Stadt St. Veit vor 70 Jahren

Juli 11, 2015 um 16:14 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Weltweit erinnert man sich in diesen Tagen – doch was geschah hier bei uns?

Man schrieb das Jahr 1945, ein warmer Frühling kündigte sich an, die Natur zeigte sich im schönsten Kleid, ganz ungeachtet der menschlichen Drangsal rund um. Auf Häuser, Wälder, Wiesen und Auen strahlte die Sonne, als wäre der Welt überhaupt nichts Arges geschehen. Und doch, ein mörderischer Weltkrieg neigte sich – zumindest in unseren Breiten – langsam aber bestimmt seinem Ende zu.

Die Landstraßen waren von Pferdefuhrwerken verstopft. Darauf saßen geängstigte Leute mit  ihren zusammengerafften Habseligkeiten. Sie sprachen ein schwer verständliches Deutsch und kamen von weit her. Die Gegend, von ihnen zuvor hunderte Jahre bewohnt, war auf einmal von einem furchtbaren, einem rachsüchtigen Feind bedroht. Es gab kein Halten mehr, nur die Flucht nach Westen. Wehrhafte Männer waren kaum  darunter, die waren irgendwo an der Front, vielleicht schon tot. Nur alte Männer, Frauen und Kinder bildeten den endlosen und traurigen Zug.

Es dauerte keine Wochen, da kamen ganz  fremde Besucher ins Land. Überall wo sie mit Waffen drohend auftauchten, nannte man sie die Tito Partisanen. Nur wenige Tage währten ihre gefürchteten Streifzüge. Auch in der Stadt waren plötzlich rote Sterne auf manche Hauswände gepinselt und einige St. Veiter taten gut daran getan, lieber nicht zu Hause zu sein. So forsch wie in Klagenfurt, wo immerhin Verschleppungen auf Nimmerwiedersehen vorgekommen sind, war man  in St. Veit Gott Lob nicht. Es ist den Eindringlingen nämlich die Zeit knapp geworden.

Von Italien her näherten sich mit Windeseile die nächsten, die zweiten Besucher. (Sie sollten zehn Jahre lang bleiben!) Diesmal waren es Engländer oder Tommys, wie man sie auch nannte, und sie waren sogar heiß ersehnt und hoch willkommen. Schwerstes Kriegsgerät versetzte sie in die Lage, jeden Wiederstand zu brechen und auch den Tito-Truppen zu zeigen, dass sie hier nichts und schon gar nichts zu suchen haben. Am St. Veiter Hauptplatz wurden all sogleich große Geschütze aufgeprotzt (wie auch in Klagenfurt), deren Läufe nicht von ungefähr in Richtung Südgrenze gerichtet waren.

Tommies

Bildtext: Diese Gruppe logierte beim alten Kino Jäger in der Villacher Straße. Man beachte die volle Adjustierung und das tägliche Antreten samt Waffe und Munition.

Man muss wirklich lobend hervorheben, dass die englische Regierung für Kärnten einen Plan hatte und willens war, von den Grenzen des Jahres 1918 kein Jota abzuweichen. Überall auf freiem Felde wurde von ihnen demonstrativ Munition gestapelt und mit Wellblech provisorisch eingehaust. Es sah aus, als würde man vorsorgen, falls irgendwer nicht an den vereinbarten Linien stehen bleiben sollte. Englische Mannschaften lagerten zunächst in Zelten,  es könnte ja jeden Moment wieder weiter gehen. Die unerbittliche Haltung eines Premierministers  Churchill zeigte Wirkung. Später nachdem sich die weltpolitischen Spannungen gelöst hatten, wurde die kämpfende englische Truppe von neuen, von jungen Besatzungssoldaten abgelöst. Nach Jahr und Tag erfuhr man von englischen Munitionsdepots, die klammheimlich in Wäldern und abgelegenen Gegenden Kärntens für den Fall des Falles eingerichtet wurden. Zum Plan der westlichen Siegermächte gehörte neben der Grenzsicherung noch die Schaffung einer Militärregierung als Übergang zur künftigen Zivilverwaltung. Was für Hartgesottene totale Niederlage, war für den Rest ein Hoffnungsschimmer von Frieden und Freiheit, wenn auch noch eine Zeit lang voll Mangel und Not. Gelegenheiten zur Vernaderung, für Anzeigen und zur Begleichung sogenannter Alte Rechnungen wurden selten ausgelassen. Ein wenig ließen die Tommys uns St. Veiter schon spüren, dass wir den Krieg verloren hatten. Für den nahen Winter wurden neben Heizmittel, auch festere Unterkünfte gebraucht. Man nahm, wo man es fand, schlagbares Holz und Wohnraum. Fürs erste waren Mannschaften und Stäbe unter Dach zu bringen. Bereitwillig verzeichnete die provisorische Zivilverwaltung, in Listen alle Nationalsozialisten – deren es in der Stadt nicht wenige gab  –  mit genauen Adressen und Wohnverhältnissen. Die Folge davon waren die zunächst wenig beliebten Einquartierungen von Engländern, später auch von Flüchtlingen.  Wer nicht schon zuvor Ausweichquartiere gefunden hatte. musste jetzt zusammenrücken und Platz machen.  An die 53 Haushalte hat man geprüft und 14 waren als erste betroffen, davon 3 mit ihrer kompletten Wohnung. Dr. Arthur Lemisch war wohl nicht auf der besagten Liste, aber er bewohnte immerhin ein Schloss, das den Engländern ins Auge stach. Den Umzug in das nahe Stallgebäude zog Dr. Lemisch allerdings dem Zusammenleben mit den Besatzern unter gemeinsamem Dache vor. Er war einfach zu stolz. Hätte er aber geahnt, in  welch verwahrlosten Zustande er sein Schloss wiedersehen würde, hätte er vielleicht doch anders entschieden. Stolz und feindliche Gefühle legten die St. Veiter ab, als sie merkten, dass sich bei halbwegs gutem Einvernehmen mit den neuen Untermietern sich manchmal durchaus Vorteile ergeben und knappe Lebensmittelrationen leicht aufgebessert werden könnten. Besatzungssoldaten, später auch Eingeborene, sofern sie dort in Dienste traten, hatten oft unbeschränkten Zugang zu Lebensmittel, Alkohol und vor allem zu Zigaretten für den Schleichhandel!

NS-Prominenz, soweit nicht vorübergehend untergetaucht, traf sich alsbald in den Gefangenenhäusern der einzelnen Bezirksgerichte. Erst als der Platz dort knapp wurde, entstanden Internierungslager in Ebenthal, Wolfsberg und Weißenstein, wo im Laufe des Jahres auch sogenannte Mitläufer Aufnahme fanden. Man unterschied bekanntlich zwischen Illegalen, Belasteten und Minderbelasteten. So fielen auch die Konsequenzen sehr unterschiedlich aus. Am schlimmsten traf es die höheren Grade und sogenannte Alte Kämpfer, ihnen drohten Zusatzhaft, Volksgerichtsurteile und manchmal sogar Vermögensverfall. Diese Zeiten sind lange vorbei und das ist gut so.

walter.wohlfahrt@gmail.com    (blog: https://altstveit.wordpress.com

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Gendarmen auf Wanderschaft

Juni 5, 2012 um 16:20 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Seit Einführung der Gendarmerie in unserer Stadt, also seit 1850 sind die St. Veiter Gendarmen schon mindestens zehnmal umgezogen. Im Schnitt musste alle 15 Jahre der Standort wechseln. Die letzte Adresse, Platz am Graben 1 sollte für die Gesetzeshüter und die für die öffentliche Sicherheit Zuständigen vielleicht wohl eine längere Bleibestätte sein.

Die Einführung der Gendarmerie im alten Österreich des Jahres 1850 hatte den Zweck, allen künftigen politischen und sonstigen Unruhen nach den Ereignissen von 1848/49 vorzubeugen. Der Chronist irrt, wenn er meint, es sei die Antwort auf die zuvor von den Wolscharträubern ausgegangene Verunsicherung der Landbevölkerung. Die Obrigkeit konnte wohl vorübergehend auf die neu geschaffenen Bezirksverwaltungsbehörden, keinesfalls jedoch auf die Gendarmen verzichten. Viel zu frisch waren noch die Erinnerungen an die vorangegangenen Aufstände innerhalb und außerhalb des Reiches. Die Zuständigkeit der Gendarmerie erstreckte sich ursprünglich auf den gesamten Gerichtsbezirk St. Veit. Erst viel später kam es zur Schaffung weiterer Kommanden und zwar 1.2.1891 Kraig, 1.1.1902 Launsdorf und 1.8.1911 Feistritz-Pulst (Radelsdorf). Von 1850 bis 1860 soll der Gendarmerieposten die Adresse Klagenfurter Vorstadt 26 (heute Klagenfurter Straße 49. Die Nachschau im Landesarchiv, Landtafel Tom XXII Folio 408 ergab, dass es sich dabei um die einstige Wasserleitkeusche, ganz alte Hausnummer 238 handelte und dass darauf tatsächlich ein Bestandsrecht, d.h. ein Mietrecht zu Gunsten des k.k. Aerars gemäß Vertrag vom 30.6.1854 verbüchert war. Die diesbezügliche Löschung stammt aus dem Jahr 1861. Weil die folgenden Mietverträge selten grundbücherlich sichergestellt erscheinen, wird man über deren Umfang und Lage der Räume meist nicht unterrichtet. 1860 rückte man der Stadt etwas näher um dann 6 Jahre im Rainerhaus, Klagenfurter Vorstadt 37, später Klagenfurter Straße 21 untergebracht zu sein. Ab 1866 ist man für einige Jahre am Oberen Platz. Haus Nr. 9 (Vermieter von 1860 bis 1879 war Johann Götz)  und Haus Nr. 13 (Vermieter bis 1905 war die Familie Feistl) tragen heute noch die gleichen Hausnummern. Jetzt entdeckt man in der Gendarmerie-Chronik erstmals amtlich, dass im nahen Glandorf zunächst Jäger, dann Dragoner und schließlich Husaren stationiert waren und dass es dort einen Exerzierplatz gegeben hat. Mit der Kriegserklärung an Rußland, 5.8.1914 zog das Militär von St. Veit fort um nie mehr wiederzukehren.

Zuvor schon kam es zu neuerlicher Übersiedlung des Postens in die Villacher Vorstadt Nr. 64 in das Haus von Frau Albine Lippitz (heute Sonnwendgasse 2), wo man von 1905 bis 1917 blieb. In diese bewegte Zeit fällt eine ganze Reihe bemerkenswerter Ereignisse: 1906 nahmen angeblich zwei Parteien, nämlich der Hausbesitzerverein, ein Zusammenschluss der Konservativen und als Gegenstück der Kommunalverein (klingt fast schon nach Kommunisten) ihre politische Tätigkeit in St. Veit auf. 1910 bis 1912 drückte der Bahnbau Launsdorf-Goggerwenig-St.Veit mit seinen rund 1.200 Beschäftigten aus aller Herren Länder, dem Stadtleben seinen Stempel auf. Der Gendarmeriepost war deshalb vorübergehend um zwei Mann zu verstärken. Lebhaft bedauert unser Chronist, dass der erhoffte Segen des Bahnbaues und die folgenden Anstrengungen der Stadt, sowie die großen Bemühungen des örtlichen Verschönerungsvereines um eine Belebung des Fremdenverkehrs durch den Kriegsausbruch mit einem Schlag zunichte gemacht wurden. Gallizien wurde von den Russen überlaufen, was zu einer Flüchtlingswelle unerhörten Ausmaßes führte und so trafen auch in St.Veit schon am 21.9.1914 per Güterzug 432 heimatlos gewordene Menschen ein, darunter ein Geistlicher namens Leo Biresky. Er dürfte mit der Behandlung seiner Schutzbefohlenen nicht zufrieden und vielleicht gar in Äußerungen hinsichtlich einer politischen Verantwortung etwas unvorsichtig gewesen sein. Kurzum, wegen Störung der öffentlichen Ruhe wurde er am 21.10. verhaftet. Über sein weiteres Schicksal herrscht amtliches Stillschweigen. Am 11.11.1914 erfolgte jedenfalls der Weitertransport aller Flüchtlinge in das „Konzentrationslager Wolfsberg“. Noch manch andere Arbeit wartete in diesen bedrängten Tagen auf unsere Gendarmen. Schon am 20.3.1915 kamen die ersten 200 russischen Kriegsgefangenen hier an und wurden in Hohenstein bei Pulst interniert. Mit dem Kriegseintritt Italiens gegen Österreich ergeht an die Gendarmen der Befehl, alle sogenannten „Reichsitaliener“ – und deren gibt es nicht wenige – der Bezirkshauptmannschaft vorzuführen. Diese wurden in der Folge vom Kleinkind bis zum Opapa um sie der nahe gerückten Feindgrenze fernzuhalten in Internierungslager bei Leibnitz und gar bis Burgenland abgeschoben, weil man in ihnen ein Sicherheitsrisiko zu erblicken glaubte.

Noch 1917, ein Jahr vor Kriegsende müssen die Gendarmen wieder packen und umziehen. Es geht ins Haus Villacher Vorstadt 63, seit 1929 Landstraße 8, heute Ossiacher Straße 11 bezeichnet, kurz ins Kuttnig Haus. Einem verbücherten Mietvertrag 1934 ist zu entnehmen, dass die zwei einfenstrigen Zimmer im 2. Stock, eine Holzlage, sowie die Mitbenützung von Abort und Wasserleitung den Mietgegenstand bildeten. Von hier aus tragen die Gendarmeriebeamten zusammen mit der Städtischen Sicherheits Wache Sorge dafür, dass die aufs äußerste beunruhigte Stadtbevölkerung vor den zwölf Tage lang rückflutenden Militärs so gut wie möglich beschützt sei. In Kärntens schwerster Zeit, genau vom 1.10.1919 bis 30.5.1920 beherbergt Hotel Stern in St. Veit sogar das Landes-Gendarmeriekommando, welches von hier nach Tanzenberg und erst am 25.10.1920 wieder nach Klagenfurt verlegt wird. Unter 1921 ist sowohl die Bildung des Heimatschutzbundes in St. Veit, Hörzendorf, St. Donat und Obermühlbach wie auch jene des Republikanischen Schutzbundes St. Veit vermerkt. Hier Grund- und Hausbesitzer, Bauernsöhne, Handwerksmeister, Angestellte, Beamte dort Fabriksarbeiter und vorallem Eisenbahner. Sehen die einen ihr Land, ihr Hab und Gut von außen wie von innen bedroht, so sorgen sich die anderen mehr ums Überleben der jungen Republik und um Fortbestand ihrer neuen politischen, arbeiterfreundlichen Errungenschaften. Waren die bisherigen Anforderungen an die Gendarmen nicht schon groß genug, die stärksten Herausforderungen stehen ihnen mit der Zuspitzung der innenpolitischen Verhältnisse aber noch ins Haus! Bürgerkriegsartige Zustände, Machtwechsel und Parteienverbote bis hin zu hochverräterischen Gewalttaten, all dies trug sicher nicht dazu bei, den Gendarmen einen nur halbwegs erträglichen Dienst-Alltag zu gestatten. Die hochdramatischen Geschehnisse von 1934 liegen noch keine drei Jahre zurück, da zog die Gendarmerie schon wieder um. Das Eckhaus Klagenfurter Straße 45 gehörte seit 1923 dem Verein „Arbeiterheim St. Veit“ und beherbergte Arbeiterkammer, Partei- und Gewerkschafts-Diensstellen. Dem schon angesprochenen Parteienverboten folgt für die Sozialisten alsbald der Vermögensverlust und so stand ab 1936 der „Österreichische Bundesschatz“, wenn auch als unrechtmässiger, jedenfalls als neuer Eigentümer fest. Hier wurde 1937 die Gendarmerie einquartiert und verblieb bis zum 28.2.1945, als ein Bomben-Volltreffer die neuerliche Umsiedlung erzwang. Bis 1947 dienten provisorisch freigemachte Räume im Bezirksgericht als Postenkommando. Das war natürlich eine Notlösung. Deshalb mietete man sich von 1947 bis 1960 im Hause Meisterl, Klagenfurter Straße 24 ein, von wo man dann gemeinsam mit dem Bezirks-Gendarmerie-Kommando ins Erdgeschoß des Buwog-Neubaues in der Friesacher Straße 17 umzog. Haus und Unterkunft waren damals noch von der Friesacherstraße her zugänglich, welch letztere bis zum Jahre 1983 diente.

Der Standort, Platz am Graben 1 wird voraussichtlich weit über das Jubiläumsjahr 2000 hinaus gelten und es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass den Gendarmen von nun an ein seßhafteres und friedvolleres Dasein bescheiden sein möge.

Walter Wohlfahrt in St.Veit Kommunal 1998  (umredigiert 2012)

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