Das sog. Löcker-Haus Hauptplatz 9
Juli 1, 2012 um 15:33 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bäcker, Ferdinand Lecker, Gradischnig, Mühlbach, Mühle, Paul Weiß, Tscheuko
Was ein St.Veiter Bäcker vor hundert Jahren so alles benötigte:
Am 24. Jänner 1906 ist der Bäckermeister Ferdinand Lecker im besagten Hause verstorben und weil er keine letztwillige Verfügung, wohl aber unmündige Kinder hinterlassen hat, musste sein Nachlaß gerichtlich aufgenommen und bewertet werden. So erfahren wir, dass im Bäckerladen zu ebener Erde nicht nur verschiedenste Backwaren, sondern auch Milch und Milchprodukte feilgeboten worden sind. Zur Einrichtung gehörten daher Verkaufsbude, große und kleine Dezimalwaage samt Gewichte, Petroleumlampe, Mehlkiste, Zwiebackkorb, Bröselmaschine, Milchkasten und Milchgeschirr, Brot-Stellage und Brot-Tisch, Brot- und Buckelkörbe, einige Stühle und ein Heiligenbild.
An Handelsware standen wenige Artikel und diese nur in geringer Menge bereit, wie zehn Kilo Mehl, 1 Sack Maisch (=Viehfutter), 1 voller Milchkessel, 1 Kübel mit Margarine, 7 Päckchen Germ, 6 Laib Brot und der Semmelvorrat von 2 Kronen und 60 Heller.
In der angrenzenden Kammer fanden sich Tisch, zwei Bänke, zwei Sofa, eines davon als alt bezeichnet, Kinderwagen, Schubladkasten alt, kleiner Spiegel und Wanduhr.
Die Küche enthielt einen weichen Tisch (d.h. aus Weichholz), eine Hühnersteige (!) – diese vearmutlich wohl nur über die kalte Jahreszeit – sämtliches Küchengeschirr mit 8 Kronen bewertet, sowie vier diverse „Schäffer“.
Das sogenannte Burschenzimmer hatte einen weichen Schubladkasten und zwei „aufgemachte Betten“. Letztere, mit 10 Kronen veranschlagt, lassen erraten, daß zwei Bäckergesellen oder Lehrlinge im Hause wohnten.
In der Vorlaube lagerte das nötige Scheiterholz für den Backofen, immerhin im Werte von 16 Kronen, nebst neun Körben und einem Wasserschaff.
Am interessantesten ist aber wohl der Inhalt der Backstube selbst. Dieser bestand aus 16 Positionen. Am wertvollsten die Teigteilmaschine (100 Kronen wert), gefolgt von 17 Semmelladen (17 Kronen), 5 Backblechen (10), 2 Backtrögen (10), Mehlsieb, Mehlbutten, Reinkerlschalen, Ladentücher, Schalenwaage, Teigscheren, Bartwische, Nudelwalker, Ofenlampe, Hängeuhr und schließlich 30 kg Mehl.
Im Hof trafen die Schätzer auf 2 komplette Kummet (24), Zagger (Ziehkarren), Heugraten, Schlitten samt Schapfen und weiteres Scheiterholz.
Bevor man die Stockwerke aufsuchte, wovon nur das erste dem Eigenbedarf, das zweite jedoch der Vermietung diente, ist noch von einem Kuhstall die Rede, in dem sich aber kurioserweise allein zwei Schweine, ein achtjähriger brauner Wallach (200 Kr) und eine zehnjährige Stute (240 Kr) befanden, aber keine Kuh! Spartanisch eingerichtet war übrigens hier noch die fensterlose Knechtskammer mit zwei Betten (nur 6 Kronen!), drei Kisten und einer Lampe.
Wie lebten die Bäckerleute?
Wenn wir nun im Geiste den Wohnbereich der Meisterfamilie im ersten Stock betreten, so müssen wir sagen, daß man wohl ein einfaches und biederes Leben ohne besondere Ansprüche führte, denn wir begegnen in der Vorlaube nur zwei alten Truhen, zwei harten Hängekästen, Sessel und Wäscherolle. Im Schlafzimmer dürften sich kaum besondere Schätze befunden haben, denn der Glasaufsatzkasten wird inklusive Inhalt mit 5 Kronen angesetzt, mit 16 hingegen ein harter Hängekasten. Ein Kruzifix samt Glassturz kostet mit 2 Kr. gleich viel wie alle dort befindlichen Kleider. Dafür sind drei aufgemachte harte Betten immerhin mit 60 Kronen und ein einziges Kinderbett mit 10 Kronen angeschrieben. Zwanzig weitere Posten im Schlafzimmer vom harten runden Tisch über die gepolsterten 6 Sessel, Hänge-, Wäsche- und Schubladkasten bis hin zur Blumenvase und Tabakdose machen mit Inhalt zusammen nicht mehr als 170 Kronen aus, wovon 50 Kronen allein auf 72m Leinwand und 20 Kronen auf eine Nähmaschine Marke „Jax“ entfallen. Von Luxus ist also wahrlich keine Rede, viel mehr von täglich harter Arbeit aller Hausinsassen, wenn man nur in die Mehlkammer, auf den Heu- und auf den Dachboden schaut, wo verschiedenstes Handwerkszeug, Gerät insbesondere aber Vorräte für Mensch und Vieh anzutreffen sind.
Die detaillierte Beschreibung durch die Amtspersonen und das Voranschreiten derselben im Hause von unten bis hinauf unter das Dach, liefert heute noch einen brauchbaren Eindruck vom damaligen Innenleben dieses Stadthauses. Während die beweglichen Sachen insgesamt mit rund zweitausend Kronen eher gering zu Buche schlagen, wird das Haus ob seiner günstigen Lage am Platze mit 23.000 Kronen angesetzt.
Eine weitere Überraschung bietet das Verzeichnis der Passiv-Posten insofern, als man erkennen kann, daß Mehl von sehr weit her bezogen wurde. Es werden nämlich offene Rechnungen nicht nur von der Mageregger Getreidemühle, sondern auch von der Agramer Dampf- und Kunstmühle, sowie von der „Ersten Ofen-Pester-Dampfmühle“ und die gehört immerhin zum heutigen Budapest – peinlichst genau mit Datum und Betrag angeführt. Letztendlich zeigt es sich, daß alle vorhandenen Aktiva die Passivseite nur gering überschreiten. Das vor neun Jahren zum Hausankauf bei der Sparkasse aufgenommene Darlehen, haftet noch in ursprünglicher Höhe offen aus. Man konnte inzwischen gerade die Zinsen zahlen, doch kaum eine Tilgung leisten. Um den Betrieb zum Lebensunterhalt der Minderjährigen fortführen zu können, wird den schon großjährigen Erben aus erster Ehe ein weitgehendster Erbverzicht nahegelegt!
Was man sonst noch über das Haus weiß
Das über dem Eingang befindliche Hauszeichen „F.K. 1692“ geht auf einen früheren Eigentümer, vermutlich auf den 1695 Bürger gewordenen Friedrich Kräschnig zurück. Gürtler, Kürschner, Hutmacher ja selbst ein Kaffeesieder waren in diesem Hause. Erst unter Josef Weberitsch, als Vorläufer des Löcker, wurde eine Bäckerei oder zumindest ein Bäckerladen im Hause eingerichtet.
Auf den verstorbenen Bäckermeister folgte jedenfalls 1906 seine Witwe Agnes. 1911 bereits die Bäckersleute Johann und Theresia Tscheuko. Nach Ableben des Johann war von 1928 noch bis 1937 Theresia Tscheuko Alleineigentümerin, ehe sie 1937 an Hans und Anna Gradischnig verkaufte. Ab 1947 erscheint dort ein Paul Weiß als Bäcker.
Bis zu seiner Demolierung 1911 bestand zur Spitalgasse hin ein eingeschossiger Bau, welcher vermutlich eine ältere Geschichte hat. Der Überlieferung nach soll an dieser Stelle eine Mühle gestanden haben, als noch der Mühlbach offen durch die Stadt floß. Wie ein vorhandenes Foto zeigt, erforderte damals eine Abtragung mit Spitzhacke viel mehr Zeitaufwand und einige tüchtige Leute. Ganz zum Unterschied von heute, wo mit Hilfe von modernem Gerät binnen weniger Stunden selbst größte Bauten dem Erdboden gleich gemacht werden. So radikal geht es z.B. dieser Tage vis a vis bei der Errichtung des neuen „C & A“ zu!
Walter Wohlfahrt in „Sankt Veit Kommunal“ leicht nachredigiert
Hauptplatz Nr. 13
August 9, 2011 um 17:39 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bäcker, Bürger, Gürtler, Niederl Rudolf, Pletersky-Tschebul Friederun, Portenwirker, Posamentiererin, Schorn Anni Tabakhauptverlag, Stadtbrand, Susitz Josef, Weinstabl Josef Chronist
Wenn Häuser reden könnten! Ja wenn, dann wüsste auch das Haus Nr. 13 auf unserem Hauptplatz einiges zu berichten. Vielleicht würde es dann damit so oder so ähnlich beginnen:
Ich bin zwar nicht das vornehmste Haus am Platz, auch nicht eines von den großen, doch mein Alter braucht sich vor den anderen nicht zu verstecken. Ich gehöre ganz sicher mit zu den ältesten Platz-Adressen, ursprünglich unter „Innere Stadt 95“, danach „Oberer Platz 96“, kurze Zeit „Adolf Hitler Platz 13“ und letztendlich „Hauptplatz“. Ich habe in der langen Zeit viel mitgemacht, die eine oder andere bauliche Veränderung, zuletzt um 1900 als man mir die Gewölbe über dem Erdgeschoß genommen hat, um moderne Geschäftslokale unterbringen zu können. Seit 1921 beherbergte ich den Tabakhauptverlag, jetzt immer noch als Trafik geführt. Weil aber Frau Anni Schorn an anderer Stelle, im Hause Nr. 17 Verlag und Trafik seit 1899 innehatte, ist ein hundertjähriges Jubiläum zu feiern, glatt vergessen worden.
Doch muss ich mit meinen ältesten Hausherren, so weit bekannt, beginnen. Sie waren fast durch die Bank angesehene Bürger. So lange man an dieser altehrwürdigen Einrichtung festhielt und das „Bürgerbuch“ geführt wurde, waren dies der Reihe nach (Jahr der Bürgeraufnahme in Klammern) Stefan Herzog, Bäcker (1746) gestorben 1775 und dessen Sohn Johann, Johann Kugi, Portenwirker (1794) gestorben 1828, „Leonhard Liebhard nomine seines Sohnes Josef“ und erst anschließend ab 1831 Anna Kugi, Posamentiererin. Schon 1832 folgten im Besitz Ernst und Anna Feistl (1829). Ernst Feistl, seines Zeichens ein Gürtler war verheiratet, evangelisch und 1797 geboren. Er stammte aus Frankfurt an der Oder. Dieser Erwerb geschah nur 3 Jahre nach dem letzten großen Stadtbrand. Keine schlechte Chance für einen jungen, tüchtigen Gürtler, wenn man bedenkt, was da alles neu anzuschaffen war. Sohn Hugo firmiert jedoch als „Goldarbeiter“ und seine Witwe Gabriele, wiederverehelichte Mörbinder hält das Haus nur noch kurze Zeit von 1886 bis 1890. Dem Chronisten Josef Weinstabl scheint zu Ohren gekommen zu sein, warum es so bald wieder zum Besitzwechsel kam. Herr Mörbinder betrieb das Goldgeschäft zwar weiter, war aber ein so nobler Herr, dass er lieber in gesellschaftlichen Kreisen als bei seiner Arbeit verweilte, so dass Haus und Geschäft unter den Hammer kamen. 1890 folgte für zwanzig Jahre ein gewisser Johann Susitz. Nach Direktor Rudolf Niederl soll er ein Getreidehändler gewesen sein. Das hier gezeigte Bild lässt noch die Aufschrift „Josef Susitz“ erkennen, doch nach Getreidehandel sieht das gezeigte Angebot nicht aus! Wenn ich mich nicht irre – auch ein altes Haus leidet hie und da an Gedächtnisschwund – war der Getreidehändler wohl noch Hausherr, hat aber das Geschäft zum Platz hin anderweitig vermietet. Die große Schau von Bauern- und Knechtsgewändern passt am ehesten in die Wiesenmarktzeit und in die Zeit v o r den Fahrrad- Uhren- und Goldwarenhändlern Leitner, die danach mit neuer Aufschrift tätig waren und wovon es ebenfalls noch Fotos gibt.
In rascher Folge lösten Josefine Rappl 1916, der Spengler Josef Zedischnig 1920, Leo Knaus (1924), Otto und Erich Knaus (1937) schließlich Paula Pemberger, geborene Knaus und Friederun Pletersky-Tschebul, geborene Pemberger einander an dieser Stelle ab.
Gar vieles wüsste ich noch zu berichten, doch bitte ich um Nachsicht, denn selbst alte Häuser können ab und zu Ermüdungserscheinungen aufweisen. XII/2010
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