, Knaus und Verdino OHG wurde der Gewerbeschein für das freie Gewerbe der Erzeugung von kosmetischen Artikeln, Nährmitteln und diätetischen Getränken mit dem Standort in der Friesacher Straße ausgestellt. Ebenso dem Albin Torker für sein Schuhmachergewerbe in Kirchgasse Nr. 81. Den Fleischhauern geht es sichtlich besser. Sie können investieren. Etwa wird Konrad Pfandl am Unteren Platz 3 ein Fleischausschrottungslokal genehmigt und dem Alfred Pfandl Villacher Vorstadt 2 die Errichtung einer Kühlanlage. Da kann Fleischhauermeister Max Rainer nicht nachstehen. Auch er bekommt seine Kühlanlage. Der Müller Johann Karnassnig, Völkermarkter-Straße 41 darf ab sofort Schwarzbrot backen während die Gösser Brauerei  einen elektrischen Aufzug zur Beförderung der Bierfässer in den Keller hinab und herauf bewilligt bekommt. Viel haben die Gemeindemandatare zu prüfen, zu beschließen und zu genehmigen. Sägewerkbesitzer Eduard Eberhard möchte eine Spreiselsäge aufstellen. Stefan Hauner möchte ein Gastgewerbe in der Kaserngasse, welches bislang Frau Franziska Gratzer pachtweise inne hatte, auf seinen Namen geschrieben haben.  Nicht weniger als sage und schreibe sechzehn St. Veiter Gastwirte beantragten 1929 Wiesenmarkt-Lizenzen! Im Juni hingegen waren es nur zwei, die anlässlich des Viehmarktes ihr Schankgewerbe verlegen wollten. Für den 23. Juni war nämlich auch ein Trabrennen angesetzt und ein Monat davor ein Motorrad-Rennen auf der Trabrennbahn, wofür sich Gastwirt Viktor Leitgeb ein exklusives Schankrecht zu sichern verstand. Schon sofort zu Jahresbeginn vergewisserte sich Anton Scharf, im Laufe des Jahres am Kinderspielplatz in der Marktstraße das freie Gewerbe des Einstellens von Fahrrädern, Motorrädern und Kraftwagen ausüben zu können. Womit wir das Zeitalter der Vollmotorisierung zumindest einmal eingeläutet bekommen hätten. Auch Anna Schorn war zeitlich dran mit der Eröffnung eines Handelsgewerbes für Galanteriewaren aller Art, Rauch- und Schreibrequisiten, Papierwaren, Ansichtskarten, alles am Oberen Platz 96. Engelbert Seiser  erhielt die Berechtigung, am Standort Friesacher Vorstadt Nr. 42, Parzelle 959 das Putzen von Schuhen öffentlich auszuüben. Der Arme hatte dafür zehn Schilling Verwaltungsabgabe und zwanzig Schilling Stempelmarke auf die Konzessionsurkunde zu berappen.  Am 1. August ersuchte Johann Kogelnig um Erweiterung der ihm schon 1927 genehmigten Badeanstalt indem der bestehende Teich, welcher angeblich schon seit 1924 als Badeteich genehmigt war, nach Norden hin vergrößert werden sollte. Ende 1929 bekam  Hans Rauter den Gewerbeschein für den Handel mit Radioapparaten und einschlägigen Artikel n. Viktor Rom, Friseur- und „Raseurgewerbe“  Klagenfurterstraße 106 und Nachbar Thomas Schwarz, ein Ferlacher Jg. 1896, Gewerbe für Feuerwerksmaterial und Feuerwerkskörper – vermutlich ergänzend zum schon bestehenden Waffenhandel gehören eigentlich schon in das Jahr 1930.

Viel gäbe es noch zu berichten, etwa über Geschäftsinhaber, deren Zeit 1929 aus Alters- oder anderen Gründen abgelaufen war,  aber auch über bemerkenswerte Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand. Eine allgemeine Aufbruchsstimmung war zu Jahresbeginn durchaus vorhanden, nur wurde diese leider durch das weitere Weltgeschehen bald völlig zunichte gemacht. Walter Wohlfahrt  Aus Fritz Knapp´s Stadt Blatt´l                                                                                                                                                                                

 

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Frohe Botschaften vom Oberen Platz

August 9, 2011 um 18:01 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Dafür sorgt diesmal ein einziges Haus mit der Hausnummer 6. Ehe die guten Nachrichten der Reihe nach aufgezählt werden, noch ein paar Anmerkungen zum alten Bestand. Über Generationen saßen hier die Haller, Lebzelter und Wirtsleute. Die Sippe der Haller hatte verschiedene Gewerbetreibende aufzuweisen. Da auch am Unteren Platz ein anderer Haller Geschäft und Behausung hatte, hieß das Haus Nr. 6 „der Obere Haller“ bzw. später Gasthof zur Post. Das heißt, dass genau hier die Postkutschen ankamen oder abfuhren. Wie gemütlich mag es in der Postkutschenzeit hier zugegangen sein? Wie kurzweilig, in der „Post“ zu sitzen um auf Ankunft oder Abfahrt bei einem Gläschen Wein zu warten? Laut steuerlichem Einbekennen von 1753 diente genau ein Viertel des Gebäudes dem eigenen Gebrauch, ein weiteres Viertel der Vermietung und die Hälfte war angeblich unbesetzt. Ließt man das richtig, dann war der Hausherr mit seinen Gewerben allein in den ebenerdig gelegenen Gewölben untergebracht während darüber einmal Arztpraxen, ein andermal Behörden oder Privatmieter unterkamen. Der Arzt Dr. Franz von Widmayersfeld, verheiratet mit Isabella, einer geborenen Rainer-Harbach starb 1796 in diesem Hause. Anderseits findet sich die Grabplatte eines Haller eingemauert in einem Wochenendhaus nahe Schloss Taggenbrunn.

Auch an das einstige Gesundheitsamt –  im Nachbarhaus – erinnern sich noch Zeitgenossen mit Graus! Und warum? Weil man ihnen hier zu Kriegszeiten Lebertran verabreichte. Als im Jahre 1898 der letzte Haller an den Kaufmann Raimund Rainer verkauft hat, war der seit dem Stadtbrand von 1829  beschädigte zweite Stock nur als Dachboden nutzbar. Erst Rainer hat das Obergeschoß wieder bewohnbar gemacht.

 Jetzt aber zu den drei Freuden, die mit dem kurz zurück liegenden Erwerb des Hauses durch Glan Real eng verbunden ist.  Erstens bekam die Hausfassade einen schönen neuen Anstrich. Der etwas deplacierte Schmuck mit Ornamenten und Kärntner Wappen stammt aus den letzten Zwanzigern. Da nisteten sich dort für kurze Zeit Bankspekulanten ein. Sie gaben sich den stolzen Namen „Kärntner Bank“ und hatten es in der kurzen Zeit Ihres zweifelhaften Wirkens nur darauf abgesehen, einigen leichtgläubigen St.Veitern die guten neuen Schillinge aus der Tasche zu ziehen…..  Wie sich doch die Bilder gleichen, könnte man nach den jüngsten Bankturbulenzen ausrufen!

 Zweite Freude. Auch im Inneren wurde viel verschönert und wer geschäftlich mit dem Realitätenbüro zu tun hat, kann sich leicht davon überzeugen. Bemerkenswert bleibt nach wie vor – nur jetzt bedeutend leichter zu besehen – die achteckige zentrale Säule, auf die sich alle Gewölbe abstützen, mit logischer Fortsetzung im ersten Stock, wo leider schon vorher einige Bögen durch Flachdecken ersetzt worden sind. Die neue, beidseitige Zugänglichkeit zur Mittelsäule lässt auch wieder klar erkennen, dass es sich dabei um ein römisches Relikt aus blau gebänderten Kraiger Marmor handelt. Von Innen zugänglich gibt es dazu auch eine perfekte Legende, von Dozent Dr. Gernot Piccottini. Es soll einmal eine Zeit gegeben haben, wo man die Schuldkinder dort hin führte!

 Weil aber heut zu Tage alles leichter sein muss, hat lobenswerterweise gerade ein neuer Italiener dort sein Restaurant aufgemacht. Es ist im Moment noch ein bisschen überlaufen. Doch das wird sich wieder legen und dann kann man ganz gemütlich bei Macchiato oder Cappuccino einen genussvollen Blick (siehe Foto!) auf dieses Altertum werfen, womit schlussendlich auch die dritte Freude des Oberen Platzes ausgeplaudert wäre.      I/2011

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