St. Veit und seine Eisenbahner
Oktober 29, 2017 um 17:04 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: "Flamme", Alberer, Austrofaschismus, Automat, Bahnfahren, Bürgermeister, Doppelmonarchie, Flürgelrad, Güterbahnhof, Glandorf, Hauptbahnhof, Koalitions-Gesetz 1870, kommunistisch, Leichenbestattungsverein der Eisenbahner, Leopold Polanz, Mahnmal, Rudolfsbahn, Rudolfsbahnhof, Sabotage, Südbahn, Schandurteile, Schnellzugstation, Sozialist, Stadtpfarrer, Stellenbewerbung
Die alte Rudolfsbahn führte von St. Valentin an der Donau über Steyr-Selztal-St.Michael/Mur-St.Veit/Glan-Villach/Drau, während die Südbahn Wien-Triest von Marburg her Klagenfurt und Villach erreichte. Staatsbahn und Privatbahn hatten anfänglich „Berührungsängste“ was Klagenfurt und Villach je einen „Rudolfsbahnhof“ bescherte.
Diese Ereignisse im letzten Drittel des 19. Jhdts. waren wirtschaftlich, und erst recht bevölkerungspolitisch von ganz besonderer Bedeutung. Menschen aus allen Bereichen der alten Doppelmonarchie gerieten in Bewegung und folgten schon beim Bau und erst recht zu Betriebszwecken den neuen Schienensträngen. Davon profitierten hier bei uns Glandorf mit Schnellzugstation am meisten, St. Veit mit Haltestelle am späteren Güterbahnhof wohl weniger aber immer noch genug als neue Wohngemeinde der Männer unter dem Flügelrad. Der neue Hauptbahnhof ging erst 1912 in Betrieb und machte St. Veit endgültig zur Eisenbahner Stadt. Man höre und staune: 350 Bedienstete waren es schon einmal auf allen drei Bahnhöfen zusammen gerechnet. Was für eine Macht inklusive aller Familienangehörigen, dies zunächst noch nicht politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich sehr wohl. Das Koalitions-Gesetz von 1870 erlaubt immerhin auch schon den Arbeitern, sich zu Vereinigungen zum Schutz ihrer Interessen zu bilden. Das allgemeine Wahlrecht ist aber noch fern! Es musste erst der Weltkrieg kommen, mit diesem verbunden die Erweiterung des Güterbahnhofes. Selbstbewusstsein der Bahnbeamten lässt nichts zu wünschen übrig. Sie legen sich mit dem Stadtpfarrer an. Sie verlangen Sondertarife für Eisenbahner Begräbnisse. Man muss wohl wissen, dass es damals Begräbnisse der Klasse I bis V und entsprechende Taxen gab. Anstelle der sogenannten „Pietät“, heute sagt man
„PAX“ dazu, schufen sich die Eisenbahner einen eigenen Leichenbestattungsverein. Dieser trat mit der Pfarre in Verhandlungen. Selbstredend waren Eisenbahner die ersten in der Stadt, welche Beiträge an die „Flamme“ zahlten, d.h. die sich für eine Feuerbestattung entschieden. Das war damals noch eine ganz klare anti-kirchliche Entscheidung wenn nicht gar offene Kampfansage. Die junge Republik brachte zwar neue Freiheiten und politische Mitsprache, wenn schon nicht überall, so doch auf Gemeinde Ebene . Der erste, frei gewählte Bürgermeister war Sozialist und Eisenbahner, Leopold Polanz mit Namen, ein edler Mann. Der Austrofaschismus war danach eine deutliche Zäsur. Sport-, Musik- und andere Eisenbahner Vereine mussten sich vorübergehend auflösen oder irgendwie tarnen. Ganz schlimm sollte für die Eisenbahner die Zeit des II Weltkrieges werden, als der italienische Kriegsschauplatz immer näher rückte. Die Nervosität der Nazis nahm deutlich zu, denn die Bahnstrecke diesseits und jenseits von Tarvis für Militärtransporte war plötzlich vor Sabotage Akten nicht mehr sicher genug. Italien, inzwischen zum Feind geworden, hatte gar nicht wenige kommunistisch gesinnte Eisenbahner, von denen Ansteckungsgefahr ausgehen könnte. Man musste also alles streng im Auge behalten. Egal ob Hysterie oder begründeter Verdacht, die zur Abschreckung gesetzten Maßnahmen mit Einkerkerungen und Hinrichtungen waren maßlos überzogen. Das Mahnmal am Friedhof spricht Bände. Der Blutzoll war groß, als man am 30. 6. 1942 sieben Schandurteile in Wien vollstreckte. Es sollten noch fast zwei Jahre für die geschundene Stadt ins Land ziehen, ehe mit dem totalen Zusammenbruch endlich ein wackeliger Friede wurde. Besatzung, Notzeit und mühsamer Wiederaufbau, dieser jedoch mit wieder erstandener demokratischer Republik, folgten. Jetzt war es kein Fluch mehr, Eisenbahner zu sein. Ganz im Gegenteil! Aus diesen Reihen wuchsen wieder Bürgermeister hervor, ja sogar Bundes- und Nationalräte in nicht geringer Zahl. Nach und nach war bei Aufnahmen neben beruflicher Qualifikation immer öfter nach Parteibuch gefragt. Dazu passend der Bericht einer Stellenbewerbung um 1970. Ein junger St. Veiter hörte, dass man sich bei der Bahn bewerben könne und zögerte nicht lange. Da gab es Fragebogen, Bewerbungsgespräch, Eignungsprüfung und Aufsatz schreiben. Eine einzelne Frage hieß, „Vater Eisenbahner“? Diese musste wahrheitsgemäß verneint werden. Ob „Mutter (vielleicht) Raumpflegerin bei der Bahn“ sei, war nicht gefragt. Das hätte man zur Not bejahen können. Die Begründung der Ablehnung war kurz „Aufsatzthema verfehlt“ und mehr als fragwürdig. Immerhin hatte der junge Mann ein sehr gutes Schulzeugnis und das Thema „Der Hund ein Freund des Menschen“ war für ihn ein Allerwelt-Thema. Jetzt war guter Rat gefragt. Konnte vielleicht der Partei-Kassier raten oder helfen? Raten ja, doch helfen könne nur Personalvertreter Alois Alberer, damals vielleicht schon auf dem Sprung zu höheren Weihen. Alberer war Idealist, er hat vielen und gerne geholfen, nicht nur unserem Jüngling, der dann auch prompt aufgenommen wurde und eine herzeigbare Kariere als Eisenbahner hinlegte. Er war einer der wenigen, die mit Computer und Automatisierung keine Schwierigkeiten hatten. Automatisierung und Rationalisierungen waren sicher harte Maßnahmen, welche viel Personal freisetzten. Der Erfolg gibt den neuen Managern recht. Bahnfahren ist wieder in. Der dichte Fahrplan ist attraktiv wie nie zuvor. Gleiches gilt für die Ausstattung der Züge, für Zuverlässigkeit und Service. Gewöhnungsbedürftig ist vielleicht und insbesondere für ältere Fahrgäste dass man sich die Fahrscheine über Automaten selbst besorgen muss. Eine moderne, eine richtige Entscheidung, wenn es auch schmerzt, auf Bahnhöfen kaum noch Eisenbahner anzutreffen…….
Klagenfurter Vorstadt
Februar 20, 2011 um 13:55 | Veröffentlicht in St.Veit | Kommentare deaktiviert für Klagenfurter VorstadtSchlagwörter: Arbeiterheim, Bürgergilt, Bleiweißfabrik, Dörer, Della Schiava, Dr.Weberitsch, Eisenbahn, Erhart Kremser, Franz Puntschart, Güterbahnhof, Gleismüller, Gustav Ruprecht, Hüttenberger Eisenwerks AG, Klagenfurter Tor, Kronawitter, Leschanz, Mardaunig, Papiermühle, Prinzhofer, Schwerspatmühle, St. Johann im Erlach, St.Johanner Ort, Steinmetz, Turtltaub, Untere Vorstadt, Voraberger
Nun schließt sich der Kreis unserer Spaziergänge durch die alten Vorstädte und die letzte Runde beginnt zwischen den Häusern Herzog Bernhard Platz 10 und 11, wo sich bis 1851 stolz das Klagenfurter Tor erhob. Man nannte die Gegend auch „das St. Johanner Ort“ in Anspielung auf die ehemalige Kirche St. Johann im Erlach, oder auch einfach die „Untere Vorstadt“. Schon 1828, bei Vergabe der Parzellennummern, zeigte sich entlang der heutigen Klagenfurter Straße eine fast geschlossene Verbauung, zumindest bis hinunter, wo laut Karte die damals neu geschaffene Verbindungsstraße zum Güterbahnhof abzweigt.
Wir folgen der Klagenfurterstraße rechtsseitig, müssen aber zuvor noch berücksichtigen, daß es auch abseits davon Häuser gab, die unter Klagenfurter Vorstadt liefen. So etwa hinten am ehemaligen „Gütersteig“ – heute Prinzhoferstraße – der Meiereihof des Egydius Kaiser. Heute ist dort der Parkplatz des Spar-Kaufhauses. Der von Dr. Weberitsch (Seite 84f) hochgerühmte Wagnermeister und Fahrrad-Erfinder Erhart Kremser hatte im Hause 36 gegen den Gütersteig hin seine Wirkungsstätte. Alle übrigen Häuser stimmen mit der heutigen Situation voll überein. Es sind dies die geraden Hausnummern von 20 bis 38. Der Vorgängerbau des Prinzhofer-Hauses gehörte einem gewissen Gustav Ruprecht, ein alter St.Veiter Name. Die Häuser Dörer, Marschnig und Schorn waren in einer Hand und zwar in der von Thomas Leschanz. Das Haus knapp unterhalb des Bahnkörpers (Wabnegger) ist ebenfalls alt. Eine weitere Keusche, der Bürgergilt gehörig, ist nicht mehr auffindig. Mit dem Besitz des bekannten St.Veiter Industriellen, Franz Puntschart, erreichen wir nicht nur die alte Stadtgrenze, sondern auch unseren Wendepunkt. Puntschart besaß beiderseits der Straße vier Hausnummern, nämlich Mühle, Bleiweißfabrik, Wohnhaus und Schwerspatmühle am Bächlein, welches vom Muraunberg herunter kommt. Er war ein herzensguter Mensch, borgte jedem, der ihn darum bat und endete als armer Mann. Etwas abseits wiederum, wohl irgendwo an der Glan, gab es die Brettersäge der Antonia Kronawitter, die Schleifmühle des Anton Bischof und vor allem die alte, schon stillgelegte Papiermühle mit bereits teilweise abgetragenen Anlagen. Das in seiner Gründung auf die Familie Gleismüller zurückzuführende Werk an der Glan befand sich damals vorübergehend im Besitz der Hüttenberger Eisenwerks AG (1869 bis 1881).
Sehr interessant wird es laut Plan von 1871 auf Höhe der späteren Lastenstraße. Zuvor nichts als freie Felder und das isoliert stehende Haus des Simon Polzer, später Mardaunig. Nichts zu sehen noch vom Steinmetz Della Schiava (heute Bulfon)! Ungefähr an Stelle des ausgebombten Arbeiterheimes (heute ein Wohnblock) lag der uralte „Turtltaub Meierhof“. Als tragischerweise das Besitzerehepaar in jungen Jahren verstarb und mehrere unmündige Kinder zurückließ, die man auf entfernte Verwandte aufteilte, war der Hof mit ausgedehnten Feldern und Wiesen nicht länger zu halten. Die Bürgerschaft ersteigerte den Besitz und machte daraus den „Gülten Meierhof“. Die Fortsetzung der Häuser mit ungeraden Nummern, diesmal verkehrt herum von 33 bis 21 und der Stadt zu, zeigt gegenüber heute ebenfalls nicht viel Veränderungen, nur der Gasthof Voraberger, Vorstadt Nr. 38, besteht leider nicht mehr. Die Bedeutung der Klagenfurter Vorstadt war einmal groß. Bierbrauer, Gasthäuser und Handwerker schätzten die günstige Lage, schon lange bevor es die Eisenbahn mit Schnellzugsbahnhof in Glandorf gab und danach erst recht. Die Straße nach Klagenfurt einerseits und die diversen Betriebsamkeiten an der Glan anderseits, sorgten schon früh für wirtschaftliche Belebung. Die Bahnanbindung und der nahe Güterbahnhof brachten dann auch noch so manchen Glantaler von Süden her in die Stadt. Die Motorisierung war für so lange ein Segen, bis man die Umfahrungsstraße baute. Den heutigen Verkehr auf der alten Straße zu haben, wäre inzwischen allerdings weder vorstellbar noch wirklich wünschenswert. VII/2005