Wo war des Scharfrichters Haus wirklich?
Juli 30, 2011 um 19:48 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Franzosen, Hans Leitgeb, Johann Pippenbacher, Kasern, Kurpfuscher, Laibach, Scharfrichter, Schätzleute Radweger und Baumgärtl, Simon Grabuschnig
Es ist bekannt, daß der kaiserliche Scharfrichter unbeschadet der Tatsache, daß Klagenfurt St.Veit den Rang als Kärntens Hauptstadt schon seit langem abgenommen gehabt hatte, noch immer von der einstigen Herzogsstadt aus, seinen Dienst versah. Im Jahre 1809, gerade während die Franzosen durchmarschierten, verstarb in seiner Behausung in St.Veit der Scharfrichter Martin JAKOB. Sein Sohn Josef, um 1797 in St.Veit geboren, hielt sich 1823 in Laibach, vermutlich bei einem Onkel namens Anton JAKOB, Scharfrichter ebendort, auf und wurde der Kurpfuscherei bezichtigt. In einem Protokoll von 1829 gab er neben dem Nationale auch an, seine Mutter würde noch in St.Veit leben, wo genau, wird nicht gesagt.
Der Magistrat St.Veit antwortet jedenfalls auf eine diesbezügliche Anfrage aus Laibach, wo jetzt schon die für Kärnten zuständige, von Napoleons Gnaden eingesetzte, von den siegreichen Habsburgern aber beibehaltene Landesverwaltung bis 1848 ihren Sitz hatte –
„Ja, über den Josef JAKOB gab es nie Beschwerden, er war hier sogar sehr geschätzt und ist nie wegen Kurpfuscherei aufgefallen……. St.Veit, am 6.3.1823.“
Wenn man die wenigen Notizen richtig interpretiert, war schon 1814 die Rede von einer „Übersetzung“ d.h. Verlegung des Scharfrichter Amtes nach Laibach. Es waren jedenfalls dorthin die Bedingungen des Dienstverhältnisses, von 1809 bis etwa 1813 auf den noch sehr jungen Sohn Josef bezogen, wie folgt zu melden: „Freie Wohnung im Scharfrichterhaus des Ärar (= im Staatsbesitz), 400 Gulden fixe Besoldung nebst Teuerungszuschuß“. Vielleicht hat der vaterlos gewordene Josef schon gespürt, daß er voraussichtlich nur noch in Laibach mit weiterer Ausübung seines Berufes rechnen und bis dahin bei seinem Onkel, ebenfalls Scharfrichter, mitwirken kann. Die Anschwärzung wegen Kurpfuscherei zielte vielleicht auf seine möglichen Chancen in Laibach ab?
Ebenfalls 1814 kommt es zur Klärung zwischen Stadt und Ärar hinsichtlich der Eigentumsrechte. Nicht die Stadt, der Staat besitzt das Haus und damit dies ein für allemal klar sei, wird eine Aufsandungsurkunde verfaßt und das Anwesen in die ärarische Landtafel eingetragen. Die dabei obligate Grenzbeschreibung sagt aus, daß an einer Seite des Simon Grabuschnig Haus, an anderer das Haus des Hans Leitgeb und nach hinten das Haus des Johann Pippenbacher liegt.
1820 ist von einer Vermietung für sechs Monate die Rede. Daß ein staatliches Interesse an diesem Hause aber nicht mehr gegeben ist, geht daraus hervor, daß am 8.4.1820 die Schätzleute Valentin Radweger, Maurermeister und Johann Baumgärtl, Zimmermeister eine Schätzung und Liegenschaftsbeschreibung zwecks öffentlicher Feilbietung vornehmen. Das Gutachten hat folgenden Wortlaut:
Das in der Stadt hier, hinter der Kasern im 12 Boten Gassl sub No 60 befindliche ärarial Scharfrichterhaus ist gemauert, mit Schindel eingedeckt, besteht aus einem Stockwerk und enthält im Erdgeschoß einen gewölbten Keller, eine gewölbte Vorlaube, ein gewölbtes Zimmer ohne Ofen, zwei Holzgewölbe, einen kleinen Hof und in demselben eine gewölbte Stallung auf zwei Kühe oder Pferde, im Stockwerk einen gewölbten Vorsaal, zwei mittelmäßige Zimmer, eines mit Stukkatur das andere mit Sturzboden, zwei Kammern, zwei gewölbte Küchen und ein Speisgewölb (Vorratsspeis) welches Stockwerk mit Estrich überschlagen ist. Das Mauerwerk befindet sich meistenteils in gutem, das Dach im mittelmäßigen Zustande. Weil das Haus nicht von neuerer Bauart, auch klein und an einem abgelegenen Posten ist wird der Wert mit 280 Gulden angesetzt.
Noch im November desselben Jahres wird die gedruckte Kurrende vom 26.10. kundgemacht.
Soweit alles aus Landesarchiv für Kärnten, Bestand Stadt St.Veit, Faszikel 27 bis 29.
III/2007
Das Siechenhaus in der Herzogstadt St.Veitit
März 11, 2011 um 17:30 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: "Armenpichs", Almosen, Aussatz, Bürgerbuch, Bruderschaft, Dr. Michael Rauchensteiner, Flurnamen, Franziskaner, Grundbuch, Johann Pippenbacher, Johann Wahrheit, Kloster der Clarissen, Konrad von Auffenstein, Landes-Siechenanstalt, Lepra, Meierei Siechenhaus, Privatgilt, Schießstatt, Schloß Weyer, Siechen, Simon Oberlercher, Sonnleiten, Steuerbuch 1819, Volkskrankheit, Zehentregister von 1612
Der Aussatz (Lepra), einst eine weit verbreitete Infektionskrankheit, wurde durch die Kreuzzügler nach Europa eingeschleppt und stellte insbesondere für die damals noch jungen Städte und deren Sanitätsverhältnisse eine große Herausforderung dar. Um dieser Volkskrankheit, die im 13. Jhdt. ihren Höhepunkt erreichte, Herr zu werden, ging man daran, die erbarmenswerten Individuen total zu isolieren. Die Erkrankung dauerte in der Regel acht bis zehn Jahre und führte unweigerlich zum Tode. Bis auf wenige Rückfälle da und dort, kann man davon ausgehen, daß die Seuche zu Ende des 17. Jhdts. auf Grund der an sich unmenschlichen Aussperrung der Leprosen doch allmählich im Abklingen begriffen war. Über den Gegenstand heißt es im Österreichischen Staatswörterbuch 1) daß „Siechen- und Versorgungshäuser (für) Unheilbare, Ekelerregende, letztere von Straßen und Versammlungen ausgeschlossen, gemäß Hofkanzleidekrete vom 27.8.1773 und 7.10.1784 in den meisten politischen Bezirken nach Unterbringung und/oder Verpflegung sehr verschieden gehandhabt werden“.
Das Vorhandensein eines frühen Siechenhauses in St.Veit ist nicht die Frage, eher schon seine Lokalisierung, der Zeitraum seines Bestandes sowie Form und Träger eines solchen Sanitätsbetriebes. Die erste Nennung 2) im Jahre 1330 spricht von der Stiftung eines Jahrtages und dabei von der Überlassung einer Wiese unter dem Siechenhaus an das Kloster der Clarissinnen, deren Einzug in das drei Jahre zuvor von Konrad von Auffenstein errichtete Kloster 1326 erfolgte. Ein Zusammenhang mit dieser Klostergründung liegt nicht nur zeitlich sehr nahe.
1464 verkauften die Eheleute Kaltenhauser dem Spital u.a. eine Wiese vor den Siechen. 3) Dieses (Bürger-)Spital, wie das kurzlebige Hofspital zu Anfang des 17. Jhdts. waren gesonderte Einrichtungen und sind mit dem Siechenhaus nicht gleichzusetzen. Wie weit das spätere Armeninstitut St.Veit hier nachfolgte, ist noch unerforscht und die Quellenlage dazu auch im Pfarrarchiv noch nicht ausgeschöpft .4) Das Bürgerbuch der Stadt St.Veit 1564-1884 5) nennt 1774 erstmals eine sogenannte „Armenpichs“, was vielleicht auf ein gerade erst geschaffenes Armeninstitut hinweist.
Damit wäre zwar der Altersnachweis für das Siechenhaus geliefert, aber noch nichts zu dessen genauer Lage gewonnen. Hier muß eine inzwischen verschollene, Dr. Michael Rauchensteiner (1922-2005) aber noch zugänglich gewesene St.Veiter Geschichtsquelle genannt werden, und zwar das „24 Seiten starke Zehentregister von Schloß Weyer aus 1612“. Ein glaubwürdiger Auszug daraus mit Maschine geschrieben liegt vor. Im Abschnitt „Weyerischer Boden“ heißt es nach Anführung vieler anderer zehentpflichtiger Ertragsflächen einmal „Beim Siechenhauß undter den Sädln außerhalb der Vorstadt ein Acker………“, dann „Mer an diesem Acker ein Stuck….“ und schließlich „Unterm Siechenhauß ein Acker…….“ In Verbindung mit dem Steuerbuch der Stadt St.Veit von 1819 6) werden nun auch die Angaben von 1612 stimmig . Im Steuerbuch scheinen nämlich neben den Häusern der Innenstadt und Vorstädte auch noch Flurnamen, und diese mit sämtlichen Grundstücken auf. Jetzt gibt es sehr wohl eine ganz bestimmte Reihung, die weiterhilft. Von der Flur Schießstatt, über die Flur Sonnleiten geht es geraden Weges zur Flur Siechenhaus und weiter zur Flur Schelmengasse. Unter „Flur Siechenhaus“ werden Grundstücke und deren Eigentümer angeführt wie folgt:
Wiese in Siechenhaus(flur) zum Stadtpfarrhof gehörig; Garten dort des Franz Lebmacher; Acker beim Siechenhaus, Stadtpfarrhof; Acker in Siechenhaus(flur) Stadtpfarrhof; detto des Simon Oberlercher; detto des Johann Wahrheit; Acker am Tonfeld des Johann Wahrheit; Acker im Siechenhaus(flur) des Johann Pippenbacher; detto 4mal der Schuster- und Lederer Bruderschaft. Die dabei vorkommenden Nummern bezeichnen nur Wohnadressen der Besitzer, irgendwo in der Stadt und sind ohne Bedeutung. Wohl aber könnte man schließen, daß das Siechenhaus zu jener Zeit, wenn schon nicht mehr selbst, so doch in der Erinnerung noch bestanden hat. Die weitgehendste Deckungsgleichheit mit dem Katasterblatt von 1829 und den dort vorkommenden Parzellennummern (Abb. 1 und Abb. 2), gibt endgültig Klarheit darüber, daß die „Flur Siechenhaus“ grob gesagt zwischen der Friesacher Straße im Westen und der Bahnhofstraße im Osten, seitlich von der Kölnhofstraße bzw. Kanalgasse begrenzt, gelegen ist. Und nicht nur das, auch zwei Hausmarken ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich. Das Holzgebäude (gelb) auf Parzelle 954 mit Baufläche 234 an der Friesacher Straße (Abb. 1, Pfeil nach unten!) einerseits und auf Parzelle 982 das massive Gebäude (rot) mit Baufläche 241 (Abb 1, Pfeil nach oben!) anderseits. Die Gründe dazwischen waren, von wenigen Häusern in Stadtnähe abgesehen, 1828 noch gänzlich unverbaut.
Warum sind diese zwei Gebäudemarken von Bedeutung? Weil aus 1842/47 ein Schriftwechsel zwischen einem gewissen Simon Oberlercher, Gastwirt in St.Veit und der Bürgerlichen Privatgilt vorliegt.7) Darin begehrt Oberlercher zu seinen bereits erhaltenen zwei „Terrain-Gründen“ unter Hinweis darauf, daß er gerade die Siechenhaus Meierei käuflich an sich gebracht hat, einen weiteren „Terrain-Grund“. Dieser Terminus bezeichnete jene Acker- Wiesen- oder Gartenparzellen, welche die Bürgerliche Privatgilt im Namen der Bürgerschaft verwaltete und von Zeit zu Zeit neu zuteilte. Das erwähnte Ansuchen wird seitens der Privatgilt abgelehnt und so begründet, daß für die
Meierei Siechenhaus nicht einmal (mehr) ein Gebäude besteht. Dies hält den Oberlercher nicht davon ab, im Jahre 1847 noch einmal vorstellig zu werden und dabei auszuführen „Ich glaube daß ein Bürger wenn er durch ein Unglück heimgesucht wird, eher Berücksichtigung als Kränkung verdient, wie dieses der Fall bei mir ist, weil mir das Meierei Gebäude abbrannte…..“ Ein solches Brandereignis kann wohl nur mit dem letzten Stadtbrand von 1829 gemeint gewesen sein. Daraus ergibt sich, daß die einst zum Unterhalt der Aussätzigen gediente Siechenhausmeierei schon längst nicht mehr den alten Zweck zu erfüllen hatte und es auch das Siechenhaus seiner Art nach nicht mehr gegeben hat. Dieses hölzerne Gebäude Baufläche 234, welches das einstige Siechenhaus gewesen sein müßte, stand 1841 laut Parzellenprotokoll im Eigentum des Kaspar Rottmann und trug die Hausnummer 198. Auch die bekannten Stadtansichten von Osten her aufgenommen, einmal die ältere von Runk-Ziegler (Abb. 3) innerhalb des roten Rasters die Lage des Siechenhaus-Flurs, zum andern jene von Markus Pernhart (Abb. 4) zeigen mehr oder weniger deutlich, das einfache Holzhäuschen an der Ausfahrt Richtung Friesach. Dafür, daß ein St.Veiter Siechenhaus schon vor 1800 nicht mehr in Gebrauch war, spricht vielleicht der Entwurf einer Gemeindeordnung für Kärnten von 1848. Dort heißt es im § 55 über den Wirkungskreis der Gemeinden unter lit. r, den Gemeinden habe die Aufsicht und Erhaltung u.a. von Armenhäusern zu obliegen. Von Siechenhäusern ist nicht die Rede.
Durch Wegfall der schwersten Fälle konnte das Siechenwesen vermutlich bald zur Landessache gemacht werden. Am 16.1.1863 wurde z.B. der Beschluß zur Überleitung des Klagenfurter Gemeinde-Siechenhauses in eine Landes-Siechen-Anstalt gefaßt .8) 1914 kam es bekanntlich zur Eröffnung des Neuen Siechenhauses, Heil- und Pflegeanstalt, Klagenfurt, Krassnig Straße und 1959 zur Umbenennung in „Landespflegeheim“
Dies sei erwähnt, um den allmählichen Wandel von der Isolierung der Aussätzigen hin zu menschenwürdiger Pflege der Hilflosen und Alten anzudeuten. Was heute die Allgemeinheit mit Selbstverständlichkeit trägt, haben anfänglich – jedenfalls in St.Veit – die Clarissinnen, danach höchstwahrscheinlich die Franziskaner auf sich genommen. Wie eingangs gezeigt, wurde die erforderliche materielle Basis durch fromme Stiftungen geschaffen und die nötige Hilfe durch Werke tätiger Nächstenliebe geleistet. Auch war zu jener Zeit das Almosen geben eine selbstverständliche christliche Tugend und Almosen zu empfangen, kein Unwort wie heute. Mit der Klosterauflösung in Josefinischer Zeit könnte das Siechenhaus und/oder Armeninstitut noch eine gewisse Frequenz aufgewiesen haben, weshalb die dafür gewidmeten Gründe später zum Besitztum der Stadtpfarrkirche geschlagen worden sind .9)
Bei Anlegung des modernen Grundbuches um 1878 heißt es zur Parzelle 959 zwar noch ausdrücklich „im Ried Siechenhaus“ gelegen. Die obgenannten Bauflächen für das vermutete Siechenhaus und die sichere Siechenhausmeierei finden jedoch, als nicht mehr existent, im neuen Grundbuch keine Aufnahme mehr. Dem dadurch verursachten Vergessen einer jahrhundertealten städtisch-kirchlichen Institution möge mit diesem Aufsatz entgegen gewirkt werden.
1) Ernst Mischler und Josef Ulbrich, Wien 1896, 2.Band 1.Hälfte S 117 Lit V
2) KLA Allgemeine Urkundenreihe C 216 1330-12-23
3)KLA wie vor A 1132 1464-07-02
4) Bestände zwar inzwischen im Diözesanarchiv, jedoch noch nicht aufgestellt!
5) KLA, Stadt St.Veit HS Sign.2 und 2a
6) KLA Stadt St.Veit, HS Sign. 519a
7) Stadtarchiv St.Veit, Karton 8, Fasz.23, Nr.3 und 4
8) Olexinski, Armen- und Krankenpflege, Bibliothek Landesmuseum , Sign. II/2307
9) Zirkulare an alle Bezirksobrigkeiten, Pfarren und Curatien wegen genauer Vorlage der Armen-Instituts-Ausweise Kreisamt Klagenfurt vom 25. Sept. 1835
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