Von alten Ledermachern

März 12, 2015 um 09:46 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Gott segne das ehrsame Handwerk!
Das war der Gruß unter den Mitgliedern der großen Kolping-Familie, „Gott segne es“ die Antwort darauf. Adolf Kolping (1813-1865) war katholischer Priester und Sozial-Pionier. Von ihm stammt die Idee, allen Handwerkslehrlingen und –gesellen, welche ihre vertraute Umgebung verlassen mussten, um in der nächst größeren Stadt Ausbildung und Arbeit zu finden, ein neues und umsorgtes Zuhause zu geben. Schon während der kurzen Lebenszeit des Gründers, schossen Kolping-Heime in vielen großen und mittleren Städten aus dem Boden. Unter Stadtpfarrer Felix Fiebinger kam es sogar bei uns in St. Veit zum Bau eines Vereinshauses und zu kurzzeitigem Bestand einer Einrichtung alla Kolping für die Jünglinge der verschiedensten Gewerbebetriebe.
Von der einstigen Vielfalt und Buntheit des Gewerbelebens innerhalb unserer Stadt ist nur noch wenig übrig. Oder können Sie mir auf die Schnelle einen Lederer, einen Schuster in der Stadt nennen? Gerade von diesen zwei Sparten soll aber heute die Rede sein. Man kannte sie wohl Jahrhunderte lang. Seit mehr als 500 Jahren gibt es die gar nicht so soltenen Familiennamen „Lederer“ oder „Schuster“. Nicht so oft bei uns, wohl aber in Deutschland die Herren und Damen mit Namen „Schuhmacher“ . In Österreich zeigte es sich erst relativ spät, dass ein Schuhmacher mehr galt als ein Schuster, schon gar als ein Flickschuster und ganz leicht konnte man einen Herrn Schuhmacher-Meister mit der falschen Anrede kränken.
Wie zahlreich sie einst waren und wie wenig empfindlich, vielmehr wie stolz auf ihren Stand, die Schuster von St. Veit, beweist der Bestand ihrer Bruderschaft zusammen mit den Ledermachern seit 1419. In Friesach begegnete man ihnen noch früher. War wohl auch die Stadt etwas älter als St. Veit. Kurzum, die Bruderschaften regelten nicht nur das Lehrlings- und Gesellenwesen bis hin zur Meisterwürde. Sie hatten selbstverwaltete Besitztümer wie Häuser, Äcker und Wiesen zum Verpachten, regelmäßige Zusammenkünfte, Andachten, Begräbnis und Gedenkmessen, Aufmärsche mit Fahne usw. Als es unter Kaiser Josef II zur Auflösung nicht nur der Klöster und Stifte, sondern auch der leicht religiös angehauchten Bruderschaften kam, wurde der aktuelle Jahresertrag mit mehr als einhundert Gulden bewertet. Was anderen Ortes in den neu geschaffenen Religionsfonds zu fließen hatte, wurde im Falle der Schuster und Lederer Bruderschaft anders geregelt. Ihre Mittel waren in die städtische Armenkasse abzuführen. Das konnte man in so ferne akzeptieren, als die Armenkasse das Bürgerspital zu tragen hatte.
Zu der Zeit waren die Ledermacher zwar noch immer nicht an der Zahl, sehr wohl aber an Wohlhabenheit den Schustern haushoch überlegen. Hatten die Schuster immer die gleichen Klienten zu bedienen, wobei sich nicht jedermann Schuhe leisten konnte und insbesondere die Mägde und Knechte eher billige HolzZockel bevorzugten, so konnten sich die Lederer ihre Abnehmer förmlich aussuchen. Dazu gehörten nämlich neben den Schustern noch die Gürtler, die Taschner, Sattler und Riemer. Die Ledermacher waren eigentlich Gerber, obzwar man sie abgesehen von den Weißgerbern (Irchern) im Steuerprotokoll von 1750 noch nicht so genannt findet. Folglich ist hier und heute auch nicht etwa von einem reichen Schuster oder Schuhmacher, sehr wohl aber von einem zu großem Vermögen gekommenen Ledermacher zu berichten. Wir sprechen von Andreas Pogacnik aus Dobrova in Krain. 1830 als Wirtssohn dort geboren, erlernte er den Umgang mit Rindenlohe und Gerbgrube. In St. Veit verlor gerade Johanna Kronegger, geborene Kalischnig, ebenfalls aus Krain (Neumarktl) stammend, ihren Ehemann Eduard, gewesener Lederermeister und was lag da näher, sich bald wieder einen neuen Mann für Betrieb und Bett zu suchen. Da kam Andreas gerade recht! 1860 entschloss sich Andreas, jetzt mit geschönten Namen Pogatschnig um die reiche Witwe Johanna zu werben, dabei legte der Bräutigam großen Wert darauf, in der Matrikel als „Lederer und angehender Besitzer des Hauses Weitensfelder Vorstadt 4“ (heute Gerichtsstraße 1 bezeichnet zu werden. Das lässt sich auch so verstehen, dass er in der Lage war, das Vorstadthaus aus eigenen Mitteln zu kaufen. Was dieses Gebäude zur Zeit des Kaufes darstellte, sicher kein reines Wohnhaus, wird sich noch zeigen. Zur Bürgeraufnahme kommt es schon 1862 und es spielte dabei nicht die geringste Rolle, dass er landfremd war. Das Stadthaus am Hauptplatz (später Konditorei Holzmann) lief noch eine Zeit auf Namen Johanna Kronegger/Pogatschnig. Erst 1873 folgte ihr Witwer Andreas im Besitze nach. Als auch Andreas am 1.4.1907 das Zeitliche segnete und sein Verlass geregelt wurde, erfährt man, dass er neben seiner zweiten Ehefrau Ottilie, geborene Pirker, drei erwachsene Nachkommen aus erster und vier Unmündige aus zweiter Ehe hinterlassen hat. Es sind dies der Reihe nach Heinrich, Lederfabrikant in Villach, 30 Jahre alt, Johanna, St. Veit, 29 Jahre, Ottilie, St. Veit 27 Jahre bzw. Franz 24, Andreas 21, Leopoldine 19 und Anna 14. Die Hinterlassenschaft, kurz beschrieben, besteht aus dem Hause Nr. 4 am Platz, dem „Marhof“ in der Weitensfelder Vorstadt, aus der Stämpf, irgendwo am Obermühlbach und Fahrnissen. Der Gesamtwert des Nachlasses betrug rund 120.000 Kronen.
Als es um die Mitte der zwanziger Jahre die Stadtverwaltung für richtig hielt, allen Straßen, Gassen und Wege Namen zu geben, wurde die kurze, hausnummern-lose Verbindung vom Hauptplatz zur Bräuhausgasse, Pogatschnig-Gasse getauft. Es wäre schön, hätte man bei Vergabe von Straßennamen auch ein wenig besser Protokoll geführt. Heute vermag nicht einmal die Kulturabteilung zu sagen, wer die Straßennamen vorgeschlagen und warum diese so beschlossen wurden, welcher Pogatschnig damit gemeint ist. Man kann nur vermuten, dass aus Dankbarkeit für die zeitgleiche Überlassung des Baugrundes zum neuen Bezirksgericht aus den sogenannten „Pogatschnig Gründen“ – über bürgerlichen Antrag der Beschluss gefasst wurde, eine Pogatschnig Gasse zu schaffen. Es gibt noch mehrere Beispiele von sogenannten Gassen und Wegen ohne Bedeutung die für ehemalige Bürger von St. Veit mit klingenden Namen reichen mussten z.B. Prof. Karl Ginhart, Dr. Sebastian Weberitsch oder Leo Knaus. Es fällt schwer, dabei an Zufälle zu glauben, eher ist es wohl ein Zeitbild und eine Reminiszenz, dass sich Stadtverwaltung mit eindeutiger Mehrheit und Bürgertum nicht immer ganz hold gewesen sind.
Wie gezeigt, hat der Sohn des Ledermachers daheim schon keine Zukunft mehr gesehen und ist deshalb nach Villach gezogen um dort mit einer Fabrik, einer Lederfabrik zu beginnen. Dazu muss man bedenken, was sich inzwischen in der großen weiten Welt so alles verändert hat. Die Ansprüche der Leder-Abnehmer in Bezug auf Qualität, bei gleichzeitigem Preisverfall wurden immer größer. Kein Wunder das der Weg von der örtlichen Produktion rasch weg zur Region und bald zu Internationalität hinführte. Benötigte die Lohgerberei noch Monate bis zum Fertigprodukt, so erlaubten neue Verfahren auf chemischer Basis die sogenannte Schnell-Gerberei. Da blieb für den Lederer alter Schule einfach kein Platz mehr. Sie wären auch nicht in der Lage gewesen, die nun verlangten Quantitäten zu liefern. Der Weg zur industriellen Ledererzeugung war unvermeidlich geworden.
Das ehrsame Handwerk ist noch nicht ganz ausgestorben. Es wird aber von Industrie und Automatisierung, von Massenproduktion und Wegwerfgesellschaft immer stärker bedroht. Die tüchtigen „Hantierer„ – um mit Sebstian Weberitsch zu sprechen – die mit geschickten Händen noch etwas zu schaffen wussten, die gibt es vereinzelt noch. Da sind sogar ganz neue Sparten mit vielen fähigen und tüchtigen „Jüngern“ entstanden. Dafür müssen eben andere auf der Strecke bleiben. Auf der Welt ist nichts so sicher wie die ständige Veränderung.

Die nachstehenden Fotos wurden freundlicherweise von Herrn Gr.Insp. Ewald Tamegger nachgereicht. Sie zeigen die einstige Pogatschnig Realität einmal von vorne, ein andermal vom Bezirksgericht aus.

Pogatschnig 2

Pogatschnig 1

Pogaschnig Stadel#

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Klagenfurter Straße 40 (alt: Vorstadt 11)

November 30, 2013 um 18:21 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen Kommentar
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Heute wirkt das Besitztum, eingeklemmt zwischen Steyrer-Hof und Neubau Haus Nr. 42 mit seiner Straßenfront von ca. 12 Meter und der geringen Tiefe eher bescheiden. Das war nicht immer so. Die Ausdehnung reichte einmal gute hundert Meter in die Tiefe, was gewisse Vorteile bot. Garten, kleiner Stall mit  Scheune  waren so nämlich auch von hinten her erreichbar und zwar von einem ehemaligen Grenz- oder Feldweg aus, dem späteren „Gütersteig“, heute Prinzhofer Straße. Der Gütersteig erinnert an den alten „Güterbahnhof“ wo das Verladen und Entladen seit Errichtung der Bahn zum Alltag gehörten und Pferdefuhrwerke wie Handkarren den kürzesten Weg zwischen Bahn und Stadt zu schätzen wussten..

Der Ausbau des Gütersteiges hatte seinen Einfluss auf die weitere Entwicklung der angrenzenden Flächen. 1913 wurde die Baufläche, bestehend aus Vorder- und Hinterhaus geteilt .Der meiste Grund samt Hinterhaus wurde verkauft. Ein typischer Fall von Spekulationsgewinn durch Filetierung. Wie überhaupt zu bemerken ist, dass die auffällig vielen Besitzwechsel und das kurzfristige Innehaben nur daher kamen, dass man bald wieder mit Gewinn  weiterzuverkaufen Hoffnungen hegte. Das gilt für Vorstadthäuser allgemein, besonders jedoch für Anwesen wie diesem, das einmal der Schuster- und Lederer Bruderschaft zugerechnet wurde. Darauf wird vielleicht noch in einem eigenen Aufsatz zurück zu kommen sein.

Vorerst interessieren uns die Namen der Besitzer, wie sie im modernen Grundbuch unter der Einlage Zahl 272 aufscheinen. (Das alte Grundbuch (Urbar von1754) der Schuster und Lederer Bruderschaft steht heute noch nicht zur Verfügung!). Die genannten Besitzer sind keinesfalls immer mit den jeweiligen Hausbewohnern ident. Die Anlage, aus kleinsten Anfängen heraus stets gewachsen, eignete sich nämlich recht gut für  Handwerker zur Miete oder Pacht. Es muss das nicht  immer ein Schuhmacher gewesen sein. Auch andere schätzten eine gewisse Selbstversorgung. Die Meister von damals pflegten ihre Lehrbuben und Gesellen je nach Bedarf auch für Feld- und Stallarbeiten heranzuziehen und dafür war hier ja alles vorhanden, ein kleiner gewölbter Vorratskeller später mit inbegriffen.

Die chronologische Reihe der Besitzer

Rosina Khakhl, gestorben 1884, Gattin des Thomas K., Pächter  auf Gut Hunnenbrunn.

Aloisia Preschern, Erbin nach Rosina K. – wie übrigens auch am Hauptplatz 8, heute Kropfreiter. Beide wohnten ganz gewiss nicht hier.

An Johann Pogatschnig wurde noch 1885 weitergegeben. Dessen Vater Josef P. war Handelsmann in St. Veit. Auch hier muss eine Verwandtschaft vorgelegen haben, weil Thomas K. Taufpate des Johann war.

Es folgte Rosalia Ferstner noch im gleichen Jahr und nach deren Ableben im Jahre 1897 eine Maria Ferstner als Erbin.

Ein Johann Fabian kaufte 1899 und verkaufte 1913 an Anna Sadjak.

Nach vier Jahren kaufte von ihr Thomas Klimbacher um schon 1919 an Josef Proprentner weiter zu verkaufen. Dieser blieb wenigstens einmal zwanzig Jahre Eigentümer und verkaufte 1939 an Josef und Valentine Ratheiser.

Alois Knichtel folgte 1940 und 1942 dessen Erbin Magdalena. Magdalena übergibt 1948 an Franz und Edeltrude Sigitz.

Endlich kommt mit Paul Weiß ein Bäcker ins Bild. Er kaufte sich 1952 hier an, baute 1957/58 das von Fliegerbomben zerstörte, einfache Gebäude modern auf und übersiedelte vom Hauptplatz 9 aus einem uralten Bäckerhaus, wo er gepachtet gehabt hatte, ins eigene Haus hier her. Da schuf er im Erdgeschoß einen Verkaufsladen, eine Dampfbäckerei und bezog Wohnung im neu aufgesetzten Stockwerk mit Mansarde. Er war einer der wenigen, die Werte schufen und nicht nur spekulierten bzw. verkleinerten.

 Was erzählen uns die alten Pläne?

Die im Aufsatz von Dr. Karl Ginhart (Carinthia I 1961 Seite 831) wiedergegebene Karte von 1747 zeigt den deutlich vorspringenden Steyrerhof und gleich anschließend eine winzige Hausmarke für die Keusche Vorstadt 11 daran anschließend aber eine verhältnismäßig große Grundfläche. Der Feldweg rückwärts endete damals noch an jener Stelle, wo er den Bruderschaft-Grund erreichte.

Der Kataster von 1828 zeigt schon einen weiter führenden Grenzweg, was bedeutet, dass sich die Grundfläche erstmals verkleinert hat. Das Haus selbst steht noch immer am Ende der geschlossenen Straßen-Häuserreihe. Danach gibt es noch keine Verbauung.

Ein späterer Plan – noch ohne Eisenbahn und ohne Krankenhaus – Indikatoren für die Zeit vor 1870 – lässt erkennen, dass doch auch von vorne noch Platz für eine Einfahrt vorhanden war, das Haus also noch gar nicht, so wie heute, die ganze Straßenfront ausfüllte. In den darauf folgenden  zehn Jahren muss es geschehen sein, dass das eingeschossige Haus nach Osten erweitert und darunter der noch vorhandene Keller geschaffen wurde.

1883 datiert ein Plan, diesmal mit Eisenbahn und mit Krankenhaus, der deutlich macht, dass bereits ein Hinterhaus (Stall/Scheune?) mit baulicher Verbindung zum Vorderhaus bestand. Damit ist förmlich die halbe Grundfläche verbaut. Die Schraffierung verrät, dass man es mit einer jungen Änderung zu tun hat. Dabei ist „jung“ relativ zu nehmen, denn das Vermessungsamt hinkt heute noch den tatsächlichen Ereignissen zeitlich nach. Eines Tages ist dieses Hofgebäude entbehrlich geworden und es kam zu dem oben erwähnten Verkauf von 1913. Heute steht an dieser Stelle das Haus Prinzhofer Straße 9, vorher Gütersteig 9 (EZ 586).

Walter Wohlfahrt in Stadt-Blattl Nov. 2013

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