Noch zwei Häuser der „Villacher Vorstadt“
August 1, 2011 um 18:40 | Veröffentlicht in St.Veit | Hinterlasse einen KommentarSchlagwörter: Bierwirt, Botenwirt, Brückenwirt, Bruckenlederer, Franz Bacher, Gasthaus zum Mondschein, Gerberlohe, Grundherrschaft Leonstein, Kegelbahn, Kowalter, Lederfabrik Knoch Klagenfurt, Liebenwein, Peter Ginhart, Postmeister, Wernitznig
Traurig aber wahr! Ein weiteres, gastliches Haus in der Villacher Vorstadt gibt es nicht mehr. Dem Vernehmen nach soll der Bruckenwirt bald auch gänzlich abgetragen werden. Das wird nicht nur das Stammhaus, sondern auch das dahinter liegende Wirtschaftsgebäude betreffen. Wenn man die Geschichte des Hauses zurück verfolgt, kommt man drauf, dass es anfänglich kein Wirtshaus, sondern das Haus eines Ledermachers war. Der alte Hausname lautete daher auch nicht Bruckenwirt, sondern Bruckenlederer.
Als die Ledererzeugung noch nicht fabriksmäßig vor sich ging, sondern im Rahmen von Kleingewerben, war ein Standort an Bächen und nahe von Brücken stets sehr begehrt. Hausnamen auf Brucklederer gibt es in Kärnten gar nicht selten, einen davon z.B. in Eberstein, Unterer Platz (Dr. Lampersberger). Ein Standort nahe von Brücken bot wichtige Vorteile, einmal Verkehrsfrequenz und gute Erreichbarkeit, zum andern die günstige Entsorgung durch das vorbeifließende Wasser. Bevor man Häute zum Trocknen aufhängen konnte, mussten diese ja erst einmal gründlich gereinigt werden, was gute Nahrung für Fische abwarf. Doch selbst nach Entnahme der Häute aus der Grube und Gerberlohe, war wieder Wascharbeit angesagt. Die große Lederfabrik Knoch in Klagenfurt mit ihren zahlreichen „Rindenhütten“ an waldreichen Nebenlinien der neu geschaffenen Eisenbahn war dann wohl nach und nach der Garaus für kleine Ledermacher überall im Land. Inzwischen wird nicht einmal mehr Baumrinde gebraucht und die Lederfirma Knoch selbst ist Vergangenheit! Immer größere Betriebe und immer mehr Chemie, das ist die Devise!
Wirtschaftliche Entwicklungen widerspiegeln sich an diesem Platz in der Besitzerfolge. Das, mit dem Hause fix verbunden gewesene Lederer-Recht erschien bereits im ältesten Grundbuch, jenem der Grundherrschaft Leonstein. Weitere Liegenschaftsteile finden sich auch im Grundbuch des Stadtmagistrats.
Franz Bacher, ein bekannter Lederer vor dem Villacher Tor, verkaufte 1841 an Josef Zech. Von diesem kaufte 1845 ein gewisser Georg Lorenz, 1861 gefolgt von seiner Witwe Elisabeth Lorenz. Dabei ist gar nicht ausgemacht, dass die neuen Eigentümer auch noch Lederer waren. Die kurze Zeit von 4 Jahren, wo Franz Bacher das Haus inne hatte, spricht eher dafür, dass er lediglich im Sinne hatte, dort keinen neuen Konkurrenten zu bekommen. Oft sind Vorstadthäuser auch rein spekulativ erworben worden, um sie mit etwas Gewinn weiterzuverhandeln. Schon 1869 kaufte eine gewisse Cordula Haller, deren zahlreiche Erben sich 1875 darauf verständigten, dass Sohn Anton kaufen und übernehmen solle. Nur zwei Jahre später, also 1877 verkaufte Anton Haller an Agnes Resinger. 1879 kaufte Johann Pirker. Diesem wird 1898 die Errichtung eines Neubaus (?) bewilligt. Er dürfte sich dabei finanziell übernommen haben, denn 1900 verfällt er in Zwangsversteigerung. Der Zuschlag wird dem Kaufmann Alois Ginhart erteilt. Diesem folgt 1912 seine Witwe Aloisia. Als diese um 1924 als wiederverehelichte Liebenwein verstirbt, folgen je zur Hälfte Josef Liebenwein und der minderjährige Peter Ginhart, dem Alter nach wohl ein Enkelkind aus erster Ehe. Das war sicher keine ideale Eigentümer-Kombination und so kaufte Juliane Kuhs 1925 die Hälfte des Minderjährigen und Franz Kuhs 1929 jene des Liebenwein. Jetzt scheint erst die eigentliche Wirtsgeschichte zu beginnen, die über mehrere Generationen die Familie Kuhs sehr erfolgreich gestaltete.
Zwei Häuser weiter in Richtung Stadt, finden wir ein wirklich altes, wie wir sehen werden, recht interessantes und langlebiges, inzwischen aber doch abgekommenes Wirtshaus. Zu Ende des 18. Jahrhunderts nannte sich ein gewisser Jakob Fischer an dieser Stelle „Bierwirt“. Es folgen vier weitere Besitzernamen, ehe es von Elisabeth Gössinger heißt, ihr Haus hätte 3 Zimmer, 1 Speisgewölb, 1 Kuchel, 1 Keller auf 8 Startin, 1 Pferdestall auf 8 Pferd,1 Dreschtenne mit 2 Seitenbarren samt dabei befindlichen Wurzgarten auf 80 Quadratklafter. Alles zusammen wurde 1817 auf 3.300 Gulden geschätzt! Rasch folgten aufeinander als Hausherren Peter Scherowitz, Valentin Leschanz und Josef Wallisch. Unter letzterem wird das Haus ausdrücklich „Botenwirtshaus“ bezeichnet, was immer das zu bedeuten hat. Immerhin, wir sind in der Postkutschenzeit, wo St. Veit einen privaten k.k. Postmeister beherbergte, der die Strecke Friesach-St.Veit-Klagenfurt zu versehen hatte. Man könnte sich vorstellen, dass von unserem Botenwirtshaus sich Boten ins Glantal hinaus auf den Weg machten. Es könnte auch der Wirt selbst Post angenommen, bereit gehalten oder weitergeleitet haben. Wallisch verkaufte 1831 an Franz Holzer, der 1834 im Zuge der Soldaten Einquartierungen verpflichtet wurde, ein Wachzimmer für das (militärische) Fuhrwesen zu stellen! Stallraum dafür hatte er genug. Zum Botenwirt, später auch Gasthaus Zum Mondschein genannt, gehörten weiter entfernt liegende Äcker und Wiesen, auch Gartenflächen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Eine Wiese bei der Glan wurde 1908 abgeschrieben, weil dort eine Schießstatt entstand. Es kam auch zur Errichtung einer eigenen Kegelbahn. Schon davor wurde immer wieder etwas baulich verändert. Die Besitzernamen lauteten Johann Aichwalder (ab 1842), Josef Preschern (ab 1850), Jacob Kowalter in Folge Kaufvertrag von 1876 bzw. mj. Jacob Kowalter gemäß Einantwortung von 1885. Der Name Kowalter erinnert an einen berühmten St. Veiter, der nach Amerika auswanderte, dort Präsidiumsmitglied der Vereinigung aller österreichisch-ungarischen Auswanderer wurde und nach 1945 viel Gutes für die St. Veiter Bevölkerung getan hat, indem er Lebensmittelsendungen in seine alte Heimat organisierte. Seit 1895 wirkte an dieser Stelle die Familie Wernitznig, seit 1910 zusätzlich zum Gastbetrieb das Sattlergewerbe ausübend. Johann und Antonia Rehsmann kauften den „Mondschein“ im Jahre 1918, da befand sich die Sattlerei bereits auf der anderen Straßenseite.
Walter Wohlfahrt in „Zentrum Kärnten“ V/2009
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